Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen Partner finden. Diese Partner werden gesucht. Diese Partner müssen den Islam repräsentativ und verbindlich vertreten können. Sie müssen selbst die Trennung von Staat und Religion glaubhaft verinnerlicht haben – nicht nur vom deutschen Staat, um auch das deutlich zu sagen. Und sie müssen sich in die Rechtsordnung unseres Grundgesetzes einfügen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Dass das geht, das beweisen z. B. die Aleviten. Deswegen finde ich es sehr richtig, dass hier genauestens überprüft wird.

Einmal völlig unabhängig von der Frage der Organisation und von der Frage, inwieweit es definierbar ist, wer dieser Religionsgemeinschaft zugehörig ist, gelten natürlich die generellen Anforderungen – Herr Integrationsminister, ich bitte, auch die zu überprüfen –, die mit den Erziehungszielen in unserem Land in Übereinstimmung gebracht werden müssen: Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, vorbehaltlose Anerkennung der Menschenrechte, Toleranz und Respekt gegenüber Andersgläubigen und anderen Religionen, Gleichberechtigung von Mann und Frau. Meine Damen und Herren, das sind übergeordnete Erziehungsziele, die eine Religionsgemeinschaft, die an unseren Schulen islamischen Religionsunterricht geben möchte, auch garantieren muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Beuth, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, in der Koalitionsvereinbarung ist von einem legitimen Partner die Rede. Genau diesen legitimen Partner versuchen wir zu finden,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Den finden Sie nicht!)

damit wir das Ziel, die Einführung des islamischen Religionsunterrichts, auch wirklich glaubhaft umsetzen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Kollege Beuth. – Das Wort hat der Abg. Merz, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt“ – so könnte man diese Aktuelle Stunde auch überschreiben. Am Ende dieser Legislaturperiode werde ich wahrscheinlich gefühlte 80 % meiner Plenarredezeit mit diesem Thema verbracht haben. Wenn es der Sache dienlich ist, ist das auch in Ordnung. Ich habe mich allerdings gefragt, was heute Anlass dieser Debatte ist.

Ich muss sagen: Was die hessischen Verhältnisse angeht, habe ich jetzt wirklich einen neuen Anlass gefunden.

Allerdings liegt dieser Anlass in der Person des Ministers – der in dieser Debatte eine gewisse Rolle spielt –, weniger in der Sache.

Zunächst will ich etwas zu der Sache selbst sagen, wie sie sich in Hessen darstellt.

Der Stand der Dinge ist der, dass der runde Tisch nach einem ziemlichen Geholper bei seiner Zusammensetzung seine Arbeit aufgenommen hat. An diesem Geholper hat auch die Landesregierung einen gewissen Anteil; es ging darum, ob beispielsweise die Islamische Religionsgemeinschaft an diesem runden Tisch zu beteiligen ist oder nicht. Das Ergebnis ist, dass es ein gemeinsames Curriculum gibt, auf das sich alle am runden Tisch vertretenen Verbände geeinigt haben.

Ein zweites Ergebnis ist der Beginn der islamischen Religionslehrerausbildung in einem gemeinsamen Projekt der Universitäten Frankfurt und Gießen. Auch das ist ein Schritt in der Sache nach vorne, in die richtige Richtung.

Ein weiteres Ergebnis ist: Es gibt zwei Religionsgemeinschaften oder zwei islamische Vereinigungen, die einen Antrag gestellt und insofern erklärt haben, dass sie sich auf den Weg, der beschrieben worden ist, machen wollen, um anerkannt zu werden. Es sind zwei Gutachten in Auftrag gegeben worden – wenn ich es richtig sehe, eines, das religionswissenschaftlicher Natur ist und bis Ende März vorliegen soll, und eines, das eher die verfassungs- und staatskirchenrechtlichen Probleme beleuchtet und das wohl bis Mitte dieses Jahres vorliegen soll.

Lieber Kollege Beuth, vielleicht hätten Sie einmal den Kollegen Bauer oder vielleicht auch den Kollegen Tipi fragen sollen: Diese Prüfung ist nicht identisch mit einer Überprüfung durch den Verfassungsschutz. Wenn Sie die Elle anlegen würden – nur einmal als Beispiel –, dass eine Religionsgemeinschaft immer und vorbehalt- und kompromisslos die Gleichberechtigung von Mann und Frau propagieren muss, dann sollten Sie einmal bei denen, die derzeit als Religionsgemeinschaft anerkannt sind, schauen, ob die das immer tun. – Diese Frage hat in diesem Zusammenhang nicht wirklich etwas zu suchen.

Meine Damen und Herren, das Ziel war und ist ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht, wie er dem Begriff entspricht, und der deshalb vollgültig und gleichberechtigt neben dem Religionsunterricht der anderen Bekenntnisse steht.

Das entspricht unserer Auffassung: dass die Gleichberechtigung der Religionen im Zentrum der Debatte steht – nicht aber pragmatische Fragen der Integrationspolitik.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir haben es von Anfang an betont: Hier geht es um die Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat und gleichzeitig – das ist die Kehrseite davon – um die weltanschauliche und religiöse Neutralität des Staates. Diese beiden Seiten gehören untrennbar zur selben Medaille.

Das entspricht auch der Haltung der Verbände, die am runden Tisch beteiligt waren. Sie sind auch dieser Auffassung. Deswegen haben sie auch die Anträge gestellt und sich diesem Verfahren unterzogen, das jetzt mit den beiden Gutachten vorangetrieben werden soll.

Deswegen glauben wir, dass dieser Weg, der in Hessen eingeschlagen worden ist, jetzt – wie gesagt, war er mit viel Stolpern und vielen Irritationen verbunden; dazu komme ich noch – konsequent und ohne Verzögerung zu Ende gegangen werden muss. Wir sind verhalten zuversichtlich,

dass die Gutachten den Weg dafür ebnen werden. Wir erwarten, dass, wenn das der Fall ist, dieser Weg dann politisch ohne Wenn und Aber umgesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da muss ich allerdings sagen: Dessen sind wir nach wie vor nicht vollständig sicher.

Meine Damen und Herren, jetzt in aller Kürze zum zweiten Punkt. Ja, es gibt Anlass, über das Verhalten des Ministers zu reden. Herr Minister, dieses Verhalten war irritierend und töricht, und es ist kontraproduktiv.

(Widerspruch des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ja, es ist so. – Sie haben – darauf habe ich hingewiesen – den holprigen Start mitzuverantworten. In der Vergangenheit haben Sie immer und immer wieder auch von „Islamkunde“ gesprochen, also von etwas, das dem Begriff nach etwas vollkommen anderes ist als der islamische Religionsunterricht. Damit haben Sie für Irritationen gesorgt – nicht nur hier im Haus, sondern auch bei den Teilnehmern am runden Tisch.

Mit Ihren Äußerungen zu Nordrhein-Westfalen haben Sie sich in der Tat in die Angelegenheiten anderer Bundesländer eingemischt. Interessanterweise haben Sie zu Niedersachsen nie etwas gesagt,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

obwohl es auch in Niedersachsen ein Beiratsmodell gibt und der niedersächsische Weg von dem der nordrheinwestfälischen Landesregierung nicht so weit entfernt ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Wenn es denn richtig wäre, dass dieser Weg verfassungsrechtlich bedenklich ist – wofür manches spricht –, dann würde das auch für Niedersachsen gelten. Dazu haben Sie nie etwas gesagt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, da liegt doch der Verdacht nahe, dass es nicht nur in der Sache liegende Gründe waren, die Sie zu diesen Äußerungen veranlasst haben, sondern dass es durchaus die Lage Ihrer Partei in Nordrhein-Westfalen gewesen sein mag. Ich würde jetzt gerne noch das eine oder andere zu dem sagen, was Sie hier dargestellt haben.

Tun Sie mir den Gefallen, und machen Sie es nicht.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wenn ich noch einen Satz sagen darf: Es kann doch in dieser Frage in Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht darum gehen, Vorrechte für irgendjemanden einzuräumen. Wir sind hier bei einer Notlösung, bei einer zweitrangigen Lösung, aber sicherlich nicht bei Vorrechten. Was das alles mit Scharia zu tun hat, das müssten Sie uns auch noch einmal erklären. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, um Missverständnissen vorzubeugen: Bei uns geht es nur um die Redezeit und nicht um Inhalte. – Herr Staatsminister Hahn hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich bin ich Frau Öztürk und den GRÜNEN dankbar dafür, dass sie heute diese Aktuelle Stunde beantragt haben – auch wenn ich sicherlich darauf hinweisen darf, dass jeder für die Wortwahl der Aktuellen Stunde und deren Folgen selbst verantwortlich ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin sehr dankbar, dass drei Fraktionen in diesem Haus – so habe ich den Wortbeitrag des Kollegen Merz interpretiert; wir haben uns auch in den letzten Monaten sehr oft über dieses Thema unterhalten – den Weg, den wir, die Hessische Landesregierung und insbesondere Frau Ministerin Henzler als zuständige Kultusministerin und ich als Integrationsminister, gehen, unterstützen und mitgehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie es mich ganz kurz auf den Punkt bringen, und dann gebe ich auch den Unterschied zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen noch einmal zu Protokoll.

Ganz bewusst haben die Väter und die Mütter unserer Verfassung eine Trennung von Staat und Religion vorgenommen. Wir sind kein laizistischer Staat. Die Bundesrepublik Deutschland und auch schon vorher die Weimarer Verfassung haben den Gedanken des säkularen Staates. Wenn man eine Trennung von Staat und Religion vornimmt, dann muss man sich darüber hinaus darüber unterhalten, wie man das in der Schule macht. Da gibt es eine klare und unumstößliche Vorgabe in Art. 7 Abs. 3 unseres Grundgesetzes.

Ich mache es einmal bildhaft: In der staatlichen Schule dürfen Religionsgemeinschaften bekenntnisorientierten Unterricht vornehmen. In der staatlichen Schule dürfen also Religionsgemeinschaften Werbung für ihren Glauben machen. Das ist, wenn Sie es jemand anderem im Ausland, schon allein in Frankreich, erklären, ganz schwer zu kommunizieren. Das ist auch das Missverständnis, das bei einigen vorhanden ist.

Das ist etwas ganz Besonderes: Trennung von Staat und Kirche und trotzdem Zusammenarbeit. Das ist nur möglich unter ganz besonderen Voraussetzungen. Herr Kollege Beuth hat es eben sehr trefflich formuliert, es gibt nicht ein bisschen Verfassung, und es gibt für die Hessische Landesregierung nicht erst einmal acht Jahre keine Verfassung. Für uns gibt es bei diesem Thema aus wohlüberlegten staatsrechtlichen, aber auch ganz allgemein politischen Gründen nur die Aussage: Die Verfassung wird 1 : 1 umgesetzt, weder light noch erschwert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)