Protokoll der Sitzung vom 08.05.2012

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

In einer Pressemitteilung vom 8. November 2011 heißt es dazu wörtlich:

Wir werden jetzt die Details gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausarbeiten und die Umsetzung der Reform in Ruhe vornehmen.

Jetzt frage ich Sie: Wo ist hier etwas gemeinsam erarbeitet worden? Und vor allen Dingen: Wo ist die Ruhe bei der Umsetzung?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn der Zeitdruck, der hier erzeugt wird, ist ganz erheblich. Bereits morgen sollen in einer Sondersitzung des Kulturpolitischen Ausschusses die weitere Anhörung und das Verfahren durchgepeitscht werden. Das Interesse, personalpolitische Fakten zu schaffen, ist offensichtlich größer als das Interesse daran, eine Reform vorzunehmen, die auch von den Mitarbeitern mitgetragen wird, Herr Greilich.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann dazu nur sagen: Wenn dieser Hauruck-Stil bereits ein Vorgeschmack auf die Amtsführung der designierten Kultusministerin ist, dann fehlt es in Hessen zukünftig nicht nur an der bildungspolitischen Perspektive – das kennen wir bereits –, sondern auch der scheinbare Frieden im Bildungsbereich geht ganz entschieden dem Ende zu.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP und der CDU)

Die bisherige Struktur der Bildungsverwaltung wird zerschlagen, ohne schlüssige Alternative. Heraus kommt ein Behördenmoloch, der viele Winkel für Stellenbesetzungen vor der nächsten Landtagswahl bietet – glänzend dotiert, aber nicht mehr als ein aufgeblähter Wasserkopf, der die Arbeit vor Ort mehr behindert als befördert.

Von den Staatlichen Schulämtern bleiben in der Tat die Standorte. Aber ihren pädagogischen Aufgaben bei der Schulentwicklung können sie nicht mehr nachkommen, wenn Ihre Strukturreform greift. Wie es zukünftig um die Eigenständigkeit der Schulämter bestellt ist, zeigt sich schon daran, dass alle 15 zukünftig unter dem Oberbegriff „Schulaufsichtsbehörde“ zusammengefasst werden. Es bleiben vor Ort Hüllen, und die Kompetenzen gehen in die Zentrale nach Wiesbaden. Diese Kompetenzen und die Verantwortung der Staatlichen Schulämter werden so beschnitten, dass sie keine Partner auf Augenhöhe mehr für die Schulträger vor Ort sind, Herr Greilich.

Sie werden letztlich zu Potemkinschen Dörfern – für alle sichtbar, aber hinter der Fassade leer. Sie zentralisieren dort, wo eine Stärkung der Verantwortung in der Region notwendig wäre; denn eine selbstständige Schule kann nur dann funktionieren, wenn ich vor Ort nicht nur Beratung oder Unterstützung habe, sondern wenn ich auch Entscheidungsstrukturen habe, die etwas steuern und die gemeinsam mit den Schulträgern dafür sorgen können, dass die Schulen diese Aufgaben auch zu erledigen in der Lage sind. Damit gefährden Sie mutwillig die Entwick

lung der selbstständigen Schule, die Sie angeblich so präferieren.

Auch die Zusammenarbeit mit den Schulträgern gerät durch Ihren Gesetzentwurf in Schieflage. Staatliche Schul aufsicht und kommunale Schulträger müssen auf Augenhöhe kooperieren können. Das bedeutet nicht weniger, sondern mehr Verantwortung in die jeweiligen Schulämter, in die kommunalen Schulämter des Schulträgerbezirks. Das bedeutet aber auch, eigenverantwortliche Entscheidungsstrukturen der Staatlichen Schulämter zu schaffen, die nicht immer nur nach Wiesbaden schauen müssen, bevor sie vor Ort, der Situation der jeweiligen Region angemessen, etwas entscheiden können.

(Beifall bei der FDP)

Notwendig ist deswegen eine verlässliche, operationalbare Basis für diese Zusammenarbeit und keine personell ausgeblutete Rumpfbehörde vor Ort. Wir wollen nicht nur Beratung und Unterstützung. Und wir wollen die lange versprochene Zusammenführung der Budgets von Schulträgern und Land. Wer soll denn das steuern hier von Wiesbaden aus? Der Versuch, Schule gemeinsam verbessern, hat gezeigt, dass dies gemeinsam mit den Staatlichen Schulämtern vor Ort möglich ist und dass man daran weiterarbeiten sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Wir wollen eine qualitative Entwicklung vor Ort, die in der Lage ist, regionale Schwerpunkte aufzugreifen und durch Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten des Landes mitzugestalten. Schon die Verlagerung der Lehrerstellenzuweisung in die Zentrale nach Wiesbaden hat dafür gesorgt, dass vor Ort sehr viel weniger Flexibilität ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zum Konzept der GRÜNEN sagen, weil es heißt: die Opposition. Wir sind nicht für eine Kommunalisierung der Schulaufsicht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

Wir sind für Partnerschaft auf Augenhöhe. Das heißt, die kommunale Schulverwaltung braucht den Partner Land vor Ort und braucht ihn in Augenhöhe und mit Entscheidungskompetenzen. Das ist unser Konzept und nicht das des Landkreistages, der im Übrigen ein tolles bildungspolitisches Papier geschrieben hat. Aber wir gehen an diesem Punkt nicht überein.

(Beifall bei der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir können auch nichts dafür!)

Man hätte darüber nachdenken können – das ist richtig –, ob die bisherige Struktur von Fortbildung und Qualitätsentwicklung effektiver gestaltet werden kann. Da sehe ich Ansatzpunkte. Die Überschneidung von Arbeitsbereichen des IQ und des AfL hat in der Vergangenheit oft zu Reibungsverlusten geführt und Effizienz vermissen lassen.

Frau Habermann, kommen Sie bitte zum Schluss.

Deshalb aber die gesamte Bildungsverwaltung zu zerschlagen und mit einem gespenstischen Wasserkopf zu versehen, ist keine Lösung. Ich bin davon überzeugt, dass in der Anhörung erhebliche fachliche Kritik laut werden wird. Wenn Sie der neuen Kultusministerin nicht den Start vermiesen wollen, sollten Sie diesen Gesetzentwurf zurückziehen und gemeinsam mit den Betroffenen darüber diskutieren, wie man es richtig macht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Frau Habermann. – Herr Wagner, Sie haben jetzt das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schulverwaltungsorganisationsstrukturreformgesetz oder in der Abkürzung SchVwOrgRG – das soll es jetzt also richten, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Heiterkeit des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Das Schulverwaltungsorganisationsstrukturreformgesetz soll jetzt in der hessischen Bildungsverwaltung alles einfacher machen.

(Zuruf von der FDP)

Allein der Name zeigt doch schon: Das glauben Sie doch selbst nicht, meine Damen und Herren von SchwarzGelb.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Schulverwaltungsorganisationsstrukturreformgesetz – –

(Zuruf von der CDU: Bitte wiederholen!)

Ich wiederhole noch einmal die Abkürzung oder auch den ganzen Titel für den Kollegen: Schulverwaltungsorganisationsstrukturreformgesetz oder kurz SchVwOrgRG.

(Gerhard Merz (SPD): Ich habe es nicht verstanden!)

Herr Kollege Greilich, jetzt wünschen wir uns nun wirklich nicht den früheren Regierungssprecher Dirk Metz zurück. Aber das wäre Herrn Metz nicht passiert, dass man ein Gesetz, das angeblich Verwaltungsvereinfachung bedeutet, so bürokratisch bezeichnet, dass wirklich der Letzte weiß, hier geht es nur um Bürokratie und nicht um Vereinfachung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Der komplizierte Name ist Programm. Sie können es nicht verbergen. Der Name spricht einfach Bände. Durch Ihr Gesetz wird in der hessischen Bildungsverwaltung nichts, aber auch gar nichts einfacher. Es wird alles komplizierter. Die Bürokratie wird nicht verschlankt, sondern es wird eine neue Bürokratie geschaffen. Und an der Spitze der Bürokratie stehen wieder hoch bezahlte Positionen in der B-6- und in der B-3-Besoldung.

Meine Damen und Herren, unsere Schulen brauchen viel. Mehr Bürokratie, neue teure Positionen in der Verwal

tung und zentrale Entscheidungsstrukturen – das brauchen unsere Schulen ganz gewiss nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf, den Schwarz-Gelb hier vorgelegt hat, löst kein einziges der vorhandenen Probleme in der Bildungsverwaltung. Er macht nichts für unsere Schulen einfacher – nichts, gar nichts. Es werden lediglich Türschilder ausgetauscht. Aber die eigentlich vorhandenen Probleme werden nicht gelöst.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Herr Kollege Rock, was soll denn jetzt besser werden, wenn das Institut für Qualitätsentwicklung nicht mehr Institut für Qualitätsentwicklung heißt, sondern Abteilung des Landesschulamtes? Herr Kollege Rock, was soll denn jetzt eigentlich besser werden, wenn das Amt für Lehrerbildung nicht mehr Amt für Lehrerbildung, sondern Abteilung des Landesschulamtes heißt? Was soll jetzt eigentlich besser werden, wenn 15 Staatliche Schulämter nicht mehr 15 Staatliche Schulämter heißen, sondern 15 Außenstellen des Landesschulamtes?

Sie geben überhaupt keine Antwort auf die strukturellen Probleme. Das Einzige, was Sie tun, ist, eine zentralistische Monsterbehörde mit astronomisch hoher Besoldung für die Leitung dieser Behörde zu schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das ist das Einzige, was Sie hiermit machen: nur ein neues Türschild für die bestehende Verwaltung.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))