Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu dieser Aktuellen Stunde vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 57 erledigt.
Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Neuregelung Länderfinanzausgleich: sorgfältig erarbeitetes Anreizmodell statt grüner Schnellschuss) – Drucks. 18/5628 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph, es gibt schon einen Anlass, weshalb wir uns heute zum Thema Länderfinanzausgleich unterhalten müssen. Ab und zu lese ich Pressemitteilungen der GRÜNEN. Hin und wieder erwecken sie auch meine Aufmerksamkeit, insbesondere dann, wenn sie tituliert werden: „Grüne Landtagsfraktionen legen Konzept für eine Reform des Länderfinanzausgleichs vor“.
Das für sich genommen ist sicherlich keine sensationelle Meldung. Was sich aus dieser Meldung aber alles ergeben hat, hat dann schon die besondere Aufmerksamkeit der FDP-Fraktion erweckt.
Da ist zu lesen, dass sich Vertreter der GRÜNEN aus Nordrhein-Westfalen, aus Sachsen, aus Bayern, aus Hessen – wohl die Kollegin Erfurth – und aus Baden-Württemberg getroffen haben, um über das Thema Länderfinanzausgleich zu philosophieren und auch einen Vorschlag vorzulegen, der ein sensationelles Echo erfährt. Insbesondere ist da zu lesen, was die Kollegin Erfurth verkündet hat: Die Diskussionen, die die GRÜNEN geführt haben, basieren auf einem Gutachten, das von den Landtagsfraktionen der GRÜNEN in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen in Auftrag gegeben wurde. Frau Erfurth jubelt: „Mit unserem Konzept schaffen wir mehr Steuergerechtigkeit und sorgen für mehr Geld in den Kassen.“
Wenn man das liest, wirkt das natürlich verführerisch. Hessen bekäme in der Tat mehr Geld. Sie haben aber die Rechnung ohne Nordrhein-Westfalen gemacht. Dieses Land bekäme nämlich 1 Milliarde € weniger. Ich würde mich wundern, wenn das auf große Zustimmung bei Ihren Kollegen von den GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen stieße.
Diese Meldung weckt natürlich deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil die GRÜNEN im nordrhein-westfälischen Wahlkampf derzeit mit ihrer eigenen Schuldenpolitik zu kämpfen und deshalb zu erklären haben, dass sie die Schuldenbremse künftig artig und gerecht einhalten wollen. Meine Damen und Herren von den hessischen GRÜNEN, herzliche Glückwünsche an Ihre Kollegen im nord rhein-westfälischen Landtag, wenn sie das mit einer zusätzlichen Belastung von 1 Milliarde € schaffen.
Dass das ein eigentlich gut gemachtes Konzept ist, sieht man daran, dass alle neuen Bundesländer und auch wir Hessen mehr Geld bekommen. Baden-Württemberg bekommt aber etwa 0,75 Milliarden € weniger. Interessant ist, was der grüne Ministerpräsident dazu hat verlauten lassen, obwohl die dortigen GRÜNEN doch angeblich Träger des Konzeptes sind. In „Welt online“ war zu lesen:
Einen von mehreren GRÜNEN-Fraktionen vorgelegten Reformvorschlag hatte Kretschmann abgelehnt. Es könne nicht sein, dass Baden-Württemberg bei dem neuen System noch mehr einbringe als bisher, sagte Kretschmann...
Ist Baden-Württemberg nun beteiligt oder nicht? Die Chefin der grünen Landtagsfraktion in Stuttgart setzt natürlich noch einen drauf, denn sie sagte dazu:
Die grüne Landtagsfraktion wird keinem Finanzausgleich zustimmen, der Baden-Württemberg schlechter behandelt.
Diese Meldungen riefen den Fraktionsvorsitzenden der hessischen GRÜNEN auf den Plan. Herr Al-Wazir dokumentiert zunächst einmal die eigentlichen Kommunikationsflüsse zwischen den grünen Fraktionen:
Diese Zahlen sind deshalb weder aktuell noch in irgendeiner Form eine beschlossene Forderung der GRÜNEN.
Damit haben Sie Ihr eigenes Konzept ad absurdum geführt. Herr Al-Wazir, fordern Sie hier doch kein Konzept ein, wenn Sie selbst behaupten, eines zu haben, und das am nächsten Tag wieder zurücknehmen. Wo ist denn Ihr Konzept?
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat ein Gutachten auf den Weg gebracht, in dem ressourcenorientierte Systeme für die Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs dargestellt werden sollen. Sobald dieses Konzept vorliegt, werden wir es der Öffentlichkeit vorstellen.
Sie wissen, dass es ein Gutachten gibt, das die Fehler des geltenden Länderfinanzausgleichs aufzeigt. Wir haben schon an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass wir unser Konzept sorgfältig erarbeiten werden, statt der Öffentlichkeit einen solchen Wirrwarr vorzustellen, wie Sie das gemacht haben. Wir brauchen gute, durchdachte Konzepte, keine Schnellschüsse.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Kollege Noll. – Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe verstanden, dass der Kollege Noll unser
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Zur Sache. Der Länderfinanzausgleich ist dringend reformbedürftig. Er setzt falsche, teilweise absurde Anreize. Wenn die Geberländer, z. B. durch Steuerprüfungen, mehr Geld in der Kasse haben, verbleibt ihnen am Ende manchmal sogar weniger Geld, weil ihnen noch mehr abgezogen wird. Bei den Nehmerländern kann das Gleiche passieren. Wenn sie ihre Einnahmen erhöhen, heißt das nicht, dass sie mehr Geld in der Tasche haben, sondern es kann ihnen von den Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich abgezogen werden. Das kann so nicht bleiben. Ich wundere mich, liebe Kolleginnen und Kollegen – nein: liebe Kollegen – von der FDP-Fraktion, dass Sie ein so leistungsfeindliches System offensichtlich beibehalten wollen.
Die Landtagsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in den letzten zwei Jahren einen Diskussionsprozess geführt, wie ein neuer Länderfinanzausgleich aussehen kann, der leistungsgerecht, transparent und solidarisch ist. Das sind die drei Parameter, die wir brauchen. Warum das nötig ist, zeige ich Ihnen anhand einer der Eingangsgrößen: der Ermittlung der Ausgleichszuweisungen im bisherigen Länderfinanzausgleich. So sieht die aus.
Der Kollege Rentsch ist Jurist. Deshalb kann er mit Zahlen nicht so gut umgehen. Ich kann Ihnen aber sagen, auch ich als Politikwissenschaftler habe diese Darstellung nicht verstanden.
Es gibt angeblich fünf Personen in der Bundesrepublik, die den bisherigen Länderfinanzausgleich erklären können. Wir sollten uns also einig sein: So, wie es bisher ist, kann es nicht bleiben.
Unsere Idee ist deshalb die Abschaffung des horizontalen Länderfinanzausgleichs. Stattdessen sollen bedürftige Länder mehr Geld aus der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern bekommen, und zwar verteilt nach nachvollziehbaren Bedarfskriterien: Finanzkraft, Arbeitslosigkeit, demografische Entwicklung, Bevölkerungsdichte. Das Wichtige ist, dass die Mehreinnahmen, die ein Land erzielt – egal, wie viel Geld es aus dem neuen Länderfinanzausgleich bekommt –, im Wesentlichen in der Landeskasse verbleiben. Das heißt, jede zusätzliche Anstrengung wird künftig bei dem jeweiligen Land sichtbar, ob bisheriges Geber- oder Nehmerland. Ich frage mich, was Sie dagegen haben.
Wir haben eine Modellrechnung in Auftrag gegeben; denn wenn man ein Prinzip ermittelt hat, muss man in einem zweiten Schritt natürlich überlegen, was das für Auswirkungen hat. Die Modellrechnung ist auf der Basis der Zahlen des Jahres 2009 erfolgt. Diese sind, weil wir im Jahr 2012 leben, logischerweise nicht aktuell. Natürlich
gibt es, wenn man ein solches System verändert, Gewinner und Verlierer. Deshalb macht man ja eine Modellrechnung, um zu sehen, an welchen Parametern man im Zweifelsfall noch etwas ändern muss.
Seien Sie sicher, wir werden das so hinbekommen, dass am Ende alle grünen Landtagsfraktionen mitmachen können. Das Schöne ist: Wir haben 16 Fraktionen, Sie schon lange nicht mehr.