Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Bezeichnend für den Konfusionskurs bei der Union sind die widersprüchlichen Äußerungen zum Thema Steuersenkung. Damit komme ich zum Thema Finanzen.

Selten hat sich der Spruch „Ist der Ruf erst ruiniert, lebts sich völlig ungeniert“ so bewahrheitet wie bei diesem Etatentwurf für 2009. Sie verantworten ein Rekorddefizit von 2,5 Milliarden c. Damit wird Hessen nach 2008 auch im Jahr 2009 das höchste Defizit aller Bundesländer ausweisen.

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Nach neuesten Zahlen aus der Steuerschätzung werden diese Zahlen noch deutlich ansteigen – auf deutlich über 3 Milliarden c allein im Jahr 2009.

Diese Regierung versteckt sich hinter der Krise. Sie baut darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger sowie die Medien nicht unterscheiden, was an dieser Rekordverschuldung von der Krise verursacht ist oder ihrer Bekämpfung dient, und was hausgemacht ist.

Damit das klar ist, insbesondere an Sie, Herr Weimar:Wir akzeptieren ausdrücklich die Mehrbelastungen aus dieser konjunkturellen Krise. Die ziehen wir eindeutig vor die Klammer. Denn das ist ein Problem, das derzeit alle haben.

Aber wir können nicht ignorieren, dass Sie im Kern ein strukturelles Defizit zehn Jahre lang vor sich hergeschoben haben und nicht ernsthaft – außer auf dem Rücken von Beschäftigten und Sozialprojekten – versucht haben, den Haushalt zu konsolidieren.

(Beifall bei der SPD)

Seit Jahren schleppen Sie ein riesiges strukturelles Defizit mit sich herum.Von Zeit zu Zeit haben Sie das durch den Verkauf von Tafelsilber kaschiert und es damit nur noch schlimmer gemacht – weil Sie das damalige Stopfen der

Haushaltslöcher heute mit hohen Mieten für die weiterhin benötigten Landesimmobilien bezahlen müssen.

Wir akzeptieren ausdrücklich, dass beispielsweise die überdurchschnittliche Steigerung bei den Sachausgaben von etwa 6 % natürlich auch damit zusammenhängt, dass die Mietbelastungen deutlich gestiegen sind. Aber genau das ist der Punkt, auf den ich hinweise: Mit Ihren Maßnahmen von gestern und vorgestern haben Sie die Krise von morgen und übermorgen nur verschärft.

(Beifall bei der SPD)

Dieses strukturelle Defizit hat nichts mit der Krise zu tun, sondern ist das Ergebnis einer zehnjährigen Verantwortungslosigkeit. Herr Koch, Sie sitzen auf dem Thron des Schuldenkönigs.

Jetzt ist auch klar, warum Sie im vergangenen Jahr als geschäftsführende Landesregierung keinen Haushalt vorgelegt haben: Damals gab es noch nicht die Krisendebatte, hinter der Sie sich hätten verstecken können, und Ihr Haushaltsdesaster wäre offenkundig gewesen.

Also noch einmal: Die Millionen aus den Krisenschulden, für die Sie keine Verantwortung tragen, ziehen wir vor die Klammer.Aber bei Ihnen bleibt ganz definitiv die Verantwortung für zehn Jahre strukturelles Defizit, für Schuldenmachen und damit für eine verantwortungslose Politik für die zukünftige Generation.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Weimar, da hilft es auch nicht, wenn Sie jetzt überall erklären, Sie haben die keynesianische Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik erkannt und wollen sie jetzt umsetzen. Genau das haben Sie in den vergangenen zehn Jahren nicht getan. Daher ist es wenig glaubwürdig, wenn Sie in den Tagen der Krise neue Konstrukte entwickeln wollen, vorher aber das genaue Gegenteil getan haben.

(Widerspruch des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dazu kommt nahtlos, dass Sie für Ihre verantwortungslose Politik – Herr Bellino, wir erinnern uns an Bad Homburg;vielleicht denken Sie einmal darüber nach – jetzt mit einem tiefen Griff in den Kommunalen Finanzausgleich 400 Millionen c – –

(Zurufe des Abg. Holger Bellino (CDU), des Ministerpräsidenten Roland Koch und des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Sie haben nicht ganz unrecht, ich gestehe das freimütig: Bad Homburg ist derzeit nicht unsere Hochburg. Wir arbeiten aber daran.

(Heiterkeit – Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ab dem Jahr 2011 wollen Sie der kommunalen Familie 400 Millionen c entziehen. Wir sagen Ihnen: Das ist ein Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall bei der SPD)

Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts haben Sie wohlweislich aufgegeben und in die nächste Legislaturperiode verschoben. Auf der anderen Seite propagieren Sie – der Hessenmeister im Verfassungsbruch – eine neue Schuldenregel in der Hessischen Verfassung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ist der Begriff der Doppelzüngigkeit schon sehr zurückhaltend.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Na, na!)

Herr Arnold, wir wären ja froh, wenn die Verfassungslage in den letzten Jahren konsequent eingehalten worden wäre,

(Dr.Walter Arnold (CDU):Was heißt das denn?)

statt jetzt zu erklären: „Wir wollen eine neue Schuldenbremse einführen“,

(Dr.Walter Arnold (CDU): Ja!)

die auch verfassungsrechtlich im Moment wegen der Frage nicht ganz unumstritten ist, ob es zulässig sei, dass heute politische Mehrheiten, politische Verantwortungsträger Entscheidungen mit langwierigsten Übergangsregelungen dazu treffen, dass die übernächste Politikgeneration die Verantwortung dafür zu übernehmen hat, was heute angerichtet wird.

Wenn Sie das mit der Schuldenbremse wirklich ernst meinen, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie sie unverzüglich umsetzen und nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt übrigens für die steuerpolitischen Vorstellungen der Union. Ein kluger Mensch hat dazu gesagt: „Es ist unseriös, gleichzeitig radikale Steuersenkungen und die Abkehr von der Nettoneuverschuldung des Staats zu fordern.“ Dieser kluge Mensch heißt Gerald Weiß und sitzt für die hessische Union im Deutschen Bundestag – sozusagen ein Klassenprimus in der Union.

Ich sage Ihnen: Es passt nicht zusammen, was Sie uns hier an Ideologie seit Wochen und Monaten auf den Tisch legen: auf der einen Seite die Mär von den großen Steuersenkungen für breite Teile – vor allem für die oberen Teile – und auf der anderen Seite das Versprechen, die Haushalte zu konsolidieren. Das passt nicht zusammen. Um das zu verstehen, reichen die Grundrechenarten. Das erinnert mich sehr fatal an bestimmte Ideen auch aus der PDL, und deswegen sage ich, Sie machen Ihren Spitznamen, inzwischen „Roland van Ooyen“ nach „Angela Kirchhof“, wirklich alle Ehre.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich bin zuversichtlich, dass Sie zumindest den Versuch machen werden, heute und in der dritten Lesung zu erklären, wie Sie das eigentlich alles zusammenbringen wollen.Aber so, wie Sie die Schuldenbremse bisher diskutieren, ist das die Abteilung: nach mir die Sintflut. Ich bin mir bewusst, was dann auf mich zukommt.

Wir wollen das Szenario Zukunft:kluge Investitionen und Weichenstellungen des verantwortlichen Staates, Schulden zurückfahren,wenn die Konjunktur wieder anspringt, Gerechtigkeit herstellen und die Einnahmenseite stärken. Die SPD steht in diesem Haus und überall zu dem Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache.

Damit komme ich zur fünften Feststellung dieser Generaldebatte: Die aufgeregte Art und Weise, wie Union und FDP meine diesbezüglichen Äußerungen in der „FAZ“ kritisiert haben, zeigt, dass beide tief im Herzen weiterhin die Parteien der Besserverdienenden und Höchstverdienenden sind und dies auch weiterhin sein wollen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin froh,dass Sie das so deutlich bekunden,hilft es uns doch in den anstehenden Wahlkämpfen, die Unterschiede

deutlich zu machen. Damit wir vielleicht auch einmal ein bisschen über die Fakten reden, habe ich mir für heute im Kern nur zwei Zahlenkorridore aufgehoben. Ich habe Sie beim letzten Mal sehr mit Zahlen traktiert. Das war Ihnen zu viel. Das habe ich anschließend von allen gehört, insbesondere Herr Metz hat sich heftig bemüht, überall zu erzählen, dass es zu zahlenlastig war.

Wenn die Reichensteuer, wie sie im Moment in der SPD diskutiert wird, kommen würde, würde das einen Aufschlag von 3 Prozentpunkten auf die 42 % bedeuten, die wir im Moment in der Tabelle als Spitzensteuersatz haben. Bei den Freibeträgen, die wir diskutieren, reden wir – bei den 10.000 Einkommensmillionären, die durchschnittlich 2,7 Millionen c pro Jahr verdienen und etwa 1 Million c Steuern bezahlen – von einem Gesamtaufkommen von 10 Milliarden c jährlich.Wenn Sie das jetzt allerdings wieder rückrechnen, werden Sie feststellen, und das bestätigen uns auch Studien,dass damit der reale Steuersatz bei 36 % liegt. Das hat etwas mit den Möglichkeiten des deutschen Steuerrechts zu tun.

Die Bürgerinnen und Bürger draußen merken doch, dass wir da eine Gerechtigkeitslücke haben. Genau um diese geht es.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Neiddebatte!)

Herr Arnold, das hat mit einer „Neiddebatte“ nichts zu tun.Dazu komme ich gleich,denn Neid ist etwas völlig anderes. – Ich sage Ihnen zweitens: Es werden in der Bundesrepublik Deutschland jährlich 200 Milliarden c vererbt. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer beträgt etwa 4 Milliarden c jährlich.Deswegen sagen wir:Wir stehen dazu und bleiben dabei,dass die Erbschaftsteuer auch weiterhin bei sehr großzügigen Freibeträgen ein Instrument der gerechten Besteuerung von Vermögen in diesem Land ist und bleibt. Deswegen sind Ihre Vorstellungen abenteuerlich.

(Beifall bei der SPD)

Spätestens seit heute ist es in Bezug auf Steuern und Abgaben – für diejenigen, die einfache Texte brauchen; es gibt dafür ja ein Medium, das für die einfachen Texte zuständig ist – amtlich: Kleinverdiener werden am meisten abkassiert. Genau darum geht es.