Protokoll der Sitzung vom 27.06.2012

Darüber hinaus ist es längst wissenschaftlich erwiesen: Ein früher Krippenbesuch tut der Entwicklung der Kinder gut und ist nicht – wie wir früher geglaubt haben – schädlich und dergleichen mehr. Aber je besser die Einrichtung, desto besser ist es natürlich auch für die Kinder. Das heißt, je besser die Qualitätsstandards in den Einrichtungen, desto besser ist auch die Betreuung der Kinder. Das muss doch die Zielrichtung sein: dass wir eine gute Betreuung haben, dass die Einrichtungen auch baulich gut sind, dass die Räume für die Kinder Schallschutz haben. Wir wissen, es tut den Kindern gut und fördert das Lernen, wenn die Geräuschkulisse geringer ist. Die Gruppen müssen klein sein, damit sich die Kinder wohlfühlen, und es muss genügend viele Erzieherinnen und Erzieher geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst der Nationale Bildungsbericht von Bund und Ländern kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder, die vor ihrer Einschulung mindestens drei Jahre eine Kita besucht haben, am Ende des vierten Schuljahres beim Text- und Leseverständnis anderen Kindern um ein Jahr voraus sind. Aber dieser Bericht sagt auch, wesentliche Profiteure des frühen Kitabesuchs sind auch Kinder von solchen Eltern, die sich ganz besonders um die Erziehung und die Bildung ihrer Kinder bemühen. Denn das, was die Kinder in der Kita erleben, ist ein Plus zu dem, was sie zu Hause erleben.

Bei bildungsfernen Kindern ist es so, dass das, was zu Hause nicht geleistet werden kann, zu einem großen Stück von der Kita aufgefangen werden kann.

Somit kommen wir dazu, dass eigentlich alle Kinder in einem hohen Maße davon profitieren.

Frau Schott, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ich komme gerne zum Schluss. – Wir sind der Meinung, statt jährlich 1 Milliarde € für Betreuung zu Haus auszugeben, sollte das Geld besser in die öffentliche Kinderbetreuung gesteckt werden. Das würde helfen, zunächst den Bedarf zu decken; später würde das Geld für mehr Qualität und bessere Bezahlung zur Verfügung stehen, und vielleicht kämen wir am Ende sogar zu einer gebührenfreien Kinderbetreuung. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schott. – Ich darf Frau Wiesmann für die CDU-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit Herrn Merz an; denn bei Frau Schott kam gerade so viel durcheinander, dass man in diese Rede überhaupt keinen geordneten Einstieg finden kann.

Wenn es eine Rede des geschätzten Herrn Merz geben sollte, deren Tenor und angestrebte Wirkung ich hätte voraussagen wollen, so wäre es vielleicht diese gewesen:

(Gerhard Merz (SPD): Frau Kollegin, das liegt an der Sache!)

Die Landesregierung hat sich in Sachen Mindestverordnung eine Konnexitätsbelehrung abgeholt.

(Gerhard Merz (SPD): Vulgo: eine Klatsche! – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Der U-3-Ausbau schleppt sich. Die Qualität leidet. Geld ist knapp. Das ganze System ist unterfinanziert, untergerecht, einfach suboptimal.

(Gerhard Merz (SPD): Ja, das ist noch vorsichtig ausgedrückt!)

Das letzte Mal haben Sie sich auch noch dazu hinreißen lassen, in diesem Zusammenhang die Mottenkiste verstaubter Idiologiedebatten wieder aufzusperren und den bürgerlichen Parteien – natürlich zuvörderst der CDU –

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Frau Kollegin, „kleinbürgerlich“, nicht „bürgerlich“!)

ein antiquiertes Familienbild anzuhängen. Denn vermeintlich erklärt das am einfachsten, warum diese Regierung für moderne Ansprüche an Vereinbarkeit und frühkindliche Bildung einfach nichts übrig habe. – So weit die Summe aus Ihren beiden letzten Reden an dieser Stelle.

(Gerhard Merz (SPD): Das war zu zwei Dritteln richtig!)

Es scheint, das grüne Krokodil – ich habe das Taschentuch schon parat – hat Gesellschaft bekommen: Ein rotes Trampeltier macht alles nieder, mit viel Gepolter, nicht ganz so viel Hirn und ziemlich fern der Realität.

(Beifall des Abg. Holger Bellino (CDU))

Für die Regierungsfraktion der CDU und sicher auch für die FDP möchte ich ganz woanders beginnen. Familienpolitik ist ein Herzensanliegen dieser Landesregierung, und das zeigt sich auch in ihrem Tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir machen Familien- und Bildungspolitik für alle Kinder in Hessen. Jedes ist uns wichtig, keines soll zurückgelassen werden.

Deshalb ist uns nicht nur die Versorgung mit Betreuungsplätzen, übrigens für Kinder jedes Alters, wichtig, sondern auch die Qualität der Betreuung ist uns eminent wichtig.

Deshalb arbeitet diese Landesregierung mit Hochdruck daran, gemeinsam mit Kommunen, öffentlichen und freien Trägern, nicht nur den Rechtsanspruch bis zum kommenden August einzulösen, sondern auch die Vorgaben der Mindestverordnung an zahlenmäßig ausreichendes und genügend qualifiziertes Personal zu erfüllen. Das ist eine enorme Kraftanstrengung, aber die Zukunft unserer Kinder – da sind wir uns vielleicht wieder einig – ist es uns wert.

Am 6. Juni hat der Staatsgerichtshof die Grundrechtsklage der Kommunen als nicht begründet zurückgewiesen. Das muss man auch einmal sagen. Allerdings hat er eine zeitnahe Ausgleichsregelung eingefordert. Die Mindestverordnung ist verfassungsgemäß, aber die Mehrbelastungen müssen im Sinne der Konnexität ausgeglichen werden.

Im Nachgang zu diesem Urteil wird nun eine detaillierte Auswertung der Begründung erfolgen, und in enger Abstimmung mit den Kommunen wird eine Lösung erarbeitet werden. Das geplante KiföG, ein weiteres Schwerpunktvorhaben von CDU und FDP in dieser Legislaturperiode – es steht im Koalitionsvertrag –, bietet dafür den geeigneten Rahmen.

Darüber hinaus sehen und begrüßen wir die Entschlossenheit der Landesregierung, wieder im Schulterschluss mit den kommunalen Partnern, den U-3-Rechtsanspruch zum kommenden August tatsächlich zu erfüllen. Dies war von Anfang an und bleibt immer noch eine große Herausforderung, an der zu Recht alle politischen Ebenen zusammenwirken, bis hin zur Bundesebene.

An dieser Stelle möchte ich aber den Blick etwas drehen. Wie steht es denn heute um die Kinderbetreuung in Hessen, in Quantität und Qualität? Dazu müssen Sie mir zwei Feststellungen gestatten.

Schon heute hat Hessen das beste Betreuungsangebot, das es je hatte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die U-3-Versorgungsquote liegt aktuell, Mai 2012, bei über 30 %. Da die unter Einjährigen die außerfamiliäre Kinderbetreuung selten nutzen, bedeutet dies, dass mehr als 45 % der Ein- und Zweijährigen in Hessen bereits einen Betreuungsplatz erhalten können.

Geschenkt sind die Zahlen von 1999, die kennen Sie alle.

Spannend ist der Vergleich mit den Zahlen vom August 2010: Damals waren es knapp 21 %. Dies ist ein rasanter Fortschritt in nur zwei Jahren, ermöglicht unter anderem durch die Vereineinhalbfachung der Ausbildungsplätze im Erzieherbereich.

Wir haben alle Chancen, die zunächst angepeilten 35 % Mitte des Jahres 2013 zu erreichen. Die Landesregierung

geht aber inzwischen noch darüber hinaus und strebt einen Versorgungsgrad von 38 % an, um dem tatsächlichen Bedarf, der möglicherweise etwas höher als 35 % ist, Rechnung zu tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Das Deutsche Jugendinstitut kommt seit drei Jahren kontinuierlich zu dem Ergebnis, dass die Nachfrage im Schnitt 39 % ausmachen könnte. Die Landesregierung ist sehr gut in diese Richtung unterwegs. Deshalb sind wir optimistisch, dass wir diesen Rechtsanspruch – –

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viel denn nun: 35 % oder 39 %?)

Nein, ich habe gesagt: 38 % werden angestrebt. Wenn Sie aufmerksam zugehört haben, was unser Landesvorsitzender auf dem Parteitag gesagt hat, wissen Sie: Diese 38 % sind ein Riesenschritt und werden den Bedarf im nächsten Jahr decken.

Zweitens. Der Bildungs- und Erziehungsplan von null bis zehn gibt der hessischen Kinderbetreuung einen vorbildlichen Qualitätsrahmen. Darüber haben wir in der Hauptsache nicht wirklich gestritten. Wichtig ist: Die Mindestverordnung untermauert diesen Qualitätsanspruch. Denn mit dem verbesserten Fachkraftschlüssel wird genau das möglich: mehr individuelle Aufmerksamkeit für die Kinder, regelmäßige Elternarbeit, intensivere Förderung – in einem Wort: frühkindliche Bildung. Die Mindestverordnung leistet aber noch mehr. Sie ist der Hebel, um in der Kinderbetreuung einen einheitlich hohen Standard in ganz Hessen durchzusetzen. Das ist eine Errungenschaft. Kein Kind in einer hessischen Betreuungseinrichtung wird ab dem Jahr 2013 unterhalb dieses Standards betreut werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie fordern Priorität für dieses Ziel einer bedarfsgerechten und hochwertigen Kinderbetreuung ein. Schöne Grüße aus Takatukaland – diese Priorität gibt es längst. Sie ist mit Händen zu greifen. 330 Millionen € für die Kinderbetreuung, Plätze und Qualität, in Hessen allein im Jahr 2012; im Jahr 2005 waren das noch 84 Millionen €. Mit dem geplanten KiföG wird diese Förderung auf eine neue, stringentere Basis gestellt und insbesondere auch die Qualitätsorientierung in der Kinderbetreuung verankert werden.

(Gerhard Merz (SPD): Wo ist das Geld?)

Dass Sie in diesem Zusammenhang hier von „Wortbruch“, von „Verfassungsbruch“ sprechen, ist gar nicht zulässig, das ist wirklich an der Grenze.

(Gerhard Merz (SPD): Das war ein anderer Zusammenhang!)

Die Landesregierung verteilt hier nicht eigene Pfründe. Sie wirtschaftet mit knappem Geld in Zeiten einer Schuldenkrise, die vor allem für künftige Generationen eine Ungerechtigkeit und vielleicht sogar eine Bedrohung darstellt. Wir stehen zum Konnexitätsprinzip

(Lachen des Abg. Gerhard Merz (SPD))

ja, das sage ich jetzt für unsere Fraktion –, und wir stehen für eine faire Finanzierung von Zukunftsaufgaben in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. René Rock (FDP))