Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Der Setzpunkt bringt absolut nichts Neues. Er geht für mich ins Leere. Er fordert etwas, was wir schon in der Umsetzung haben. Ich habe eher das Gefühl, dass man hier auf einen bereits fahrenden Zug aufspringen und ein bisschen politisches Kalkül daraus ziehen will. Mehr ist das für mich nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist zwar menschlich verständlich, aber höchst unglaubwürdig. Das wird eigentlich auf dem Rücken unserer muslimischen Schülerinnen und Schüler ausgetragen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

CDU und FDP haben festgelegt, legitime Ansprechpartner für die Erteilung des Religionsunterrichts in deutscher Sprache zu suchen. Das kann nur verfassungskonform erfolgen. Da gibt es für uns keinen anderen Weg.

Wir übernehmen in Hessen eine Vorreiterrolle. Andere Bundesländer schauen genau hin, wie wir dieses Thema umsetzen. Damit unterscheiden wir uns deutlich von Nordrhein-Westfalen, die mit dem Beiratsmodell einen Weg gehen, der nach unserer Rechtsauffassung nicht grundgesetzkonform ist und auch von Verfassungsrechtlern und Fachleuten stark kritisiert wird.

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit Niedersachsen?)

Denn die klare Trennung von staatlichen Organisationen und Religionsgemeinschaften wird bei dem Beiratsmodell nicht beachtet. Wir wollen einen islamischen Unterricht auf der Basis des Grundgesetzes.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir sind in Hessen. Das ist keine Privilegierung der anderen Religionsgemeinschaften. Denn sie haben im Grunde genommen die gleichen Voraussetzungen zu erfüllen wie jede andere Religionsgemeinschaft. Es gibt eine ganze Menge kleinerer Religionsgemeinschaften, die in Hessen Religionsunterricht neben den großen christlichen Kirchen machen dürfen. Wenn die verfassungsrechtlichen Bedingungen geklärt sind, dann hat man auch einen Anspruch auf Religionsunterricht in den Schulen. Wenn die beiden Organisationen dies erfüllen, dann können wir uns im Grunde genommen nicht dagegen entscheiden, sondern das hat ganz klare, rechtlich fundierte Grundlagen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte auch über die Zeitschiene ein bisschen ordnen. Wir können weit in die Vergangenheit zurückgehen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag im Jahr 2009 ganz klar entschieden, auf welchem Weg wir gehen wollen. Das Ende des Weges wird mit Ende der Legislaturperiode tatsächlich erreicht werden.

Wir haben den Runden Tisch eingerichtet und muslimische Gruppen, Islamexperten und Fachleute eingeladen. Es war sicherlich ein schwerer Weg. Es ist auch ein weiter Weg. Der Weg hat viele Stolpersteine. Ich denke, die entsprechenden Organisationen mussten sich an viele Dinge gewöhnen, die sie am Anfang nicht bereit waren zuzugestehen. Das war auch viel Überzeugungsarbeit.

Wir gehen ganz klar und eindeutig nach dem Zehnpunktepapier vor, das den Weg aufgezeigt hat, wie man das umsetzt. Wir begrüßen natürlich, dass DITIB und Ahmadiyya sehr aussichtsreiche Partner sind und dass wir diese beiden Partner gefunden haben. Die vorliegenden islamwissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Gutachten zeigen, dass wir da richtig liegen. Allerdings müssen die letzten Prüfungen vorgenommen und noch offene Fragen geklärt werden. Das ist selbstverständlich.

Da geht es z. B. um die Frage der Lehrbefähigung. Es geht auch um die Akzeptanz der Lehrkräfte durch diese beiden Organisationen. Das ist auch nicht so selbstverständlich. Es gibt da auf beiden Seiten durchaus Vorbehalte. Die müssen erst einmal überwunden werden.

Wir haben auch schon einen Weg aufgezeigt. Die JustusLiebig-Universität in Gießen hat bereits seit dem Wintersemester 2011/2012 einen Studiengang Lehramt an Grundschulen für das Unterrichtsfach islamische Religion. Wenn wir so etwas einrichten, dann haben wir das klare Ziel, das umzusetzen. Wir schaffen nach und nach und Punkt für Punkt die Voraussetzungen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aber es müssen auch alle Voraussetzungen erfüllt werden. Wir können nicht irgendwo auf halbem Weg abbiegen und sagen: Wir machen eine halbe Sache. Wir machen nur ganze Sachen – so, wie das die Verfassung vorgibt.

Die pädagogische Eignung ist sehr wichtig. Wir haben Religion als Pflichtfach. Die Schulaufsicht ist wichtig. Was im Fach Religion gelehrt wird, muss auch unter der Schulaufsicht stehen. Das muss geklärt werden.

Dann gibt es das Thema Mitglieder. Die großen christlichen Kirchen haben Mitgliederlisten. Bei den islamischen Gemeinden ist das eben nicht so eindeutig und klar herauszulesen. Auch da muss klar zugeordnet werden, wer in den islamischen Religionsunterricht geht und wer nicht. Die Eltern müssen das entscheiden.

All diese Dinge müssen noch geklärt werden. Hier gibt es aber keine Verzögerungen, sondern diese Probleme sind aufgetaucht und müssen geklärt werden.

Das Kerncurriculum ist von den beiden Organisationen noch nicht unterschrieben worden. Das muss man auch sagen. Es gibt zwar in dieser Richtung eine mündliche Zusage, aber das ist noch nicht ratifiziert, wie man so schön sagt.

Also auch hier sehe ich nicht Verzögerungen auf unserer Seite, wie das die GRÜNEN tun, sondern es gibt durchaus Dinge, die auf der anderen Seite noch geklärt werden müssen, und das kostet einfach Zeit.

Am Schluss will ich Folgendes betonen. Wir wollen einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Hessen nachhaltig und dauerhaft einführen. Das setzt voraus, dass wir dabei behutsam und vorsichtig vorgehen. Herr Schork hat es schon angesprochen: Sorgfalt geht hier vor Schnelligkeit. Das ist unsere Grundhaltung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Große Anerkennung und Respekt habe ich vor den beiden Verbänden. Auch für sie war das kein leichter Weg. In den letzten Jahren wurden sehr viele Hürden überwunden. Das muss man sich vor Augen führen. Zeitdruck ist hier

ein schlechter Ratgeber, denn mit einem schlechten Ergebnis können wir am Ende nicht zufrieden sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auf eines aber können Sie sich verlassen: Eine rot-grüne Mogelpackung wie in Nordrhein-Westfalen wird es mit uns in Hessen nicht geben. Wir werden islamischen Religionsunterricht anbieten, ohne zu tricksen und zu täuschen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie können sicher sein, wir werden den islamischen Religionsunterricht auf den Weg bringen, und zwar verfassungskonform. Wir freuen uns darauf, dass ab dem Schuljahr 2013/14 muslimische Schüler und Schülerinnen an 25 Grundschulen am islamischen Religionsunterricht teilnehmen werden. An 25 anderen Schulen wird das Fach Ethik mit dem Schwerpunkt Islam eingeführt. Nach und nach wird das Angebot ausgeweitet werden.

Ausdrücklich möchte ich mich hier nochmals bei allen Beteiligten des Runden Tisches bedanken. Sie haben Hervorragendes geleistet. Das muss man einmal deutlich sagen. Wir können stolz auf das sein, was wir bisher erreicht haben. Wir sind auf einem guten Weg. Das Ziel steht klar vor Augen. Wenn wir mit dem Thema sachlich umgehen, wird das in der Öffentlichkeit auch sachlich diskutiert werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Reuscher. – Für die Landesregierung, Frau Staatsministerin Beer. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nutze die Gelegenheit sehr gerne, um zum wiederholten Male in aller Ruhe für die Landesregierung darzustellen, wie wir im Hinblick auf den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht an einer ernsthaften, aber eben auch dauerhaften Lösung arbeiten.

In diesem Zusammenhang darf ich mich gleich vorneweg bei den Mitgliedern des Runden Tisches bedanken, die sich mit uns als erstes Bundesland auf diesen Weg begeben haben, in dieser Republik eine verfassungskonforme, dauerhafte Lösung zu finden, und die mit uns auch den Weg dorthin entwickelt haben.

Dieser Weg wurde maßgeblich gestaltet und unterstützt durch das Zehnpunktepapier, das im Rahmen des Runden Tisches und vor allem mit Unterstützung des hessischen Justizministers und des hessischen Justizministeriums erarbeitet wurde. Denn zum ersten Mal hat dieses Zehnpunktepapier aufgezeigt, wie wir in unserem Land auch bei den muslimischen Religionsgemeinschaften zu wirklichen Ansprechpartnern kommen können, die die Voraussetzungen unserer Verfassungen – sowohl des Grundgesetzes als auch der Hessischen Verfassung – als Kooperationspartner erfüllen.

Diejenigen, denen das nicht schnell genug geht, darf ich auf Folgendes hinweisen. Hier musste aufseiten der Antragsteller erst ein Klärungs- und Entwicklungsprozess

stattfinden. Frau Kollegin Öztürk, der DITIB-Landesverband Hessen – einer der Antragsteller – existiert erst seit dem 15.03.2009. Daher sind Zwischenrufe der Art, das ginge jetzt schon seit Jahren, und man habe Ansprechpartner finden können, meines Erachtens nicht sachgerecht und fördern auch keine sachorientierte Debatte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Uns geht es eben nicht um Übergangslösungen, sondern wir wollen eine dauerhafte Lösung haben. Wir wollen echte Ansprechpartner auf der muslimischen Seite. Wir sind sehr froh, dass sich hier der Runde Tisch, aber auch diese beiden Antragsteller auf den Weg begeben haben, um diese Voraussetzungen zu erfüllen.

Mit Verlaub, wenn hier in der Debatte gesagt wurde, man könne sich an Rheinland-Pfalz orientieren, dort gäbe es schon etwas: Rheinland-Pfalz operiert seit acht Jahren in zwei Modellprojekten mit insgesamt zehn Grundschulen.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Öztürk, das ist mir zu wenig. Ich möchte gerne eine verfassungskonforme Lösung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ob die beiden Antragsteller auch dauerhaft sämtliche Voraussetzungen erfüllen können, ist jetzt Gegenstand der Prüfung. Diese Prüfung zügig, aber sorgfältig durchzuführen, sind wir meines Erachtens nicht nur den Antragstellern, sondern eben auch den Steuerzahlern wie auch den Kindern, die diesen Unterricht besuchen wollen, schuldig. Denn ich möchte es nicht erleben, dass wir zunächst einmal mit einem Unterricht anfangen, der dann aber, weil die Voraussetzungen nicht dauerhaft erfüllt werden, wieder abgebrochen werden muss, und wir einen Wechsel bei den Ansprechpartnern bekommen. Auf dem Weg dorthin sind die Gutachten, die hier schon mehrfach angeführt wurden – also die beiden islamwissenschaftlichen und die beiden verfassungsrechtlichen Gutachten – Hilfsmittel. Meine Damen und Herren, Prüfungsbehörde ist aber das Kultusministerium. Wir können also das Ergebnis dieser Prüfungen nicht auf die Gutachter delegieren. Diese Gutachten sind Hilfsmittel, Basis für Konsequenzen, die wir jetzt daraus zu ziehen haben. Sie sind ein wichtiger Teil dieser Prüfung, aber sie ersetzen die Prüfung nicht.

Ich habe es bereits im Ausschuss dargestellt, trage es aber gerne hier noch einmal vor, wenn das nach der Antragslage von den Oppositionsfraktionen gewünscht wird: Zu dieser Prüfung gehört insbesondere das Gespräch mit den Antragstellern, nämlich das Gespräch darüber, wie sie sich die Ausgestaltung des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts vorstellen.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das beginnt mit der Bezeichnung dieses Unterrichts. Das war bei unseren Gesprächen durchaus ein Diskussionspunkt. Das betrifft die Unabhängigkeit der beiden Antragsteller – eine Frage, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Antragsteller DITIB-Landesverband Hessen auch immer wieder öffentlich diskutiert worden ist. Bei den verschiedenen Fragen müssen wir schlicht zur Kenntnis nehmen, dass die Antragsteller – vielleicht unterschiedlich

noch Zeit benötigen. Denn zum heutigen Zeitpunkt werden von ihnen verschiedene Punkte noch nicht erfüllt.

Das eine ist die Unabhängigkeit. Wir als Kultusministerium können diese Frage – Stand heute – noch nicht vollständig beurteilen; denn einer der Antragsteller hat sich eine neue Satzung gegeben und sieht in dieser Satzung eine neue Kommission für den Religionsunterricht vor, hat uns aber mitgeteilt, dass er diese Kommission noch nicht konstituieren konnte. Das heißt, wir als Genehmigungsbehörde können noch nicht absehen, ob die Mitglieder dieser Kommission die Voraussetzungen, die sich die Religionsgemeinschaft selbst gegeben hat – nämlich dass die Personen dieser Kommission unabhängig sowohl vom DITIBBundesverband in Köln sein müssen, wie sie auch keine Beamte irgendeines Staates, insbesondere nicht des türkischen Staates, sein dürfen –, erfüllen werden.