Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Diese Themen müssen verpflichtender Unterrichtsinhalt sein. Das haben sich die Antragsteller zu eigen zu machen und sich dazu zu verpflichten. Dies ist Gegenstand des zurzeit laufenden Prüfungsverfahrens und der Gespräche mit den beiden Antragstellern. Der Unterricht ist unabhängig von anderen Staaten in deutscher Sprache

(Heike Habermann (SPD): Das ist doch volle Wirklichkeit!)

durch Lehrkräfte, die nach deutschen Maßstäben ausgebildet und qualifiziert sind, zu geben – von Lehrkräften muslimischen Glaubens, und diese Lehrkräfte brauchen auch die Lehrbefähigung der jeweiligen Antragsteller.

Das ist exakt dieselbe Regelung und dasselbe Vorhaben wie bei den anderen elf Religionsgemeinschaften, die in Hessen Religionsunterricht halten. Dieser Maßstab muss natürlich notwendigerweise auch für die beiden Antragsteller DITIB und Ahmadiyya gelten.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, natürlich. Aber Sie haben uns gerade vorgeworfen, dass wir das alles verschlafen haben. Sie gestehen indirekt zu, dass diese Punkte noch zu klären und verbindlich festzulegen sind.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Elf Jahre!)

Das ist nicht nur – das ist ein weiterer Punkt – verbindlich zu klären und zu unterschreiben, sondern es ist auch dauerhaft sicherzustellen. Dies ist, auch das eine Selbstverständlichkeit, der Schulaufsicht des Landes Hessen unterworfen,

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guten Morgen!)

jetzt und in Zukunft. Die Antragsteller – jetzt ziehen wir die Quintessenz aus dem, was ich vorgetragen habe – haben einen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist auch eine Selbstverständlichkeit!)

Es ist eine Selbstverständlichkeit, natürlich. – Alle haben einen Anspruch darauf, dass eine verfassungskonforme Lösung, wie ich sie skizziert habe, getroffen wird. Diese Prüfung findet zurzeit statt. Sie können versichert sein – das sage ich auch sehr bewusst –, dass diese Prüfung und das Ergebnis so rechtzeitig zu erfolgen und vorzuliegen haben, dass wir das Schuljahr 2013/2014 erreichen. Es ist eine relativ einfache Entscheidung.

Ich habe gesagt, dass die Dinge objektiv zu prüfen und zu entscheiden sind. Wenn die Prüfung im Ergebnis zeigt, dass alle – ich betone: alle – Voraussetzungen erfüllt sind, dann wird es einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht geben. Wenn die Voraussetzungen nicht alle erfüllt sind, dann wird es den Ethikunterricht mit dem Schwerpunkt Islamkunde geben.

Die Prüfung und das Ergebnis dieser Fragen, die ich skizziert habe, werden wir als CDU-Fraktion gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in aller Gelassenheit abwarten; denn hier gilt insbesondere: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Und diesen Weg werden wir nicht verlassen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Kollege Schork. – Bevor ich das Wort weitergebe, begrüße ich die diesjährige Friedenspreisträgerin, Frau Elisabeth Decrey Warner aus der

Schweiz, auf unserer Tribüne. Recht herzlich willkommen hier im Hessischen Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Cárdenas.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns über unsere Positionen unter den Fraktionen immer wieder in Ausschüssen und im Plenum ausgetauscht. Unsere differenzierte Meinung zum islamischen Religionsunterricht kennen Sie. Nun haben die jetzt vorgelegten Anträge von GRÜNEN und SPD einen eindeutigen Bezug zum Ewiggestrigen. Sie sollten die Ernsthaftigkeit des Bemühens in der Regierungskoalition überprüfen, dem IRU endlich Leben einzuhauchen, ob das wirklich so vorgesehen ist.

Ein wichtiger Akteur in diesem Spiel ist nun vom Platz gegangen, besser: gegangen worden. Damit könnten die Anträge eigentlich obsolet sein. Leider hat er aber einem in der eigenen Fraktion umstrittenen, wie wir an dem Wahlergebnis gesehen haben, und in der Politik ähnlich zu ortenden Nachfolger Platz gemacht. Daher scheinen die Anträge zur Bekräftigung des Vorhabens wohl weiter nicht überflüssig zu sein.

In dem jetzt vor ein paar Minuten vorgelegten Antrag von CDU und FDP, den ich nicht sorgfältig lesen konnte, aber zumindest in Punkt 1 überflogen habe, steht, dass Sie das Ganze mit der größtmöglichen Sorgfalt umsetzen wollen. Man könnte daraus schließen, dass das eine weitere Verzögerungstaktik und ein Rückzugsgefecht sein könnte. Das werden wir sicherlich im Ausschuss noch diskutieren.

Diese beiden zu verabschiedenden Anträge werden von uns drei Zustimmungen und drei Enthaltungen bekommen. Übersetzt heißt das, dass wir das Vorhaben unterstützen und Musliminnen und Muslimen das gleiche Recht und Privileg wie den christlichen Religionen zugestehen, an unseren Schulen ihre Religion zu unterrichten. An uns wird das Vorhaben also nicht scheitern.

Wir wollen aber zugleich mit unseren drei Enthaltungen zum Ausdruck bringen, dass wir mit diesem Schritt nicht wollen, dass es zu einer Verfestigung des verpflichtenden Religionsunterrichts gegenüber dem freiwilligen Ethikunterricht kommt. Uns wäre es lieber, das Verhältnis wäre wie in Berlin, Brandenburg und Bremen umgekehrt, es gäbe also einen verpflichtenden Ethik- und einen freiwilligen Religionsunterricht.

Das hat mehrere Gründe. Die Schulen sollen die Gesellschaft abbilden, die Entwicklungen in der Gesellschaft aufnehmen und die Gesellschaft selbst weiterentwickeln. Wir wissen, dass inzwischen eine Mehrheit in unserer Gesellschaft von sich sagt, dass sie nicht gläubig sei, und dass unter der Minderheit der Gläubigen diejenigen immer mehr werden, die an Steine, an Schutzengel, an das Schicksal oder an die Mutter Erde glauben.

Die Vielfalt, die Sie, Frau Kultusministerin, immer wieder beschwören, ist längst auch eine Vielfalt in der Glaubensausprägung und in den Glaubensriten geworden, und das trotz des einheitlichen Religionsunterrichts in unseren Schulen. Diese Vielfalt gibt es übrigens auch im muslimischen Bereich.

Diesen Unterschieden und Gegensätzen – Sie nennen sie Vielfalt, Frau Ministerin – liegen durchaus gemeinsame Ansichten vom Sinn des Lebens zugrunde, von dem, was der Gemeinschaft nützt und was ihr schadet, von dem, was der Einzelne tun darf und was nicht, dass wir gerecht sein müssen, die gemeinsamen Güter fair verteilen müssen, dass wir nicht lügen, stehlen und morden dürfen, dass wir unsere Erde und die, die auf ihr leben, schützen müssen, statt sie auszubeuten, dass wir für Alte und Schwache Verantwortung tragen müssen.

All dies sind gemeinsame Leitlinien in allen religiösen und nicht religiösen, z. B. humanistischen, Gemeinschaften. Uns allen ist die Welt aufgegeben.

Deshalb wollen wir, dass schon in der Schule die gemeinsame Verpflichtung für unsere Welt und unsere Gesellschaft in Deutschland und in Hessen ernst genommen wird, statt die Kinder und Jugendlichen fein säuberlich getrennt und sortiert erst einmal in der trennenden Sicht zu unterrichten und sie erst, wenn sie in ihrer Religion gefestigt sind – so wird das immer genannt –, miteinander darüber ins Gespräch zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir alle in der Fraktion billigen den Religionen und der Religiosität durchaus einen Platz in der Gesellschaft zu. Wir wollen aber, dass der Staat das Neutralitätsgebot wahrt und die Trennung von Staat und Kirche nicht nur deklariert, sondern auch umsetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehört vielleicht auch der Abbau verschiedener Privilegien, die die christlichen Kirchen bei uns noch besitzen. Auch die deutsche Gesellschaft ist in Wandlung begriffen. Nicht nur, dass der Islam inzwischen zu Deutschland gehört, sondern, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gestern berichtete, ist es so, dass viele Bundesbürger mit dem christlichen Politiker nicht mehr unbedingt den Begriff konservativ verbinden, sondern eher die Begriffe links oder links-libertär. Diese Veränderungen wahrzunehmen, davon ist unsere hessische CDU allerdings noch weit entfernt.

Wir sind der Meinung: Wenn wir mehr inneren Frieden in dieser Gesellschaft wollen, wenn wir mehr miteinander über die Religionen hinweg wollen, dann müssen wir uns auf die gemeinsamen Werte besinnen. Das sind die Werte, die das Zusammenleben hier im Diesseits bestimmen. Darüber müssen wir schon in jungen Jahren, nämlich in der Schule, ins Gespräch kommen.

Wie gesagt: Meine Damen und Herren, da wollen wir hin. – Solange aber der Religionsunterricht durch das Grundgesetz und die Hessische Verfassung geschützt ist, sehe ich die Verpflichtung, den Muslimen die gleichen Rechte zu gewähren. Im Interesse der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, wie auch im Interesse des inneren Friedens werden wir diesen Anträgen, die die Absicht haben, diesem Recht ohne weitere Verzögerungen zur Realisierung zu verhelfen, zustimmen oder werden uns der Stimme enthalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank. – Für die FDP-Fraktion erhält jetzt Herr Reuscher das Wort. Herr Reuscher, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich in das Thema einsteige, möchte ich doch noch eine Vorbemerkung machen. Frau Öztürk, wenn man ein so sensibles Thema zum Setzpunkt macht und es damit aus der parlamentarischen Diskussion heraushebt, dann sollte man es auch angemessen und sachlich behandeln. Ich bin eigentlich ein bisschen enttäuscht, dass hier so ein unsäglicher Konfrontationskurs bei diesem Thema gefahren wird, das uns allen wichtig ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Auch die Kritik an unserem Integrationsminister, er würde das mit Hinweis auf einen verfassungskonformen Weg verzögern, halte ich eigentlich für sehr schlecht. Damit verlässt man, das ist ganz einfach und klar, die sachliche Diskussionsgrundlage und verabschiedet sich von diesem Weg. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der FDP)

Ich halte es da mit unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck, der in kurzer und knapper Form etwas gesagt hat, was sehr richtig ist. Er sagte:

Muslime gehören zu Deutschland.

Weil Muslime auch zu Hessen gehören, sind wir der Meinung, dass unsere muslimischen Schülerinnen und Schüler islamischen Religionsunterricht an hessischen Schulen erhalten sollen. Das kann für uns aber nur ein moderner islamischer Religionsunterricht sein, der auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Regelungen und Bestimmungen erfolgt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

CDU und FDP haben in ihrer Koalitionsvereinbarung klar festgelegt, dass dieser islamische Religionsunterricht in Hessen zu ermöglichen ist. Wir streben dieses Ziel zügig und fundiert an.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ich frage da: Gibt es einen modernen Katholizismus?)

Die Kritik der Opposition, die Landesregierung wolle die Einführung verzögern, entbehrt meiner Ansicht nach jeder Grundlage. Wir haben stets betont, dass der islamische Religionsunterricht auf der Grundlage des Grundgesetzes unser Anliegen ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir rufen dieses Thema hier immer wieder auf. Wir haben schon im Mai-Plenum darüber diskutiert. Es sind Anfragen gelaufen, die mit sehr sachlichen und fundierten Inhalten beantwortet wurden. Die Kultusministerin hat in der Sondersitzung des Kulturpolitischen Ausschusses sehr ausführlich darüber berichtet, wie denn die Schritte sind und dass wir das Ziel haben, im nächsten Schuljahr, also im Schuljahr 2013/2014, den islamischen Religionsunterricht einzuführen.

Der Setzpunkt bringt absolut nichts Neues. Er geht für mich ins Leere. Er fordert etwas, was wir schon in der Umsetzung haben. Ich habe eher das Gefühl, dass man hier auf einen bereits fahrenden Zug aufspringen und ein bisschen politisches Kalkül daraus ziehen will. Mehr ist das für mich nicht.