Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Fünftens, dass gleichwohl die Einführung eines solchen Unterrichts auch Ausdruck und Anerkennung der Tatsache wäre, dass muslimisches religiöses Leben mittlerweile zur Alltagsrealität in der Bundesrepublik und auch in Hessen gehört und dass dies auch von Gesellschaft und Politik anerkannt wird, dass also der Islam unstreitig zu Deutschland gehört. – Dieses wäre das integrationspolitische Signal, das von der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts ausginge.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sechstens, dass es bei Vorliegen dieser Voraussetzungen und nach Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen auch mittel- und langfristig gesichert sind, keine Frage der politischen Entscheidungen ist, sondern ausschließlich eine Frage der rechtlichen Würdigung vorliegender Fakten, weil es dann einen Rechtsanspruch auf positive Entscheidungen gibt, der nicht abdingbar ist. – Frau Ministerin Beer, das ist genau das, was wir nun von Ihnen erwarten.

(Zuruf der Ministerin Nicola Beer)

Ja, ganz ruhig. – Wir haben Ihrem Vortrag in der Sondersitzung des Kulturpolitischen Ausschusses sehr aufmerksam zugehört, und wir fanden ihn auch über weite Strecken überzeugend und einleuchtend.

Die islamischen Verbände und die Landesregierung haben sich im Laufe der letzten Jahre – ich würde mich durchaus der Meinung anschließen, dass es allzu viele Jahre waren –, manchen Missverständnissen und Irritationen zum Trotz, für die überwiegend Sie die Verantwortung tragen, aufeinander zubewegt und eine den verfassungsrechtlichen Erfordernissen Genüge tuende Lösung gefunden.

Zwei Verbände haben sich auf den Weg zu einer Religionsgemeinschaft nach deutschem Recht gemacht. Eine Prüfung ihres Status in religionswissenschaftlicher sowie staats- und verfassungsrechtlicher Hinsicht hat stattgefunden. Die grundsätzliche Eignung dieser beiden Organisationen, als Religionsgemeinschaften Partner des Staates zu sein, ist festgestellt worden. Bei positivem Fortgang der Prüfung, die ausschließlich Sache der Verwaltung ist und keiner politischen Entscheidung mehr unterliegt, besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch dieser beiden Organisationen, Unterricht in eigener Verantwortung, aber unter Aufsicht des Staates an hessischen Schulen anzubieten. Es besteht Hoffnung, dass sich auch Angehörige anderer Verbände anschließen werden, zumal es ein Curriculum gibt, auf das sich alle am Runden Tisch zur Einführung islamischen Religionsunterrichts vertretenen Verbände geeinigt haben.

Frau Ministerin, wir sagen Ihnen für den weiteren Weg und die hoffentlich letzten Meter auf einem langen Weg unsere volle Unterstützung zu. Lassen Sie sich nicht von denen beeindrucken, die mit der Auseinandersetzung über den islamischen Religionsunterricht eine islam- und fremdenfeindliche Stimmung im Land schüren wollen. Setzen Sie ein Zeichen für die Muslime im Land, dass sie – und konsequenterweise auch ihre Religion – in diesem Land willkommen sind und gleich behandelt werden. Setzen Sie dieses Zeichen bald, es ist überfällig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Zu einer Kurzintervention hat sich Kollege Tipi von der Fraktion der CDU gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen herzlichen Dank. – Lieber Herr Kollege Merz, ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn ich es für eine große Unverschämtheit halte, mir Taktieren vorzuwerfen. Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich immer, wovon ich spreche und wie ich zum Islamunterricht stehe.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich habe 29 Jahre lang – auch vor meinem Landtagsmandat, als Journalist in meiner damaligen Zeitung – öfter geschrieben, wie ich zu dem Thema stehe. Wir werden unserem Koalitionsauftrag nachkommen, dass an hessischen Schulen ein bekenntnisorientierter Islamunterricht stattfindet, aber erst dann, wenn wir unseren Verfassungsauftrag erfüllt haben,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

wenn wir alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten geprüft haben. Wir werden keinem Chaos in unseren Schulen stattgeben. Das werden wir nicht erlauben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das, was in Nordrhein-Westfalen bis jetzt erlaubt wurde, mit all den verschiedenen Übergangsmodellen, endet nur im Chaos. Das wollen wir in Hessen nicht zulassen.

Wenn ich mit den Menschen von DITIB rede – das habe ich nicht allein gemacht, ich habe meine Kollegen aus dem zuständigen Arbeitskreis mitgenommen –, dann werde ich ihnen natürlich sagen, dass wir ihren Interessen nachkommen, dass die Kinder nach unserem Verfassungsauftrag ein Recht darauf haben, dass wir den Unterricht ermöglichen, aber erst dann, wenn alle Prüfungen erfolgt sind. Mit dem Verfassungsauftrag haben wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung und dürfen den Kindern keine Übergangsmodelle zumuten. Alles soll Hand und Fuß haben. Unsere Position bei dem Thema soll nicht weder Fleisch noch Fisch sein, sondern es geht um richtigen Unterricht und einen von allen Institutionen geprüften Zugang. Das wollte ich Ihnen noch sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Tipi. – Sie haben die Möglichkeit, zu antworten, Herr Kollege Merz. Zwei Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Tipi, ich habe – –

(Zuruf von der CDU)

Nein, ich habe gar nichts zurückzunehmen. Ich weise darauf hin, dass Sie offensichtlich – diese Information liegt mir vor – am 20. Juli 2012 am Rande der Fastenbrechenveranstaltung des DITIB-Landesverbandes mit Vertretern dieses Verbandes gesprochen und ihnen versichert haben, Sie seien ein Unterstützer der DITIB als Partner für den islamischen Religionsunterricht.

(Ismail Tipi (CDU): Wenn sie die Voraussetzungen erfüllen! – Vizepräsident Heinrich Heidel übernimmt den Vorsitz.)

Es liegt ein Video vor, auf dem Sie bei einer CDU-Veranstaltung in Heuchelheim erscheinen und sagen: Der DITIB-Landesverband kommt nicht infrage, weil er von der türkischen Religionsbehörde abhängig ist. – Bei Karl May würde man sagen: Das Bleichgesicht redet mit gespaltener Zunge. – Das ist nicht ganz passend, aber so ist es.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Mir liegt die Übersetzung einer Kolumne vor, die Sie in Erwiderung auf eine Kolumne in einer türkischsprachigen Zeitung geschrieben haben. Dort haben Sie auf den Kolumnisten, der Sie aufgespießt hatte, weil Sie jemanden zum Wein eingeladen hatten, reagiert und gesagt, er wisse doch, wie man hierzulande vorgehen müsse, wenn man in seiner Religion beleidigt wird. Die Übersetzung liegt mir vor; bestreiten Sie, wenn es anders ist. Sie haben dann darauf hingewiesen, dass Sie, als Sie mit dem Kollegen Irmer fotografiert worden sind, zwar das Glas Raki in der Hand hatten, diesen aber nicht getrunken haben. Machen Sie daraus, was Sie wollen. Bestreiten Sie den Sachverhalt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Was soll denn das hier? Das ist doch unterstes Niveau!)

Das soll das, was es soll. Das war meine Erwiderung.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Ekelhaft ist das! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wir fahren fort in der Rednerliste. Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Schork das Wort. Bitte schön, Herr Schork.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten in der Debatte wieder zur Sachlichkeit zurückkehren

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und uns mit der Frage der Einführung des islamischen Religionsunterrichts in Hessen beschäftigen.

Gestatten Sie mir am Anfang eine persönliche Bemerkung. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die mir zu der Wahl in das neue Amt gratuliert haben, herzlich bedanken. Die Glückwünsche sind angekommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich habe aber auch – die Bemerkung sei mir auch gestattet – die damit verbundene Begleitmusik sehr aufmerksam gehört, gelesen und ebenfalls zur Kenntnis genommen. Seien Sie sicher, dass ich damit umgehen kann.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das finden wir gut!)

Die CDU und die FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2009 festgelegt, dass die Einführung eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts in Hessen geprüft wird, wenn dafür ein Ansprechpartner zur Verfügung steht. Das, sehr verehrte Frau Kollegin und sehr verehrte Kollegen von den GRÜNEN, schließt – das ist schon im Koalitionsvertrag festgelegt – die von Ihnen in die Diskussion gebrachte Beiratslösung aus. Insofern können Sie uns das heute nicht zum Vorwurf machen. Wir haben es bereits im Jahr 2009 erklärt und festgelegt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweite Bemerkung. Ich glaube, wir sind uns einig, dass es richtig und wichtig ist, die Frage der Einführung eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts zu klären und zu entscheiden, auch weil dies – das sage ich sehr bewusst – ein Beitrag zur Integration sein kann.

Nun haben Sie gesagt: Es ist nichts passiert. – Ich will Ihnen einmal darstellen, welchen Weg wir bisher gegangen sind und welche Aufgaben noch vor uns liegen, bis eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. Es gibt zwei Ansprechpartner: die DITIB Hessen und die Ahmadiyya. Für beide Antragsteller wurden jeweils ein islamwissenschaftliches und ein verfassungsrechtliches Gutachten erstellt. Bei beiden Antragstellern kommen die Gutachten zu dem Ergebnis, dass sie grundsätzlich als Kooperationspartner geeignet sind. Damit ist noch nicht festgestellt, dass sie alle Bedingungen und Voraussetzungen erfüllen.

Jetzt müssen wir uns doch die Frage stellen: Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen, und welche weiteren Schritte sind notwendig? Sie wissen, dass der Runde Tisch im Dezember 2009 einen Zehnpunktekatalog erarbeitet hat und dass es ein Kerncurriculum gibt. Sie wissen, dass die Maßstäbe des Grundgesetzes nach Art. 7 Abs. 3 anzuwenden sind. Diese Fragen müssen geklärt und nach objektiven Kriterien entschieden werden. Dazu gehört auch: Wie unabhängig sind die Antragsteller von anderen Staaten?

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Agieren sie unabhängig, und haben sie Maßnahmen und Vorsorge dafür getroffen, dass diese Unabhängigkeit jetzt und in Zukunft gewährleistet ist?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es stellt sich die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es stellt sich die Frage des Missionierungsverbotes. Schließlich und endlich stellt sich die Frage, wie es mit der Toleranz – das gilt für alle Religionsgemeinschaften – gegenüber anderen Glaubensrichtungen und Religionsgemeinschaften aussieht. Diese Fragen sind abschließend mit den beiden Antragstellern zu diskutieren.

Ich habe das Kerncurriculum angesprochen, das auch wesentliche Punkte enthält, die – da muss man ein Wort des Dankes an den Runden Tisch sagen – unter Einbeziehung des Runden Tisches entworfen und erarbeitet wurden. Die Punkte will ich wiederholen. Es ist doch notwendig, dass die beiden Antragsteller eine verbindliche Erklärung darüber abgeben, dass sie sich die Inhalte des Kerncurriculums zu eigen machen und sich an dieses Kerncurriculum halten.

Dazu gehört, dass neben der Gleichwertigkeit von Mann und Frau und neben der Toleranz gegenüber anderen Religionen auch das friedfertige Zusammenleben der Religionen anerkannt und gewährleistet wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese Themen müssen verpflichtender Unterrichtsinhalt sein. Das haben sich die Antragsteller zu eigen zu machen und sich dazu zu verpflichten. Dies ist Gegenstand des zurzeit laufenden Prüfungsverfahrens und der Gespräche mit den beiden Antragstellern. Der Unterricht ist unabhängig von anderen Staaten in deutscher Sprache