Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Aber jetzt sollten wir auch darüber sprechen, auf welchem Weg wir das erreichen wollen. Dazu gibt es verschiedene Meinungen, auch in meiner Partei. Ich habe durchaus Verständnis für die Frauen – und davon gibt es eine ganze Menge –, die überhaupt keine Quote wollen. Sie wollen nach ihrer Leistung beurteilt werden, und sie erwarten von ihrem Unternehmen, dass ihre Leistung honoriert wird,

(Zurufe der Abg. Martina Feldmayer und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

dass Personalentwicklung und Karriere nicht nach Geschlecht ausgerichtet wird und sie gefördert werden.

(Beifall bei der CDU)

Das sollten die Unternehmen auch tun; denn bei dem zunehmenden Fachkräftemangel kann es sich zukünftig kein Unternehmen mehr leisten, gut qualifizierte Frauen zu übersehen.

Ich habe auch durchaus Verständnis für die Ungeduldigen, die meinen, jetzt müsse endlich mit einer festen Quote der Durchbruch erreicht werden. Doch lösen wir das Problem tatsächlich mit der Brechstange? Ist es wirklich so einfach?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Schon der Blick in die Statistik der Frauenanteile der 30 DAX-Unternehmen in Vorstand und Aufsichtsrat zeigt, dass es ganz große Unterschiede beim Frauenanteil in den Unternehmen gibt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Zwischen 0 und 10 %!)

Da ist doch eins auffällig: Besonders im Maschinenbau, der Energiebranche und auch in der Automobilbranche ist der Frauenanteil deutlich geringer als in anderen DAXUnternehmen. Sprechen Sie doch einmal mit den Personalabteilungen: Längst haben sich Unternehmen auf den Weg gemacht und werben weit über ihre Unternehmensgrenzen hinaus um qualifizierte Frauen, finden aber oft keine.

Warum werben wir denn ständig für die MINT-Berufe? Warum veranstalten wir den Girls‘ Day? – Weil die Frauen immer noch ein zu einseitiges Berufsverhalten zeigen. Sie wählen noch immer viel zu selten die karriererelevanten Naturwissenschaften und Ingenieurberufe aus. Das können wir nicht einfach ignorieren, meine Damen und Herren. Leider ist das eine Tatsache.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen keine Quote um der Quote willen. Genau deshalb wollen wir die flexible Frauenquote.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es! Eine selbstbewusste Frau ist das! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Sie ist der richtige Weg, um qualifizierten Frauen den Weg in die Führungspositionen zu erleichtern, aber auch die unterschiedlichen Ausgangslagen in den DAX-Unternehmen zu berücksichtigen. Wir wollen den Frauenanteil nicht gegen die Unternehmen, sondern gemeinsam mit ihnen verbessern.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Deshalb sollen die Unternehmen entsprechend ihrer Situation eine feste Quote festlegen, aber sie sollen auch deutlich den politischen Druck durch eine gesetzliche Verpflichtung bemerken, dass die Erreichung dieser Ziele von uns erwartet und beobachtet wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass die Festlegung einer Flexi-Quote Frauen motivieren wird, sich für Führungspositionen zu qualifizieren und zu bewerben; sie haben dann auch gute Aussichten. Die flexible Frauenquote wird einen Anstoß geben, der die Entwicklung zu mehr Frauen in Führungspositionen deutlich beschleunigen wird. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir halten die flexible Frauenquote für vertretbar, für verhältnismäßig und vor allen Dingen für zielführend. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, DIE LINKE.

(Günter Rudolph (SPD): Weiter so in die Siebzigerjahre! – Gegenruf der Abg. Judith Lannert (CDU): Was für ein Quatsch! Wir Frauen brauchen keine Quote! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Sie nicht, aber die anderen Frauen schon!)

Damit wollen Sie dann wohl sagen, dass gute Frauen schlicht nicht vorkommen, und deswegen haben wir so wenig davon in den Aufsichtsräten, oder?

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Zurufe von der CDU: Oh! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Man, das schmerzt ja!)

Es schmerzt allerdings sehr, wenn man Ihnen als Frau zuhören muss.

24. September 1869, ein Freitag: Börsenkrach in Deutschland. 9. Mai 1873: Ende der Gründerzeit, ein Freitag. 13. Mai 1927: Börsenkrach, ein Freitag. 25. Oktober 1929: Wall Street, ein Freitag usw. usf. Es gibt auch außerhalb der Börsenwelt ein paar Schwarze Freitage. Einer davon war, als in Australien 15.000 Streikende auf die Straße gingen, weil sie ihr Gewerkschaftsabzeichen nicht tragen durften, und dann von der Polizei zusammengeknüppelt wurden, darunter auch Frauen und Kinder. Das ist in Australien ein Schwarzer Freitag.

Hier wertet der stellvertretende hessische Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn das Votum des Bundesrates für eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten großer Betriebe als Gefahr für die Koalition in Berlin und schreibt:

„Eine Wiederholung eines solch Schwarzen Freitags im Bundesrat wie den heutigen würde die Stabilität der bürgerlichen Bundesregierung erheblich beeinflussen.“

Diese Gleichsetzung finde ich schon heftig. Wenn die Forderung, 20 % Frauen in Aufsichtsgremien sicherzustellen, die Stabilität der bürgerlichen Bundesregierung gefährdet und mit den vorher genannten Ereignissen gleichgesetzt wird, dann erinnert mich das eher an die Reaktion der französischen Nationalversammlung auf die Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerinnen, die 1791 von der französischen Frauenrechtlerin Olympe de Gouges vorgelegt wurde. Sie fordert darin die volle rechtliche, politische und soziale Gleichstellung der Frauen.

(Holger Bellino (CDU): Waren Sie dabei?)

Nein, aber ich kann lesen. Das kann man in Geschichtsund anderen Büchern nachlesen. Ich finde es wirklich unterirdisch, wie hier diskutiert wird.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich nehme an, Sie haben noch nie in Ihrem Leben von dieser Frau gehört.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Heulen Sie doch noch ein bisschen!)

Sie hat das unter anderem mit den Worten begründet:

„Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen; sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen.“

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Heute dürfen Frauen immerhin reden, ohne geköpft zu werden, im Gegensatz zu Olympe de Gouges damals.

(Holger Bellino (CDU): Manche reden sich aber um Kopf und Kragen!)

In Aufsichtsräte dürfen sie aber nur, wenn Männer sie lassen. Volle Gleichstellung haben wir doch in keiner Weise erreicht. Davon sind wir doch so weit entfernt, wie wir es vor mindestens hundert Jahren waren.

Wenn wir die FDP betrachten, erinnern wir uns an Susanne Pöpel, die Vorsitzende der Liberalen Frauen in Hessen. Sie ist Anfang des Jahres aus der FDP ausgetreten, weil sie den frauen- und familienfeindlichen Ton nicht mehr ertragen konnte.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber Herr Hahn hat ja die Nachfolgerin ausgewählt!)

Sie ist damit keine Einzelstimme. Doris Buchholz, Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen erklärt:

Sie haben in der FDP unheimlich Gegenwind, wenn sie zu den Liberalen Frauen zählen.

Ein Beispiel für diese Frauenfeindlichkeit war, wie die Einführung einer Frauenquote in den Parteigremien torpediert wurde. Zudem wurde abgelehnt, FDP-Frauen zu plakatieren, wenn sie nicht attraktiv genug erschienen.

Ich habe schon erlebt, dass man mir gesagt hat, man möchte gut aussehende Frauen auf Wahlplakaten – nach dem Motto: Sex sells.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn mit Plakaten von Jörg-Uwe Hahn?)

Worum geht es in der ganzen Auseinandersetzung eigentlich? Ab Januar 2018 soll in Aufsichts- und Verwaltungsräten eine Mindestquote von zunächst 20 % und ab Januar 2023 eine Mindestquote von 40 % erreicht werden. 2023 ist die Jahreszahl. Für Vorstände hingegen, also das eigentliche Management, soll die Regelung gar nicht gelten.

Was am Freitag im Bundesrat gefordert wurde, ist eine ebensolche Kleinigkeit wie das Tragen von Gewerkschaftsabzeichen 1912 in Brisbane und weit von dem entfernt, was heute eigentlich nötig und angemessen wäre. Ich möchte Jutta Allmendinger, Soziologin, zitieren:

Ich bin eine Befürworterin der Quote. … Die meisten scheitern viel früher an gläsernen Decken, fehlenden Netzwerken, mangelndem Vertrauen. Doch die Quote reicht nicht. Zwingend brauchen wir auch eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen. Wir brauchen Jobsharing, flexiblere und autonomer gestaltbare Arbeitszeiten. Wir brauchen kürzere Arbeitszeiten. Und auch freie Zeiten. Für Frauen und für Männer.