Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Ich bin eine Befürworterin der Quote. … Die meisten scheitern viel früher an gläsernen Decken, fehlenden Netzwerken, mangelndem Vertrauen. Doch die Quote reicht nicht. Zwingend brauchen wir auch eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen. Wir brauchen Jobsharing, flexiblere und autonomer gestaltbare Arbeitszeiten. Wir brauchen kürzere Arbeitszeiten. Und auch freie Zeiten. Für Frauen und für Männer.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Schluss kommen.

Was wir mit Blick auf die Rechte der Frauen gerade erleben, ist tatsächlich ein Schwarzer Freitag.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst etwas zur Einordnung der Aktuellen Stunde sagen. Worum geht es beim Thema „Frauenförderung in Aufsichtsräten und in Verwaltungsräten“? Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, wie wir den Wohlstand in unserer Republik dauerhaft erhalten. Darüber werden wir in der nachfolgenden Aktuellen Stunde unter dem Stichwort „Fachkräftemangel“ noch einmal diskutieren.

Wenn wir bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht massive Schritte nach vorne erreichen, werden wir das Wohlstandsmodell der Bundesrepublik Deutschland mittel- und langfristig gefährden. Ich sage sehr klar: Die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft nicht nur die Kassiererin bei tegut, die Verkäuferin hinter der Theke in der Bäckerei oder beim Metzger um die Ecke, die Fachkraft im Pflegeheim, sondern sie betrifft ausdrücklich auch die Vorstände von börsennotierten Unternehmen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Kollege Al-Wazir hat eben schon ein paar Hinweise zu den Zahlen gegeben. Ich will das noch ein bisschen zuspitzen. In einer aktuellen Umfrage aus dem letzten Jahr kommen wir zu dem Ergebnis, dass bei den 160 – –

Jetzt sind wir auf der Unionsseite vollständig führungsfrei. Der Ministerpräsident fehlt in dieser wesentlichen Debatte genauso wie die gesamte Fraktionsführung. Aber das wundert uns nicht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Flexi-Quote!)

Ja, es ist eine andere Form der Flexi-Quote, die gerade eingeführt wird.

(Zuruf von der CDU: Aber wir haben noch die Mehrheit!)

Ich will auf folgende Zahlen hinweisen: In den Aufsichtsräten und Vorständen der 160 börsenindizierten Unternehmen gibt es eine einzige Vorsitzende. In allen Unternehmen liegt die Frauenquote auf der Aufsichtsrats- und Vorstandsseite bei 6,5 %. In 108 von 160 Unternehmen

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist Taka-Tuka-Land!)

sind die Unternehmen auf der Arbeitgeberseite frauenfrei. Sie sind im Ergebnis bei einer Männerquote von 93,5 %.

Deswegen sage ich sehr klar: Das Thema Frauenförderung ist eine Führungsaufgabe, und zwar eine Führungsaufgabe sowohl in der Politik, als auch in der Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es muss endlich Schluss sein mit den Sonntagsreden. Es muss endlich gehandelt werden. Deswegen war der vergangene Freitag ein guter Tag.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn jetzt Frau Ravensburg davon spricht, man dürfe nicht mit der Brechstange kommen, dann will ich darauf verweisen, was der Gesetzentwurf, der mit Mehrheit im Bundesrat beschlossen worden ist, vorsieht. Er sieht eine 20-%-Quote bis 2018

(Zuruf der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

und eine 40-%-Quote bis 2023 vor.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ist das Brechstange?)

Das ist jetzt nicht Brechstange, Frau Ravensburg,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern es ist, wie es Frau Kramp-Karrenbauer gesagt und zusammen mit Frau Böhmer und vielen anderen unterschrieben hat, der Anfang auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, nicht mehr und nicht weniger. Deswegen war der Freitag ein guter Tag.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ravensburg, dass Sie mit der hessischen Union ein Problem haben und mit Ihrem Koalitionspartner sowieso, das ist offensichtlich geworden in der Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Frauenförderung in den Führungsebenen der Landesverwaltung. Ich will Sie mit Ihren eigenen Zahlen konfrontieren: 7 Abteilungsleiterinnen von 57 in der hessischen Landesverwaltung. Das ist eine Quote von 12,28 %.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ich glaube, es sind sogar nur sechs!)

Daraufhin hat Herr Staatssekretär Weinmeister per Twitter interveniert, es seien inzwischen 8 von 57, also 14,04 %.

Ich will sagen: Wenn Sie diese Ausbaugeschwindigkeit in der Frauenförderung weitertreiben, heißt das, dass Sie bei der 50-%-Quote im Jahr 2030 ankommen. Auch das ist in der Tat nicht Brechstange, Frau Ravensburg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Über die FDP will ich am heutigen Tage gar nicht reden. Ich will nur sagen: Bei Ihrer Frauenquote und einem entsprechendem Aufbauprogramm in den nächsten Jahren heißt das bei 1 von 20 ganze zehn Wahlperioden, d. h. 50 Jahre. Es gibt allerdings zwei Indizes, die darauf hinweisen, dass es anders werden kann. Es würde erstens voraussetzen, dass Sie dauerhaft im Parlament sind und zweitens weiterhin 20 Abgeordnete haben. Beides halte ich nicht für sehr wahrscheinlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Präsident, ich will zum Schluss kommen. Letzter Satz.

Frau Kramp-Karrenbauer hat zu Recht in einem Interview in der „FAZ“ folgenden Hinweis gegeben:

In der CDU tummeln sich Quotenmänner, die wegen Regionalquoten, Konfessionsquoten oder Berufsquoten nach oben gekommen sind.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Ich sage Ihnen: Es wäre ein echter Fortschritt, wenn Sie diese Quoten um eine Frauenquote ergänzten, weil dann Frauen wie Frau Kramp-Karrenbauer oder auch Frau Wiesmann eine Chance in Ihren Reihen hätten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Das Wort hat Herr Abg. René Rock (Seligenstadt), FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ein bisschen überrascht über die Diskussion in der Aktuellen Stunde, in der mein Landesvorsitzender, der stellvertretende Ministerpräsident, immer wieder mit seinem Schreiben in einem Zusammenhang genannt wird, der aus meiner Sicht nicht angemessen ist.

(Günter Rudolph (SPD): Das Schreiben ist nicht angemessen, das stimmt!)

Es geht da nicht speziell um das Thema Frauenquote, sondern es geht um einen formalen Vorgang in der Abstimmung. Das hätte auch ein anderes Thema sein können. Das wissen Sie ganz genau.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Er spricht von einem Schwarzen Freitag!)

Sie versuchen hier nur, das öffentlich zu verknüpfen und einen Eindruck zu erwecken, der gar nicht stimmt und den ich hier deutlich benennen will.

Außerdem haben Sie sich hier mehr mit politischer Strategie als mit dem Thema beschäftigt. Darum haben Sie es auch zu einer Aktuellen Stunde gemacht und nicht zu einem Setzpunkt oder einem vernünftigen Antrag mit strukturellen Vorschlägen oder etwas anderem, sondern Sie möchten hier plakativ ein Thema aufziehen, das aus meiner Sicht viel mehr Diskussion verdient.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))