Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Deswegen kann ich Ihnen sagen: Eine Abschaffung des Landesabiturs wird es – Anhörung hin oder her,da mögen Sie recht haben – mit uns jedenfalls nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Herr. – Als Nächste hat Frau Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mache es kurz. Wir LINKE unterstützen den Dringlichen Antrag der SPD, eine Anhörung zur gymnasialen Oberstufe und zum Zentralabitur durchzuführen. Wir haben uns noch vor Kurzem anlässlich der Pannen beim Mathematikabitur für die Einführung eines dezentralen Abiturs und gegen das Zentralabitur ausgesprochen, weil es – wie die Schülerinnen und Schüler immer wieder berichten – in mindestens den letzten zwei Jahren vor dem Abitur zu einem Learning for the Test statt zu einem am humanistischen Bildungsverständnis orientierten Lernen führt.

Lehrer und Lehrergewerkschaften sprechen von der Deprofessionalisierung des Lehrerberufs. Ihre pädagogische Kompetenz ist nicht mehr ausreichend gefragt. Die jeweiligen Lernbedingungen des einzelnen Schülers, aber auch die konkrete Lernsituation, die konkrete Umsetzung der Rahmen- und Strukturpläne werden nicht mehr berücksichtigt.

Wir als LINKE wollen etwas anderes. Wir sind deshalb daran interessiert, in einer Anhörung zu erfahren, ob die von CDU und FDP immer wieder vorgebrachten Argumente für das Zentralabitur – z. B. das der überregionalen Vergleichbarkeiten von Abiturnoten – einer fachlichen, politisch unabhängigen Überprüfung standhalten kann

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Natürlich, selbstverständlich! Das ist doch bekannt! Man muss nur lesen können!)

und ob das Ziel der Vergleichbarkeit, wie im SPD-Antrag formuliert, auch anders, ohne Zentralabitur, erreicht werden könnte, Herr Irmer.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Erzählen Sie doch einmal, warum Berlin das Zentralabitur eingeführt hat! – Axel Wintermeyer (CDU): Zentralkomitee!)

Auch von einer unabhängigen Sicht auf die Möglichkeit, die Oberstufe in zwei bis vier Jahren durchlaufen zu können, verspreche ich mir einen wichtigen Impuls für die Landesregierung, auf eine an den individuellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler orientierte Unterrichtsorganisation zurückzukommen.

Auch Sie wollen doch, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler die Schule qualifiziert abschließen. Auch Sie wollen doch die Abiturquote erhöhen. Ein zeitlich flexibles Durchlaufen würde uns diesem Ziel sicher näher bringen.

So weit, so gut. Es spricht alles für diese Anhörung. Aber insgesamt bin ich doch eher pessimistisch.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was sagt die GEW dazu?)

Denn worum geht es beim Abitur? Das Abitur hat die Funktion, die Studierfähigkeit zu überprüfen. Insofern muss man leider konstatieren: Dieses Zentralabitur passt auf das Studium wie der Topf zum Deckel.Schließlich geht es doch auch im Studium seit der Einführung von Bachelor und Master zunehmend darum,statt die Studieninhalte kritisch zu durchdringen, zumindest in der ersten Stufe, diese vor allem zu reproduzieren und zu präsentieren.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So etwas kann doch nur jemand erzählen, der nie an der Uni war! So ein Quatsch! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Doch, wir waren an der Universität! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ja, in Moskau! Wie heißt die Universität in Moskau? – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nein, dort war ich ja nicht, ich war in Frankfurt! – HansJürgen Irmer (CDU): Na klar!)

Wir wissen, wie diese Regierung zu Bachelor und Master steht. – Herr Irmer, hören Sie doch bitte einmal zu. – Daher wird sie wohl auch ein verändertes Paradigma beim Abitur nicht zulassen.

Insofern ist zu befürchten, dass die Regierung entweder eine Anhörung nicht für nötig hält – das werden wir gleich oder später sehen – oder sich auch von in der Anhörung fallenden kritischen fachlichen Einschätzungen nicht irritieren lässt.

Frau Henzler, ich bitte Sie, überraschen Sie uns. Herr Irmer, ich bitte auch Sie, überraschen Sie uns.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ständig!)

Immerhin haben Sie heute wenigstens einmal eine rote Krawatte an. Ich denke, das passt dazu.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich bin so schwarz, da kann ich ohne Schaden gewiss eine rote Krawatte tragen!)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Cárdenas. – Als Nächster hat Herr Wagner das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem Antrag der SPD-Fraktion, eine Anhörung des Landtags zur Weiterentwicklung der gym

nasialen Oberstufe und der Abiturprüfung durchzuführen.

Wir beschäftigen uns also noch nicht mit der Sache selbst, sondern wollen uns als Hessischer Landtag heute darauf verständigen, den Expertinnen und Experten aus diesem Bereich dazu das Wort zu geben und im Kulturpolitischen Ausschuss mit ihnen gemeinsam über dieses Thema zu beraten.

Diese Initiative der Kolleginnen und Kollegen der SPD trifft ausdrücklich auf unsere Zustimmung, die Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

In diesem Hessischen Landtag haben wir uns oft und ausführlich mit dem gymnasialen Bildungsgang und mit dem Zentralabitur beschäftigt. Es ist sehr gut, dass wir das jetzt noch einmal gemeinsam mit Expertinnen und Experten tun.

G 8 und die Auswirkungen von G 8 sind nach wie vor ein großes Thema an den Schulen: bei den Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern und den Lehrerinnen und Lehrern. Deshalb ist es gut, dass wir uns in einer Anhörung Gedanken darüber machen, ob man die gymnasiale Oberstufe anders organisieren kann – einmal, was die inneren Abläufe dieser gymnasialen Oberstufe an sich angeht, zum anderen aber auch natürlich im Verhältnis der gymnasialen Oberstufe zur Mittelstufe.

Denn wenn es gelingen würde – was in der Diskussion ist, was meine Fraktion und auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD in die Diskussion gebracht haben –,eine zeitlich flexible Oberstufe zu gestalten, dann könnten sich auch ganz neue Perspektiven für die Gestaltung von G 8, der verkürzten Schulzeit zum Abitur insgesamt, ergeben. Das ist die ganz spannende Debatte, der wir uns mit einer Anhörung im Kulturpolitischen Ausschuss stellen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es gelingt,gemeinsam mit den Expertinnen und Experten ein Modell zu entwickeln, in dem die gymnasiale Oberstufe in zwei – die SPD beantragt sogar: in vier – Jahren durchlaufen werden kann, dann könnten wir auch in der Mittelstufe sagen: Dort nehmen wir den Druck heraus,wir verkürzen die Gymnasialzeit in der Oberstufe für die Schülerinnen und Schüler, die das wollen – und diejenigen, die etwas mehr Förderung brauchen, machen es dann in der gymnasialen Oberstufe etwas länger.Aber wir hätten die Chance,in der Mittelstufe tatsächlich wieder zu sechs Jahren zurückzukehren und damit den extremen Druck, den G 8 in die Mittelstufe gebracht hat, wieder herauszunehmen. Ich glaube, das wäre ein guter Schritt, denn das wäre ein Beitrag zu mehr Chancengleichheit an unseren Schulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist gut,in dieser Anhörung auch über das Zentralabitur zu reden.Auch dieses Thema sehen die Fraktionen in politischer Kontroverse. Das ist auch gut so.Aber ich glaube, es ist gut, nach drei Jahren Zentralabitur einmal zu schauen, ob es die Erwartungen wirklich erfüllt hat, und gemeinsam mit Expertinnen und Experten zu beraten, ob das große Versprechen des Zentralabiturs – vergleichbare Bedingungen zu schaffen und das Leistungsniveau zu verbessern – tatsächlich erfüllt wird.

An dieser Stelle will ich heute nicht über die Irrungen und Wirrungen des diesjährigen Zentralabiturs reden. Dazu

ist viel gesagt worden. Aber wenn wir die Anhörung nutzen, gemeinsam zu schauen, wie wir die Fehler und Pannen, die in diesem Jahr passiert sind, künftig vermeiden können, dann tun wir als Hessischer Landtag das, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, nämlich dass Abiturprüfungen nicht im Chaos versinken, sondern dass sie in unserem Land geordnet ablaufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will der weiteren Debatte nicht vorgreifen.Wenn man eine Anhörung beschließt, soll man nicht so tun, als wisse man schon vor der Anhörung, was herauskommt. Deshalb: Wir begrüßen diesen Antrag der SPD. Wir freuen uns auf den Rat der Expertinnen und Experten. Nach der Anhörung werden wir die Ergebnisse auswerten und zu weiteren Anträgen und Befassungen in diesem Parlament kommen. Unsere Zustimmung hat dieser Antrag. Wir freuen uns auf die weitere Debatte. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Danke, Herr Wagner. – Auf dem Weg zum Rednerpult ist Herr Döweling für die FDP und wird jetzt, wie ich vermute, das Wort ergreifen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU):Wenn Sie ihn lassen!)

Davon können Sie ausgehen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion ist für mich zum einen an Polemik nicht zu überbieten,

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

zum anderen zeugt er für mich von teilweise äußerst realitätsfremden Vorstellungen von Schulpolitik in Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der FDP – Günter Rudolph (SPD): So jung und schon so frech!)

Frau Habermann, ich finde es schlichtweg unverantwortlich, was Sie hier machen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Bildungsoberlehrer!)

Ja, der Schuldackel der GRÜNEN hat auch gebellt, sehr schön.