Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

(Minister Boris Rhein: Das habe ich anders formu- liert!)

Schauen wir uns einmal die Geschehnisse im Jahr 2006 an. Wer hat da eigentlich wen falsch informiert?

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es war der damalige Innenminister und jener Ministerpräsident, der heute immer noch keine Fehler zugibt, der im Juli 2006 den Innenausschuss – das kann man im Protokoll nachlesen – darüber informiert hat, dass der Verfassungsschutzmitarbeiter nicht mehr verdächtig sei. Das hat er vor

dem Hintergrund getan, dass ihn die Staatsanwaltschaft Kassel wenige Tage zuvor angeschrieben und gesagt hat: „Der Verfassungsschutzmitarbeiter ist weiterhin verdächtig.“ Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wer hat hier die Unwahrheit vor diesem Hause gesagt? Vielleicht sollten Sie das einmal aufklären.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) – Alexander Bauer (CDU): Was hat das mit dem Gesetzentwurf zu tun? Nebelkerzen!)

Herr Kollege Bauer, Sie fragen, was das mit dem Gesetzentwurf zu tun hat. Jawohl, es hat etwas mit der Aufarbeitung dieser Zeit zu tun, Herr Bauer. Deswegen unterhalten wir uns hier darüber.

Herr Minister, Sie haben mich aus der Festschrift zitiert. Ja, ich stehe auch dazu, was ich da geschrieben habe. Herr Minister, vielleicht hätten Sie aber auf den Zeitpunkt achten müssen. Das war nämlich, bevor die furchtbaren Vorfälle des NSU bekannt geworden sind.

(Alexander Bauer (CDU): Stimmt das nicht mehr, was Sie gesagt haben? – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Bauer, ja, ich habe jetzt, nach den ganzen Kenntnissen aus der Aufarbeitung der NSU-Fälle, durchaus den Verdacht, dass die Parlamentarier nicht immer richtig informiert wurden. Dazu hat Herr Al-Wazir gerade etwas gesagt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Belegen Sie es! – Zurufe des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Irmer, ich kann das belegen. Ich habe das eben schon mit dem Innenausschuss getan. Das können Sie alles im Protokoll vom 17. Juli 2006 nachlesen. Ich empfehle die Lektüre.

(Günter Rudolph (SPD): Er war sogar dabei!)

Ich kann Ihnen auch die Lektüre des Ausschussprotokolls des Deutschen Bundestages empfehlen. Darin steht nämlich, was der Inhalt des Schreibens der Staatsanwaltschaft war. Herr Irmer, das können Sie gerne alles nachlesen.

Es bleibt – dabei bleibe ich – ein Gesetz zur Kontrolle der Kontrolleure. Sie haben nie ein einziges Beispiel genannt, das belegen würde, dass es Grund zu Misstrauen gegenüber den Abgeordneten gibt. An keiner Stelle, nicht damals, nicht heute haben Sie ein einziges Beispiel vorgelegt, wo es Beispiele des Misstrauens gegenüber den Abgeordneten gibt.

(Alexander Bauer (CDU): Bei wem stand denn die Presse mit der Kamera vor der Tür? Wer hat denn die O-Töne gegeben? – Günter Rudolph (SPD), zur CDU gewandt: Das wollen Sie wohl auch noch verbieten?)

Meine Damen und Herren, deswegen bleibe ich dabei: Wie kann es denn sein, dass Hessen das einzige Bundesland ist, das die Kontrolle gegenüber den Abgeordneten verschärft? – Das ist bundesweit einmalig und bleibt ein einmaliger Vorgang.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Wollen Sie, dass man die Presse nicht mehr informiert?)

Herr Minister, Sie hören es nicht gerne, aber ich sage es gern immer wieder: Zur Reform des Verfassungsschutzes haben Sie bis heute kein einziges Blatt Papier vorgelegt – nichts, kein einziges Blatt.

Herr Innenminister, es wird langsam immer interessanter. Sie stellen sich hier hin und sagen, wenn ich Ihnen vorwerfe, dass Sie in diesem Bundesland nichts gemacht haben: Aber ich habe doch in der Innenministerkonferenz an einem Beschluss mitgewirkt. – Meine Damen und Herren, wo sind wir denn mittlerweile? Die Arbeit hat hier in Hessen stattzufinden. Sie sind hessischer Innenminister; Sie haben bis heute nichts vorgelegt, und das können Sie auch nicht widerlegen. Deswegen bitten wir um einen anderen Umgang mit diesem Thema.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Als nächster Redner hat sich Herr Bellino von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Bellino.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sonderbar, aber auch sehr traurig, dass man die Gelegenheit nutzen muss, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir hier und heute über eine notwendige Änderung in unserem Verfassungsschutzgesetz und nicht über den NSU reden. Wir sollten uns auch nicht gegenseitig Vorhaltungen machen, die mit dieser Thematik wirklich nichts zu tun haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, das ist traurig.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)

Sie verquicken diese schlimmen Gräueltaten, die wir alle bedauert haben. Wir haben hier zu diesem Thema sogar Aktuelle Stunden gehabt; wir haben zu diesem Thema Setzpunkte gehabt; und wir haben uns bei den Opfern und den Angehörigen entschuldigt. Wir haben gesagt: „Es ist in unserem Land Platz für vieles, aber es ist kein Platz für Gewalt gegen Andersdenkende, anders Abstammende oder Andersgläubige.“ Das haben wir hier gesagt, und dazu stehen wir. Dann versuchen Sie, das rumzudrehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, das zeigt Ihr wahres Gesicht, und das Schlimme ist: Das wird weder den Opfern noch den Angehörigen gerecht. – Darüber sollten Sie in der bald beginnenden Mittagspause einmal nachdenken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Natürlich wurden in der Bundesrepublik Deutschland Fehler gemacht.

(Günter Rudolph (SPD): Außer in Hessen!)

Wenn Herr Al-Wazir jetzt darüber spricht, wie diese Ermittlungsgruppe früher genannt wurde, dann soll er doch seinen früheren Parteifreund Schily fragen,

(Nancy Faeser (SPD): Aber der hat sich im Gegensatz zum Ministerpräsidenten entschuldigt!)

warum er das so gemacht hat. Aber auch er hat eingeräumt, dass es ein Fehler sei; und er hat sich entschuldigt. Aber da können wir doch nichts dazu, wenn die auf Bundesebene damals so genannt wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Thema. Wenn Teile der Linkspartei beobachtet werden, dann wird der Verfassungsschutz dafür wahrscheinlich einen Grund haben. Ich weiß das nicht im Detail, aber wir wissen,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich weiß es auch nicht, aber wer weiß es denn dann?)

dass darüber sehr intensiv nachgedacht wird, bevor man tätig wird. – Herr Kollege Schaus, Sie sind da vielleicht als ehemaliger Sozialdemokrat nicht dabei.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wenn wir über den Verfassungsschutz in Hessen sprechen, stellen wir aber fest: Die Opposition hat immer dann, wenn sie etwas zu sagen hatte, den Verfassungsschutz personell abgebaut und die Regularien verschlechtert. Wir bauen den Verfassungsschutz zu Recht auf, weil wir wissen, dass wir Leute, Männer und Frauen, brauchen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigen. Teile der Opposition lassen keine Gelegenheit aus, den Verfassungsschutz zu diskreditieren.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Wir stehen zum Verfassungsschutz, weil wir wissen, welche Aufgabe er hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es passt auch ins Bild, dass bei der kürzlich stattgefundenen Jahrestagung des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz die Opposition komplett gefehlt hat. Das sagt auch aus, wie Sie dazu stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Nancy Faeser (SPD): Ich weiß gerade mal sehr genau, dass auch Sie nicht da waren!)

Frau Kollegin Faeser, wir waren da. – Letzter Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren. CDU und FDP haben nicht nur durch den Gesetzentwurf und die Anhörung, sondern eben auch durch den Änderungsantrag, den wir eingebracht haben, deutlich gemacht, dass an diesem Gesetz etwas geändert werden muss, weil auch hier mit der Zeit gegangen werden muss.

Wir haben, das darf ich abschließend sagen, auch immer deutlich gemacht, dass wir aus der NSU-Aufklärung sehr wohl Lehren ziehen werden, aber dann, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, wenn man in Berlin seine Hausaufgaben gemacht hat, weil wir sachgerecht arbeiten und nicht wie Sie skandalisieren wollen. Das ist der Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Die Fakten liegen auf dem Tisch!)

Vielen Dank, Herr Bellino. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Greilich von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Auch hier noch einmal fünf Minuten. Bitte schön, Herr Kollege Greilich.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört zur Rabulistik der Oppositionsrhetorik – das sind wir hier schon gewohnt –, dass man dem anderen alles Mögliche herumdreht und versucht, umzuinterpretieren. Deswegen bin ich leider doch gezwungen, noch einmal das eine oder andere klarzustellen, damit keiner aus irgendwelchen Protokollzitaten des Kollegen Oppositionsführers oder wem auch immer irgendwelche falschen Schlussfolgerungen ziehen kann.

Kein Mensch in diesem Hause, jedenfalls keiner, den ich kenne, hat jemals bezweifelt, dass es natürlich gilt, aus der NSU-Mordserie Konsequenzen und Lehren zu ziehen und unsere Sicherheitsbehörden zu reformieren, und zwar im Land wie im Bund. Das ist gar keine Frage.

Da muss man schauen, was kommt. Herr Kollege Bellino hat schon darauf hingewiesen, dass es vielleicht Sinn macht, und da sind sich zumindest andere SPD-Fraktionen und selbst andere grüne Fraktionen, außer den Hessen natürlich, einig, dass man erst einmal den Befund aufnimmt, den Ausschuss in Berlin die Arbeit durchführen lässt und dann die Konsequenzen zieht. Die Arbeiten dazu sind, das hat der Innenminister schon dargestellt, längst aufgenommen. Natürlich werden wir uns darum kümmern, und das hat auch Auswirkungen auf Hessen. Das ist doch gar keine Frage. Natürlich sind die Hinweise auf Fehler, die im Bund, im Land gemacht worden sind, auch Anlass dafür, zu schauen:

(Janine Wissler (DIE LINKE): Also sind doch Fehler gemacht worden!)