Wir überweisen den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung und zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Rechtsausschuss. – Dem widerspricht niemand. Damit ist das beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Anpassung des Kommunalen Finanzausgleichs an die Herausforderungen des demografischen Wandels und zur Stärkung des ländlichen Raums – Drucks. 18/6887 –
Die vereinbarte Redezeit ist 7:30 Minuten. Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat die Landesregierung das Wort.
(Minister Dr. Thomas Schäfer unterhält sich mit sei- nen Nachbarn. – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Dr. Schäfer, bringen Sie ein Gesetz ein!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bringe Ihnen heute den Gesetzentwurf der Landesregierung ein, mit dem die erste Stufe einer Strukturreform des Kommunalen Finanzausgleichs in Hessen eingeleitet werden soll.
Sie kennen die Vorgeschichte dieses Gesetzentwurfs. Das ist eine sehr intensive, über viele Jahre gehende kontroverse Diskussion über die Frage, ob eine solche Reformbemühung überhaupt notwendig ist, bis zur Diskussion über Details – wenig entlang der klassischen politischen Linien, sondern quer über die politischen Parteigrenzen hinweg, sehr an der jeweiligen Interessenlage vor Ort orientiert, in Hessen vielleicht sogar etwas intensiver, kontroverser und auch emotionsgeladener als in manchen anderen Bundesländern.
Im letzten Jahr ist es uns in einer parteiübergreifend besetzten Arbeitsgruppe mit den Kommunalen Spitzenverbänden gelungen, zumindest ein Teilelement herauszukristallisieren, das eine größtmögliche Chance auf einen Konsens innerhalb der kommunalen Familie beinhaltet.
Ich verhehle nicht – und ich glaube, das wird in der nachfolgenden Debatte sicherlich auch von dem einen oder anderen angesprochen –, dass wir zu Beginn dieser Arbeitsgruppe eher mit der Erwartungshaltung gestartet sind, dass man noch in dieser Legislaturperiode zu einer noch umfassenderen Reform kommen könnte. Da wir uns aber vorgenommen hatten, die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe in dieser Legislaturperiode in einer weitgehend konsensualen Form hinsichtlich der Inhalte, die dort auf den Weg gebracht werden sollten, zu führen, war am Ende zur Kenntnis zu nehmen, dass nur dieser erste Schritt am Ende, was die Anforderungen einer konsensualen Verständigungsmöglichkeit der Kommunalen Spitzenverbände untereinander anbetrifft, möglich war. Dennoch ist das ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, denn er nimmt zwei Elemente auf, deren Veränderung dringlich notwendig ist.
Unser Kommunaler Finanzausgleich datiert in seiner Grundstruktur aus einer Zeit, als Bevölkerungszuwachs und dessen Verarbeitung in der Siedlungsentwicklung im Mittelpunkt der Diskussion standen. Deshalb findet sich im Kommunalen Finanzausgleichsgesetz seit jeher eine Begünstigung für stark wachsende Kommunen. Das waren einmal 150 oder 200 in Hessen, mittlerweile sind es noch vier.
Das zeigt, dass die demografische Entwicklung schon intendiert Bestandteil dieser Regelung sein sollte. Aber zu dem Zeitpunkt, als das vereinbart wurde, hat niemand daran gedacht, man könne einmal in eine Situation kommen, in der die gegenteiligen Effekte – nämlich schrumpfende Kommunen – eher der Regelfall in Hessen sein könnten. Deshalb ergänzen wir jetzt die Regelungen, indem wir jetzt in denjenigen Kommunen, die von Bevölkerungsrückgang betroffen sind – das sind eher die Bereiche Nordhessens, aber auch Teile des Odenwalds –, bei der Bemessung der Schlüsselzuweisung nicht mehr die aktuelle Bevölkerungszahl zugrunde legen, sondern fiktiv den Einwohnerrück
gang der letzten zehn Jahre auf die Hälfte reduzieren. Damit wird im Kommunalen Finanzausgleich so getan, als wären noch mehr Menschen in der Gemeinde wohnhaft. Als Folge davon werden in den betroffenen Kommunen zusätzliche Mittel landen, um diesen Anpassungsprozess, diesen Schrumpfungsprozess, ein Stück stärker unterstützen zu können.
Ein zweiter wesentlicher Punkt ist die Erkenntnis, dass in den Mittelzentren des ländlichen Raums die Anforderungen an die dortige Infrastruktur vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückgangs im Umfeld signifikant zugenommen haben, sodass eine zusätzliche Stärkung der Investitionspauschalen für die Kommunen des ländlichen Raums ein zweiter Bestandteil dieser Reform ist.
Das sind zwei sehr wesentliche Elemente. Insbesondere in den strukturschwächeren Regionen Nordhessens sind die dringend erforderlich.
Deshalb hoffe ich auch sehr, dass uns das gelingt, jenseits des üblichen Pulverdampfs der Diskussion – der sicherlich notwendig sein wird. Sicherlich werden uns die 340 Millionen € in der Diskussion gleich wieder begegnen, und es wird sicher die Frage einer Berechnungsvariante von Vergleichsparametern zwischen dem Jahr 2012 und dem Jahr 2014 bemüht werden, und viele andere Fragestellungen.
Trotzdem hoffe ich, dass es uns in den nachfolgenden Ausschussberatungen und in der Anhörung gelingt, uns am Ende auf den Kern der Veränderungen zu beschränken und darüber zu diskutieren. Vielleicht ist es am Ende möglich, trotz allen Gegensatzes zwischen Opposition und Regierung, es den Kolleginnen und Kollegen aus den strukturschwachen Regionen, die dieser Gesetzentwurf um eine Menge nach vorne bringen wird, zu ersparen, aus parteipolitischen Gründen hier im Landtag dagegen stimmen und sich dann zu Hause, in ihrer Heimat, dafür verantworten zu müssen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, es gelingt uns, diese Reform – ich betone es: trotz allen Gegensatzes in manchem Detail – am Ende gemeinschaftlich über die Bühne zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir legen Ihnen hier einen ausgewogenen ersten Schritt vor. Damit haben wir die Arbeit dieser parteiübergreifenden Arbeitsgruppe so zu einem Abschluss gebracht, dass ausreichend Material, Grundlagen und Unterlagen vorhanden sind, um dann einen zweiten Schritt – wie immer der im Detail aussehen mag – zügig in Angriff nehmen zu können und nicht wiederum neu beginnen zu müssen, so lange zu diskutieren, bis wieder eine Legislaturperiode in ihrer zweiten Hälfte angekommen ist.
Das sind die beiden wesentlichen Erkenntnisse, auch aus der Arbeitsgruppe, bei der ich mich für das parteiübergreifende Zusammenwirken sowohl mit den Verbänden als auch mit den Fraktionen des Hauses sehr bedanken will. Ich hoffe, wir haben hier eine gute Grundlage für die Beratungen in den Ausschüssen geschaffen, und freue mich sowohl auf die Ausschussberatungen als auch auf die Anhörung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich teile die Hoffnung des Ministers, dass wir diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen einer sehr sachlichen Diskussion zuführen können. Ich füge die Hoffnung bei, dass bei der Diskussion um eine Veränderung des Kommunalen Finanzausgleichs die fachlichen Dinge nicht mit politischen Bewertungen und Einschätzungen der kommunalen Finanzausstattung vermischt werden; denn dieser Gesetzentwurf basiert letztendlich auf einem Diskussionsergebnis, das wir in der Arbeitsgruppe gemeinsam erarbeitet und getragen haben. Das Ergebnis ist nur ein Teil einer Palette. Darüber sollten wir uns in der Diskussion verständigen.
Der demografische Wandel mit seinen Auswirkungen, gerade in den strukturschwächeren Gegenden Hessens, aber auch die Frage, wie der ländliche Raum im Vergleich zu prosperierenden Kommunen in Verdichtungsgebieten generell aussieht, ist die zentrale Betrachtungsweise, die in diesem Gesetzentwurf zum Tragen kommt. Deswegen ist das ein Einstieg in eine umfassendere strukturelle Reform des Kommunalen Finanzausgleichs, die wir noch vor uns haben.
Ich bedauere, dass es nicht möglich war, im Vorgespräch mit den Vertretern aller Fraktionen ein Mehr an Veränderung des Kommunalen Finanzausgleichs auf der Ebene dessen zu erreichen, was wir in der Arbeitsgruppe gemeinsam erarbeitet haben. Die meisten Punkte – das ist zumindest mein Eindruck – sind unumstritten und sicherlich als Fakten auch definierbar. Es mag sein, dass die Lösungsansätze unterschiedlicher Natur sind und dass da die Ansichten sowohl bei den Fraktionen als auch bei den kommunalen Spitzenvertretern auseinandergehen. Ich denke, dass man sich in dieser Diskussion, die sich um ein Geben und Nehmen in der Frage der Bewertung der einzelnen Teile drehte, dennoch auf einen Nenner hätte einigen können. Es ist schade, dass es dazu nicht gekommen ist, aber wir sollten den Einstieg in eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs deswegen nicht aufgeben.
Deswegen begrüße ich, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der einen ersten Einstieg in ein umfangreiches Änderungspaket vorsieht und der sich insbesondere dem Thema „Demografischer Wandel und Stärkung des ländlichen Raumes“ widmet.
Genau dort sind nämlich die Auswirkungen des Schrumpfens der Kommunen am stärksten zu spüren. Deswegen führen die Ansätze, die mit diesem Gesetzentwurf umzusetzen versucht werden, die Effekte, die man damit zu erzielen versucht, zu einer Verzögerung der Auswirkungen von Schrumpfungen in den Kommunen, zu einer Stärkung der Investitionsmöglichkeit im ländlichen Raum und zu einer dauerhaften Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, die sich in diesem Lande nun einmal abzeichnet.
Es ist ein bitterer Beigeschmack in die Debatte gekommen, als die öffentliche Diskussion – und teilweise die interne Diskussion – über die positiven und negativen Auswirkungen dieses Einstiegs in die Reform diskutiert worden sind,
und zwar durch den Vergleich von Zahlen, die nicht miteinander verglichen werden können. Ich denke beispielsweise an den 2012/2012-Vergleich. Dort werden meines Erachtens Rahmenbedingungen miteinander verglichen, was so nicht haltbar ist, weil die Änderungen im Kommunalen Finanzausgleich natürlich nicht auf den Istzustand, den wir jetzt haben, projizierbar sind, sondern auf den Zustand bezogen werden müssen, den wir erreichen, wenn der Kommunale Finanzausgleich entsprechend geändert ist und sich daraus auch Veränderungen in der Schlüsselmasse ergeben.
Wenn dabei möglicherweise Effekte erzielt werden, die nicht der Intention des Gesetzes entsprechen, ist zu beachten, dass – einhergehend mit der Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs – auch die Landesplanung geändert werden muss, was aber wahrscheinlich nicht in den gleichen Schritten möglich sein wird, sodass wir, bis dies alles aufeinander abgestimmt ist, Übergangslösungen brauchen werden, über die wir gemeinsam diskutieren müssen und die dazu dienen sollen, Ausreißer nach oben und nach unten beim Einstieg in diese Reform zu vermeiden und zu verhindern, dass am Ende die Kommunen, die nicht gut ausgestattet sind, zu den Verlierern einer solchen Reform werden. Das ist nicht Sinn der Sache. Das wird auch nicht passieren.
Wir werden zuversichtlich in die Diskussion über diesen Gesetzentwurf im Ausschuss gehen. Ich bin sehr optimistisch, da wir bereits im Vorfeld eine gute Arbeit zum Gelingen der Reform in die Wege geleitet haben, dass wir einen Konsens erzielen können, der über die Fraktionsgrenzen reicht und der dem Ziel dieser Reform gerecht wird. Bei Themen wie der 340-Millionen-€-Kürzung, bei der Diskussion um die generelle Finanzausstattung der Kommunen, bei der Verteilung der Steuern usw., also bei Themen, die nicht unmittelbar Bestandteil dieses Reformeinstiegs sind, werden wir sicherlich – insbesondere vor der Landtagswahl – unterschiedliche Meinungen haben, weil wir dies auch unterschiedlich bewerten. Das ist aber kein Hinderungsgrund, sich in der Sache anzunähern und einen Einstieg zu schaffen.
Gehen wir es an, meine Damen und Herren. Dieses Gesetz ist ein Gesetz zur Stärkung des ländlichen Raums. Lassen Sie uns damit beginnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die heute vom Minister eingebrachte Mini-KFA-Reform – wie ich sie nenne – ist im Prinzip akzeptabel. Sie ist aber nicht die Lösung der Finanzprobleme der Kommunen in Hessen.
Sie ist auch nicht die Lösung der Finanzprobleme der Kommunen im ländlichen Raum und auch nicht der Kommunen, die einen Bevölkerungsrückgang verzeichnen müssen. Der Minister selbst hat angedeutet – vielleicht spricht da aus ihm ein bisschen das schlechte Gewissen –, dass in
der Debatte sicherlich auch das Stichwort „344-Millionen€-Kürzung“ fallen würde. Ja, es fällt, und zwar gleich in meiner Rede, Herr Minister.
Die ländlichen Kommunen und die Kommunen, die von einem Bevölkerungsrückgang betroffen sind, wären natürlich viel, viel besser versorgt als mit dieser Mini-KFA-Reform, hätten Sie nicht eine Kürzung – jetzt schon im dritten Jahr – um 344 Millionen € vorgenommen. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir uns sogar einig.
(Beifall bei der SPD – Alexander Noll (FDP): Es hätte mich gewundert, wenn das nicht gekommen wäre!)
Herr Noll, es ist eine der Konstanten in unserer Politik, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Kommunen in Hessen finanziell ausreichend ausgestattet werden.
Das werden wir heute sagen, im Juni sagen, im September sagen und auch nächstes Jahr sagen, möglicherweise in neuer Funktion. Darauf können Sie sich verlassen. Wenn Sie dann noch im Parlament sein sollten, können Sie uns alle unsere Reden vorhalten; denn wir wollen in der Tat erreichen, dass die Kommunen in Hessen wieder besser ausgestattet werden.
Nach jahrelangen Debatten, zahlreichen Gutachten – der Minister hat es angesprochen –, nach vielen Sitzungen der Mediatorengruppe und einer Facharbeitsgruppe ist das vorgelegte Ergebnis eher bescheiden – aber immerhin nicht völlig falsch. Es ist ein Ergebnis, über das wir immerhin reden können. Das Ärgerliche an dem vorgelegten Gesetzentwurf ist aber – das hat Herr Noll schon angedeutet, und auch der Minister hat es ein bisschen angedeutet –, dass er nicht mit offenen Karten spielt, dass er nicht darlegt, wer von dieser Reform profitiert und wer der Verlierer ist.
Herr Minister, niemand wird es schaffen, auch wir nicht – außer man gibt zusätzliches Geld in den Kommunalen Finanzausgleich –, durch Umverteilung von Geldern einen Finanzausgleich zu entwickeln, wo man nur Gewinner produziert. Das geht denkgesetzlich überhaupt nicht. Aber das würde ich für eine zukünftige Regierung versprechen wollen: Wir würden offenlegen, wer Gewinner und wer Verlierer ist, um beurteilen zu können, ob eine solche Reform akzeptabel oder nicht akzeptabel ist. Herr Minister, daran mangelt es erheblich.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)