Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Ihre Wahlfreiheit existiert nur auf dem Papier und nicht in der Realität. Meine Damen und Herren, wer Eltern eine echte Wahl geben will, muss dafür sorgen, dass Kinder die Freiheit haben, ihren Bildungsweg individuell und unterschiedlich schnell zu durchlaufen und die Form des Abschlusses möglichst lange offenzulassen. Nicht G 8 oder G 9 ist darauf die Antwort, sondern eine Schule, die das Lerntempo der Kinder berücksichtigt, eine Schule mit einer flexiblen Schuleingangsstufe, eine Schule mit einer modularisierten Oberstufe und eine Schule mit einer sechsjährigen Mittelstufe, die den Kindern Zeit zur Entwicklung lässt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Habermann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, ich fordere Sie noch einmal auf: Tragen Sie dem Anliegen der Petition Rechnung. Ansonsten sollten Sie das Wort „Elternwillen“ schleunigst aus Ihrem Sprachgebrauch streichen.

(Beifall bei der SPD – Mario Döweling (FDP): So ein Unsinn!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Döweling, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, das hat uns gerade noch einmal eindrucksvoll gezeigt,

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

dass die SPD mit Konzepten von gestern versucht, morgen zu punkten. Das wird aus unserer Sicht nicht gelingen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Die ganze Schizophrenie Ihres Programms zeigt sich doch darin, dass Sie sich einerseits auf die Seite der Eltern stellen, die mehr Zeit für ihre Kinder wollen, andererseits die verpflichtende Ganztagsschule zwangsweise in ganz Hessen einführen wollen. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Heike Haber- mann (SPD): Das ist verlogen!)

Frau Kollegin Habermann, den Zwischenruf haben wir nicht gehört. Sie wissen, im Parlament wird nicht gelogen. Es wird nur die Unwahrheit gesagt; das ist etwas anderes. – Herr Kollege Döweling hat weiterhin das Wort.

(Heike Habermann (SPD): Es war aber die Wahrheit!)

Dass Sie einer Verbesserung des Notendurchschnitts auch kein Gewicht beimessen, ist natürlich klar. Wenn man in seinem Wahlprogramm die Noten an den Schulen abschaffen will, dann hat man natürlich nichts dagegen, aber auch nichts dafür, dass sie sich verbessern, weil man sie ja gar nicht mehr will. Das wird es mit der CDU und der FDP in Hessen niemals geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Jetzt will ich einmal auf Ihre vorgetragenen Kommentare zu sprechen kommen, zunächst auf die 22.000 und etwas mehr Eltern, wie Sie gesagt haben. Ich bin auf die Unterschriften sehr gespannt. Wir werden sie uns nachher im Einzelnen anschauen. Was man so dem Internet entnehmen konnte, waren es schon einmal nur 21.000 Menschen mit Wohnsitz in Hessen. Das sind schon einmal 1.000 weniger.

(Dr. Thomas Spies (SPD): 21.000 sind ja so gut wie nichts!)

Ja, das gehört zur Wahrheit dazu. Des Weiteren zeigt mir – –

(Widerspruch bei der SPD)

Wir werden auch die anderen Unterschriften sehr sorgfältig prüfen.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Wir werden sehr sorgfältig prüfen, woher die Unterschriften alle kommen, ob sie aus Hessen kommen und wer dort so alles unterschrieben hat.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Ich glaube, es hat sich an Ihren vorgetragenen Kommentaren gerade sehr deutlich gezeigt, dass bei der ganzen Diskussion doch einiges aus dem Ruder läuft. Sie haben hier vorgetragen, eine Mutter hätte geschrieben, sie möchte gern, dass ihr Kind wieder in G 9 kommt, damit es mehr Zeit hat, weitere schulische Angebote wahrzunehmen.

(Heike Habermann (SPD): Ja!)

Wie schizophren ist das denn? – Einerseits beschwert man sich, die Kinder würden zeitlich überlastet, andererseits will man, dass die Kinder noch mehr Angebote annehmen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist das Problem!)

Herr Kollege Spies, das passt doch vorne und hinten nicht zusammen, wie Ihr ganzes Programm.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist ja das Problem, dass Sie Kinder nicht von Automaten unterscheiden können! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wenn wir uns jetzt einmal das Anliegen der Petition anschauen, dann muss man einfach sagen: Schauen Sie sich doch einmal die Rechtslage an. – Wir haben mit der Schulgesetzänderung des letzten Jahres beschlossen, dass Schulen, ab der Klasse 5 aufsteigend, wenn sie dies wollen, nach Entscheidungen der Schulgremien, der Schulkonferenzen, zum nächsten Schuljahr wieder als Ganzes zu G 9 zurückkehren oder auch an einem Schulversuch teilnehmen können.

(Gerhard Merz (SPD): Weil das wahrscheinlich so erfolgreich war!)

Diese Petition besagt jetzt: Wir wollen, dass jetzt wieder sofort zurückgekehrt wird, auch in Klasse 5 und 6. – Das kann man alles fordern, das ist kein Thema. Wir haben viele Petitionen, in denen Dinge gefordert werden, die der Rechtslage zunächst so nicht zu entnehmen sind.

Wenn Sie sich aber einmal die Kleine Anfrage anschauen, die der Kollege Wagner von den GRÜNEN dankenswerterweise gestellt hat, in der eine ganze Reihe von Gerichtsurteilen höchstrichterlicher Rechtsprechung – bis zum Bundesverfassungsgericht – aufgeführt ist, dann muss man einfach sagen: Dies ist rechtlich nicht möglich. Es ist in Hessen rechtlich nicht möglich, dieser Petition zu entsprechen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Mit Verlaub: Wir sind eine Rechtsstaatspartei, und wir werden uns hier nach Recht und Gesetz verhalten. Deswegen wird diese Petition gar nicht anders als nach Sach- und Rechtslage zu entscheiden sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Es haben sich nämlich seit 2008 einige Dinge geändert, z. B. die richterliche Würdigung des sogenannten Bestandsschutzes für die Eltern, deren Kinder jetzt in Klasse 5 und 6 sind, die vielleicht auch G 8 wollen, die unter der

Prämisse, dass G 8 an der Schule angeboten wird, ihr Kind dort angemeldet haben. Da gilt jetzt der Bestandsschutz. Hierzu gab es 2009 ein Urteil, dem auch eine entsprechend höhere Würdigung eingeräumt wird, als dies beispielsweise 2008 der Fall war.

Genau deswegen haben wir auch die Regelung für die kooperativen Gesamtschulen bei der Schulgesetzänderung entsprechend angepasst – ich sehe, da wird es ruhig aufseiten der SPD –;

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir sind sprachlos!)

denn das ist die Rechtslage. Die können wir auch nicht ändern, und schon gar nicht bis zum nächsten Schuljahr und von heute auf morgen. Deswegen sage ich ganz klar: Es ist zwar bedauerlich, aber wir können dieser Petition nicht entsprechen.

Ich halte es auch aus pädagogischen Gründen nicht für sinnvoll,

(Dr. Thomas Spies (SPD): Aha!)

dieser Petition zu entsprechen, selbst wenn wir dies wollten; denn die Kinder sind schon ein gutes Stück weit auf dem Weg in dem achtjährigen Bildungsgang am Gymnasium fortgeschritten.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist eine schöne Erkenntnis!)

In Klasse 6 ist der Lehrplan doch schon ein ganz anderer. Da ist bereits viel auf dem Weg geleistet worden. Auch hier gilt für uns das pädagogische Argument des Bestandsschutzes.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir brauchen ein gutes organisatorisches und pädagogisches Konzept, wenn man für diese Kinder weiterhin eine qualitativ gute gymnasiale Bildung gewährleisten will.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das kann man im Rahmen des von uns angestrebten Schulversuchs machen, zu dem sich – wie wir heute der Presse entnehmen konnten – bereits zehn Gymnasien in Hessen entschlossen haben.