Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Man hat mir signalisiert, dass die Redezeit auf 7,5 Minuten reduziert wird. Als erster Redner hat sich Herr Kollege Landau von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Kollege Landau, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr beschrieb der Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, Klaus Repp, anlässlich des Jahresempfangs die konjunkturelle Situation des Handwerks mit den Worten „gute Stimmung pur“ und „sonnige Aussichten“. Damit gab er die Stimmung der Betriebe wieder, die so zuletzt Anfang der Neunzigerjahre, nach der Wiedervereinigung, erreicht wurde.

Auch die „Deutsche Handwerks Zeitung“ berichtete, dass sich die Einschätzung über die aktuelle und künftige Lage in den Handwerksbetrieben nahezu auf einem Allzeithoch befindet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein derart aufgestelltes hessisches Handwerk ist eine Stütze unserer Wirtschaft, auf deren Tragfähigkeit man sich verlassen kann.

(Beifall bei der CDU)

So wie der Mittelstand Säule der Wirtschaft ist, so ist das Handwerk ein tragender Pfeiler des Mittelstands. Mit einem Umsatz von rund 30 Milliarden € ist das hessische Handwerk ein echter Wirtschaftsmotor.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dabei werden etwa zwei Drittel des Gesamtumsatzes in einem Umkreis von 30 km Entfernung um den Betriebsort herum erwirtschaftet. Das sorgt für eine Verwurzelung in der Region.

Weitere Eigenheiten des Handwerks sind, dass die handwerklichen Betriebe in der Regel klein, d. h. mit im Schnitt nicht einmal fünf Beschäftigten und inhabergeführt, sind. Das führt zu engen Bindungen zwischen Chef und Beschäftigten. Die Einheit von unternehmerischer Entscheidung und persönlich haftenden Gesellschaftern in den Familienbetrieben führt zu einer besonderen Verantwortung, von der die ganze Gesellschaft profitiert.

Zudem prägen hohe Innovationskraft und Flexibilität das Handwerk. Wer Qualität sucht, wird im hessischen Handwerk gut bedient.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hessische Handwerk nimmt in hohem Maß soziale Verantwortung wahr. In den nunmehr 75.000 Betrieben im Land arbeiten 330.000 Beschäftigte und etwa 27.500 Auszubildende. Diese Zahl belegt die hohe Ausbildungsquote des Handwerks in über 120 Berufen.

26,5 % aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge entfallen auf das Handwerk. Dabei arbeiten nur 10,4 % aller Beschäftigten in handwerklichen Betrieben. Neben einer überdurchschnittlichen Ausbildungsleistung werden in keinem anderen Bereich so viele Menschen gezielt auf die Selbstständigkeit vorbereitet wie im Handwerk.

Ein praxisnaher Wissenstransfer garantiert sowohl in der Gesellen- als auch in der Meisterausbildung eine hohe Beschäftigungsfähigkeit jeder neuen Handwerkergeneration.

Einen besonders erfolgreichen Weg ins Handwerk weist die Landesregierung seit einigen Jahren Schülern, die in der Hauptschule Probleme haben. Ich rede von den sogenannten SchuB-Klassen. Die allermeisten Teilnehmer schaffen es, drohende Perspektivlosigkeit zu überwinden und mit einer abgeschlossenen Handwerkslehre ins Berufsleben zu starten. Dieser Weg lohnt sich für alle.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wie die Gesellschaft, so steht auch das Handwerk vor Herausforderungen. Der technische Fortschritt und der wirtschaftliche Wandel verändern Berufsbilder. Demografie und Integration bedingen Anpassungen. Die langfristige Sicherung von Fachkräftenachwuchs erfordert neue Strategien. Laut einer Umfrage der deutschen Industrie- und Handelskammern sehen viele im Fachkräftemangel ein sehr, sehr großes Problem. Aktuell beziffern das 35 % der befragten Unternehmen als ein großes Problem.

Ferner ist eine zuverlässige und langfristige Unternehmensfinanzierung ein wichtiges Thema. Die bisherige Kultur der Mittelstands- und Handwerkskredite, die zur Stärkung des Handwerks beigetragen haben, ist durch Basel III bedroht. Man muss an dieser Stelle den Vorstoß von SPDChef Sigmar Gabriel ansprechen, der sich der Initiative „UmFairTeilen“ angeschlossen hat. Diese verlangt eine Vermögensabgabe, einen höheren Spitzensteuersatz und natürlich auch eine höhere Erbschaftsteuer. Diese Form der Umverteilung würde Tausende von Handwerksbetriebe mit persönlich haftenden Inhabern treffen. Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, sagt völlig zu Recht: „Wer jetzt davon spricht, Reichen ihre Vermögen wegzusteuern, erzählt auch nicht die ganze Wahrheit. Es geht dabei eben nicht um die wenigen wirklich Reichen, es geht um höhere Steuern für den Mittelstand.“ So ist es.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wer im Handwerk und im Mittelstand gleichwohl finanzielle Hilfe benötigt, der wird vom Land Hessen nicht im Stich gelassen. Mit dem Programm „Kapital für Kleinunternehmen“ können Nachrangdarlehen in Höhe von 25.000 bis 75.000 € pro Antrag gewährt werden. Ferner wurde das Sonderprogramm Betriebsmittelbürgschaften aufgelegt, das eine wertvolle finanzielle Überbrückungshilfe leistet.

Das hessische Handwerk hat von den Konjunkturpaketen, bei denen die energetische Sanierung eine große Rolle spielte, politisch gewollt, im Ergebnis spürbar profitiert. Knapp 80 % der Aufträge, die in erster Linie an das Bauund an das Ausbaugewerbe gingen, kam aus dem Hessenland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zufriedenheit des Handwerks mit der Politik ist noch nicht ganz hergestellt. Da gibt es noch einiges zu tun. Ganz oben steht der Bürokratieabbau. Es wird aber anerkannt, dass die Landesregierung bereits aktiv war und z. B. mit der Einrichtung der hessischen Ausschreibungsdatenbank dem Handwerk eine nützliche Hilfe anbietet. Auch das Requalifikationsregister wäre hier zu nennen, das im Vergabeverfahren die ewig gleichen Qualifikationsnachweise erspart. Wenn nun noch das Hessische Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz kommt, das laut Pressemitteilung des hessischen Handwerkstags als inhaltlich guter und wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung gesehen wird, dann kann eine hohe Zu

friedenheit des hessischen Handwerks mit der hessischen Landespolitik festgestellt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich feststellen: Das hessische Handwerk ist vielseitig und zukunftsfähig. Es ist die sympathische Wirtschaftsmacht von nebenan, die unseren Zuspruch durchaus verdient hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Landau. – Als nächster Redner hat sich Kollege Schaus von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Schaus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit großem Interesse habe ich die Ausführungen der Landesregierung zum Stand des hessischen Handwerks gelesen. Hier findet sich tatsächlich eine Reihe brauchbarer Zahlen.

Bis dato habe ich allerdings gedacht, dass nur die Anfragen unserer Fraktion mit so viel politischer Lyrik bedacht werden würden und nur bei uns auf viele wichtige Fragen einfach keine konkreten Antworten gegeben würden. Aber bei dieser Anfrage war das genauso.

Gerade angesichts der großen strukturellen Unterschiede zwischen den Regionen Hessens wäre es für uns wichtig, regionalspezifische Informationen über das Handwerk zu erhalten. Die fehlen leider. In Anbetracht der Zeit kann ich auf dieses sehr umfangreiche Werk natürlich nicht im Detail eingehen, will aber einige Punkte herausgreifen.

Die Ausbildungssituation wird sehr ausführlich behandelt. Es ist in der Tat so, dass das hessische Handwerk eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Ausbildungsplätzen bietet. Das wollen wir an dieser Stelle anerkennen. Obwohl die Zahl der Beschäftigten im hessischen Handwerk lediglich 10,4 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausmacht, beträgt die Ausbildungsplatzquote 26,5 %. 9 % aller Handwerker sind Auszubildende. Das ist eine Quote, die höher ist als die von den Gewerkschaften geforderte Ausbildungsquote für alle Betriebe von 7 %, die Grundlage für eine Ausbildungsplatzumlage werden soll.

Von dieser hohen Ausbildungsquote profitieren die Industrie- und Dienstleistungsbetriebe, die prozentual leider nur unterdurchschnittlich viele ausbilden. Genau an diesen Zahlen wird aber deutlich, dass eine Ausbildungsplatzumlage, gezahlt z. B. von der Industrie, eigentlich denen – also den Handwerkern – nützen würde, die überdurchschnittlich viele ausbilden. Das würde den Handwerksbetrieben letztendlich zusätzliche Mittel bringen, wenn sie vonseiten der Politik unterstützt würden.

Festzustellen ist im Übrigen auch, dass 56 % der Auszubildenden im hessischen Handwerk einen Hauptschulabschluss und 35 % einen Realschulabschluss vorzuweisen haben, während nur 7 % eine Fachoberschule oder höhere Schulbildung haben. Das Handwerk bietet also gerade die

sen Schülerinnen und Schülern wichtige Perspektiven. Das gilt es zu erhalten und weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Was zur Perspektive der Auszubildenden aber auch noch gesagt werden muss: Bestimmte Berufsbilder gelten als wenig attraktiv, weil sie ein schlechtes Image haben, wie die Landesregierung in ihrer Antwort selbst schreibt. Dieses Image rührt daher, dass sich unter jungen Leuten natürlich herumspricht, in welchen Branchen die Ausbildung Spaß macht, gut strukturiert wird, aber auch, wo die Ausbildungsvergütung gering ist und Auszubildende in der „Produktion“ eingespannt werden. Wenn Sie sich einmal an Berufsschulen umhören – nicht bei den Schulleitungen, sondern bei den Schülerinnen und Schülern –, bekommen Sie zum Teil Geschichten erzählt, die zum Inhalt haben, dass im Handwerk junge Menschen in der betrieblichen Ausbildung oft schon nach wenigen Wochen vollständig in die Arbeitsabläufe einbezogen werden – sozusagen learning by doing –, dass für sie wenig Betreuung zur Verfügung gestellt wird oder gestellt werden kann. Das erscheint in der Antwort der Landesregierung als „Probleme im Betrieb“, die „zentrale Ursache für einen potenziellen Ausbildungsabbruch darstellen“.

Natürlich spielt für junge Menschen auch eine Rolle, wie hoch die Ausbildungsvergütung ist. Die schwankt in den unterschiedlichen Branchen ganz erheblich. Es ist wenig nachvollziehbar, wieso in einigen Branchen nur wenige Hundert Euro und in anderen Branchen des Handwerks über 1.000 € Ausbildungsvergütung gezahlt werden.

Wer sich darüber Gedanken macht, warum bestimmte Ausbildungsberufe nicht so beliebt sind, sollte besser bei den Problemfeldern ansetzen, als auf die „gute Idee“ zu kommen, eine Imagekampagne zu starten.

Der Fachkräftemangel kann und sollte aber auf jeden Fall angegangen werden, und zwar so, dass die hiesige Wirtschaft ihre hiesigen Fachkräfte ausbildet. Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte – wir sprechen hier meist nicht von Kernphysikern, sondern von Pflegekräften oder eben von Handwerkern – läuft letztendlich doch darauf hinaus, dass wir die Ausbildungsleistung anderer Volkswirtschaften absaugen und ihnen damit zusätzliche Probleme schaffen, die wir selbst lösen und auch offensiv angehen sollten.

Da mein werter Vorredner die Kampagne „UmFairTeilen“ angesprochen hat – im Übrigen eine Kampagne, die auf einem breiten Bündnis von Gewerkschaften, karitativen und kirchlichen Trägern sowie Sozialverbänden beruht –, will ich sagen, dass ich es für völlig deplatziert halte, das Handwerk vorzuschieben, um eine Argumentationskette gegen die Forderung der Initiative „UmFairTeilen“ aufzubauen. Es ist eine falsche Darstellung – im Handwerk könnte das falsch verstanden werden –, wenn es heißt, dass die Forderung nach einer Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung das Betriebsvermögen beinhalten würde.

Das ist aber nicht die Forderung des breiten Bündnisses „UmFairTeilen“, sondern es bezieht sich bei seiner Forderung z. B. nach einer Vermögensbesteuerung tatsächlich auf die privaten Vermögen, nicht auf die betrieblichen. In der Hinsicht gibt es sehr viel. Es gibt auch sehr viele Stimmen, die das unterstützen. Ich finde es völlig falsch, wenn bei Ihnen das Handwerk als Begründung dafür herhält, die Erfüllung der richtigen Forderung nach einer richtigen Be

steuerung der Reichen und Vermögenden zu verhindern. Aus Ihrer Position heraus ist das aber verständlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich denke, dass Aufrufe wie der von Anfang August letzten Jahres, bei dem zahlreiche Verbände, unter ihnen die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen, auf den großen Investitionsstau der öffentlichen Hand insbesondere bei Verkehrsinfrastrukturprojekten und die Reduzierung der Quote öffentlicher Investitionen hingewiesen haben, ein wichtiges Signal in dieser Debatte sind, wenn es darum geht, festzustellen: Die öffentlichen Hände sind gerade für den Erhalt des Handwerks in der Region von besonderer Bedeutung. Das muss unterstützt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als nächster Redner hat sich Kollege Klose vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Verehrte Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das hessische Handwerk – das hat es uns anlässlich seiner jüngsten Betriebsumfrage selbst mitgeteilt – präsentiert sich in robuster Verfassung. 83 % der Betriebe betrachten ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend. Das sind gute Zahlen für die hessischen Handwerkerinnen und Handwerker sowie für die Handwerksbetriebe; denn sie sind das Rückgrat unserer Realwirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichwohl wissen wir alle, dass die Einschätzung der Konjunktur raschen Wandlungen unterliegt. Um die umfangreiche Antwort der Hessischen Landesregierung auf die Große Anfrage zur Situation des Handwerks einordnen zu können, lohnt sich deshalb auch – über den hessischen Tellerrand hinaus – ein Blick auf die ökonomischen Rahmenbedingungen.

Da zeigt sich, dass die Gegensätze zwischen der Finanzund der Realwirtschaft, zwischen dem Norden und dem Süden Europas sowie zwischen der Entwicklung unserer Exportmärkte und der Entwicklung des Binnenmarktes das wirtschaftspolitische Geschehen prägen und sich weiter verschärfen. Gerade was den letzten Punkt, nämlich den vermeintlichen Gegensatz zwischen Export und Binnenwirtschaft, angeht, scheint sich inzwischen auch in Deutschland eine etwas ausgewogenere Beurteilung durchzusetzen, was wir GRÜNE begrüßen.