Da zeigt sich, dass die Gegensätze zwischen der Finanzund der Realwirtschaft, zwischen dem Norden und dem Süden Europas sowie zwischen der Entwicklung unserer Exportmärkte und der Entwicklung des Binnenmarktes das wirtschaftspolitische Geschehen prägen und sich weiter verschärfen. Gerade was den letzten Punkt, nämlich den vermeintlichen Gegensatz zwischen Export und Binnenwirtschaft, angeht, scheint sich inzwischen auch in Deutschland eine etwas ausgewogenere Beurteilung durchzusetzen, was wir GRÜNE begrüßen.
Wenn Sie deshalb in Ihrer Antwort darauf hinweisen, dass die Handwerksbetriebe sich ergebende Exportchancen ergreifen, sage ich: Das ist zwar richtig; richtig ist allerdings auch, dass die deutsche Volkswirtschaft deutliche Leis
tungsbilanzüberschüsse aufweist, während unsere europäischen Partnerländer Leistungsbilanzdefizite zu verzeichnen haben. Deshalb ist in der gegenwärtigen Wirtschaftslage gerade die Binnennachfrage von großer Bedeutung. Derzeit kann das Handwerk gerade hier seine Chancen nutzen, und das macht es auch.
Mit Blick auf die Weiterentwicklung des europäischen Arbeitsmarktes und den Fachkräfteaustausch innerhalb Europas begrüßen wir es ausdrücklich, wenn die Transparenz und die Vergleichbarkeit europäischer Bildungsabschlüsse weiter verbessert werden, wie Sie das in Ihrer Antwort ankündigen. Das Handwerk liefert nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern es stellt auch hervorragendes Personal bereit.
Im letzten Ausbildungsjahr wurden im hessischen Handwerk 10.500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Ich möchte besonders hervorheben, dass nach wie vor über die Hälfte der Auszubildenden im Handwerk einen Hauptschulabschluss besitzt und dass der Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund im hessischen Handwerk 10 % beträgt und damit fast doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt.
Das Handwerk trägt mit seiner verlässlichen Ausbildungsleistung zur Kontinuität in der Berufsausbildung über alle Konjunkturzyklen hinweg bei. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich.
Gleichzeitig können wir nicht darüber hinwegsehen, vor welchen Herausforderungen das hessische Handwerk steht. Der Umsatz des Handwerks lag 2011 unterhalb des Umsatzes um die Jahrtausendwende. Die Mitarbeiterzahl ist in demselben Zeitraum ebenfalls zurückgegangen. Auch das Handwerk unterliegt ganz offensichtlich einem Strukturwandel.
Während die Betriebszahlen im Bau- und Ausbaugewerbe seit 1999 gestiegen sind, nimmt die Zahl der Betriebe des Nahrungsmittelgewerbes deutlich ab. Hier schlägt sich der Trend zu einer weiteren Filialisierung, beispielsweise bei Bäckern und Metzgern, brutal nieder. Das kann man als Zeichen funktionierenden Wettbewerbs sehen; es deutet aber auch auf ein Problem hin.
Meine Damen und Herren, eine weitere Herausforderung, vor der das Handwerk steht – das geht aus Ihrer Antwort klar hervor –, ist die unzureichende Eigenkapitalausstattung vieler Handwerksunternehmen. Mehr als ein Drittel aller Unternehmen muss mit einem Eigenkapitalanteil von unter 10 % wirtschaften. Das zeigt zum einen, dass, wie in der Gesamtgesellschaft, offensichtlich auch im Handwerk die Vermögenswerte ungleich verteilt sind, und zum anderen, dass da ein Problem besteht; denn die Programme zur Mittelstandsförderung, die die Landesregierung in ihrer Antwort schildert, mögen zwar akute Kapitalengpässe lindern, ersetzen aber eine bessere Eigenkapitalausstattung nicht.
Die Zahl der Existenzgründungen im hessischen Handwerk nimmt dennoch tendenziell zu, vor allem bei den zulassungsfreien Handwerken, z. B. bei den Gebäudereinigern, den Fliesenlegern und Raumausstattern. Der Zusammenhang liegt auf der Hand. Ich finde es zumindest bemer
kenswert – wir werden später sicherlich noch einmal darauf zurückkommen –, dass die Landesregierung in ihrer Antwort aus einer Studie zitiert, wonach kleine bis mittelgroße Handwerksbetriebe durch die Ausweitung von PPPVorhaben benachteiligt sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns nach den Herausforderungen vor allem über die Chancen sprechen. Sie selbst betonen die Chancen der Energiewende für das Handwerk. Da kann ich Ihnen nur sagen: willkommen in der Gegenwart.
Die dezentrale Energieversorgung durch erneuerbare Energien und energetische Gebäudesanierungen bringen den Klimaschutz voran und sichern den Beschäftigungsaufbau im Handwerk, vor allem in den kleinen, regional tätigen Unternehmen.
Solange die Atomkraftwerke vor sich hin liefen, haben Sie die Potenziale im Handwerk, die durch den Umstieg auf erneuerbare Energien sowie durch Energieeinsparungen und Energieeffizienz entstehen, nicht die Spur interessiert.
Im Gegenteil, Schwarz-Gelb – nicht nur im Bund, sondern auch unter tätiger Mithilfe der Hessischen Landesregierung – fügt Industrie und Handwerk durch das jahrelange Hin und Her großen Schaden zu. Der Ausbau der Windenergie und des Stromnetzes stocken, der Solarbranche werfen Sie gezielt Knüppel zwischen die Beine, und beim Thema Energieeinsparung und Energieeffizienz passiert viel zu wenig.
Die FDP will – wir haben es gestern erneut gehört – das Erneuerbare-Energien-Gesetz am liebsten abschaffen. Das ist ein Gesetz, das gerade dem Handwerk eine ungeheure konjunkturelle Dynamik beschert hat. Es abzuschaffen ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, und deshalb ist es kein Wunder, dass nach einer Umfrage der „Deutschen Handwerks Zeitung“ 52 % der Handwerksbetriebe meinen, die Regierung solle endlich klare Entscheidungen zur Energiewende treffen.
Wenn Sie in den Ihnen verbleibenden Monaten noch etwas Positives zur Entwicklung des Handwerks beitragen wollen, hören Sie auf, am EEG zu zündeln. Bewegen Sie Ihren Bundeswirtschaftsminister endlich dazu, seine Hausaufgaben zu machen, und lösen Sie die Bremsklötze, die Schwarz-Gelb – niemand sonst – dem Handwerk in Hessen und im Bund angelegt hat. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Klose. – Bevor ich Frau Kollegin Waschke von der SPD-Fraktion das Wort geben möch
te, begrüße ich auf der Besuchertribüne unsere ehemalige Kollegin Evi Schönhut-Keil sehr herzlich. Willkommen, liebe Evi.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Landau, Sie haben hier vorhin gesagt, die Handwerkskammern in Hessen haben in einer Pressemitteilung das CDU/FDP-Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz begrüßt. An der Stelle möchte ich Sie doch darauf hinweisen, dass die Vizepräsidenten der Hessischen Handwerkskammern durch die Reihe dieses Gesetz verurteilt haben und es ablehnen – nur damit wir Klarheit in der Sache haben.
In der Beantwortung der Großen Anfrage zur Situation des hessischen Handwerks sind viele Fakten aufgeführt, die auch wir als SPD-Fraktion ausdrücklich begrüßen, z. B. die herausragende Ausbildungsleistung des Handwerks oder die volkswirtschaftliche Bedeutung der kleinen, der mittleren, aber auch der kleinsten Betriebe, hier insbesondere der Kreativwirtschaft.
In der Antwort auf die Große Anfrage weist die Landesregierung allerdings auch auf Verbesserungspotenzial hin. An einer Stelle lesen wir – ich zitiere –:
Von besonderer quantitativer Bedeutung für die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Hessen ist die Verbesserung der Erwerbsquote von Frauen, insbesondere in Vollzeit.
Meine Damen und Herren, ja, das sehen wir ganz genauso. Aber wir fragen uns: Was brauchen wir noch dieses unsägliche Betreuungsgeld?
und den immer noch großen Problemen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Desaster für die hessische Wirtschaft, wenn man an den Fachkräftemangel denkt, Herr Kollege Greilich.
Im Abschlussbericht der Fachkräftekommission der Landesregierung ist dann auch wörtlich zu lesen – ich zitiere –:
Es wird empfohlen, Regelungen zu vermeiden, die darauf abzielen, den Verbleib im Privathaushalt zu fördern.
Meine Damen und Herren, diplomatischer kann man die Kritik an dem Betreuungsgeld nicht formulieren. Aber es trifft genau den Kern. Die 120 Millionen € für Hessen, die das Betreuungsgeld kosten wird, müssen wir dringend in Krippen, Kitas und gute Ganztagsgrundschulen investieren. Das ist nämlich das wirkliche Problem der Frauen.
Gäbe man den Frauen die Chance, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, wäre schon ein beachtlicher Bedarf an Fachkräften gedeckt. Das sagen alle Fachleute.
Im Westen Deutschlands arbeiten 50,7 % der Frauen in Teilzeit. Das „WSI GenderDatenPortal“ gibt als Grund Familienpflichten an. Viele Frauen wollen gar nicht in Teilzeit arbeiten. Aber sie müssen es, weil die Strukturen fehlen. Frauen, die Beruf und Familie vereinbaren wollen, brauchen passende Rahmenbedingungen. Sie brauchen gute und qualitätsvolle Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Mit dem geplanten Kinderförderungsgesetz von CDU und FDP in Hessen gefährden Sie aber eine qualitätsvolle Kinderbetreuung.
(Alexander Bauer (CDU): Es ist die falsche Rede, die Sie ablesen! – Judith Lannert (CDU): Thema verfehlt! – Wolfgang Greilich (FDP): Thema verwechselt, Frau Waschke! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)