Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

(Namensaufruf – Abstimmungsliste siehe Anlage)

Meine Damen und Herren, ist jemand der Abgeordneten nicht aufgerufen worden? – Dann stelle ich fest, dass jeder seine Stimme hat abgeben können. Ich schließe die namentliche Abstimmung und bitte, auszuzählen.

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder und gebe das Ergebnis bekannt. Mit Ja haben 46 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 64 Abgeordnete gestimmt, 8 waren nicht anwesend, sodass ich feststelle, dass der Antrag daher mit Mehrheit abgelehnt worden ist.

(Clemens Reif (CDU): Stimmt das?)

Herr Kollege, Sie können den Ältestenrat einberufen, wenn Sie wollen. Wir haben jetzt eine Verzögerung von 35 Minuten über den Zeitplan. Es ist ja Open End. – Können wir weitermachen? Es gibt hier keinen Mathematiklehrer.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen über die Errichtung und die gemeinsame Nutzung einer Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung – Drucks. 18/7008 –

Fünf Minuten Redezeit. Das Wort zur Einbringung hat Herr Staatsminister Hahn.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Sicherungsverwahrung beschäftigt uns in der deutschen Justizpolitik seit dem September des Jahres 2010 sehr intensiv. Einige von Ihnen, die Fachsprecher sowieso, werden schon zur Kenntnis genommen haben, dass gerade am heutigen Tag wieder eine weiter das Recht verfeinernde Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Themenbereich Sicherungsverwahrung ergangen ist.

Wir haben auf den verschiedenen Gebieten sowohl im praktischen, aber auch im rechtlichen wie auch im vertraglichen Bereich Änderungen vorzunehmen. Ich möchte Ihnen für die Landesregierung nunmehr den Entwurf für ein Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen über die Einrichtung und die gemeinsame Nutzung einer Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung vorstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Wort haben sicherlich gute Juristen gefunden, und ich möchte es jetzt ein bisschen übersetzen, damit Sie es auch alle nachvollziehen können.

(Holger Bellino (CDU): Das ist sehr freundlich!)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 deutlich gemacht, dass die Sicherungsverwahrung in der bisherigen Form nicht durchführbar, weil verfassungswidrig und, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einige Monate vorher entschieden

hat, auch mit der Europäischen Menschenrechtscharta nicht vereinbar ist.

Uns wurde eine Frist gesetzt – uns, den Justizverwaltungen der Länder, aber auch uns, den Abgeordneten der Landtage und des Deutschen Bundestages –, entsprechende rechtliche Voraussetzungen zu schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber reden wir, wie ich gerade mitbekommen habe, wohl nach der Mittagspause, wenn wir das Gesetz hier in zweiter Lesung erörtern. Eine Teilmenge davon ist die Praxis. Und Praxis war von Anfang an die Auffassung der Hessischen Landesregierung; es war von Anbeginn an Auffassung des Staatssekretärs Dr. Kriszeleit und von mir, dass man erstens nicht alles 16- oder 15-mal neu erfinden muss und dass man zweitens, wenn es irgendwie geht, gemeinsame Aktivitäten mit anderen Bundesländern macht.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe mich auf der Justizministerkonferenz, die seinerzeit in Halle in Sachsen-Anhalt stattgefunden hat, gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen derart geäußert, dass ich darum bat, zu versuchen, nachher gemeinsame Lösungen in der Praxis der Sicherungsverwahrung zu organisieren. Man muss nicht in jedem Bundesland eine eigene Sicherungsverwahrungseinrichtung haben. Man muss auch die verschiedenen Möglichkeiten, die bei der Sicherungsverwahrung praktisch zu beachten sind, nicht in jedem Bundesland vorhalten, sodass wir – das war ein längerer Prozess – Ihnen heute als die fundamentalste Vereinbarung die mit dem Freistaat Thüringen vortragen.

Lassen Sie mich hier noch sagen, weil wir häufig – eben erst in der Debatte mit der Kollegin Puttrich – als bewundernde Zuhörer und Mitglieder dieses Hauses beobachten können, dass wir uns als Landesregierung manchmal der Kritik ausgesetzt sehen, die ein bisschen über den Wahrheitsgehalt hinausschießt. Ich bin schon stolz, dass die eine oder andere Presseerklärung insbesondere von den Fraktionen der Sozialdemokraten und der GRÜNEN, der Hahn habe sich beim Thema Zusammenarbeit wieder einmal – das kommt dann immer bei mir, das ist anscheinend so eine kleine, nicht mehr rational nachvollziehbare Folge – –

(Günter Rudolph (SPD): So larmoyant!)

Ich bin überhaupt nicht larmoyant. Ich bin stolz darauf, etwas gemacht zu haben, und ihr habt gemeint, ich würde es nicht schaffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Sozialdemokraten haben behauptet, ich würde es nicht schaffen, mit anderen Bundesländern eine Vereinbarung zu treffen, und diese liegt jetzt hier vor. Frau Kollegin Hofmann, wenn Sie jetzt in die Diskussion eingreifen – es gibt gerade Presseerklärungen, die mit Ihrem Namen verbunden sind –: Sie müssen sich schon gefallen lassen, dass ich mit Stolz festhalte: Wir haben begonnen, auf der Justizministerkonferenz in Halle den Kolleginnen und Kollegen anzubieten, zu versuchen, etwas gemeinsam zu machen. Wir haben jetzt in zwei Bundesländern Gemeinsamkeiten. Die fundamentalste und mit Abstand wichtigste ist die mit dem Freistaat in Thüringen.

Wir haben es mit dem gemeinsamen Engagement geschafft, dass wir gemeinsam ein Gebäude für die Sicherungsverwahrung auf dem Gelände der bisherigen Justizvollzugsanstalt in Schwalmstadt errichten können. Wir ha

ben es geschafft, dass wir die Baukosten, die einmal, wie Sie alle wissen, in der Planung in einen Bereich von über 20 Millionen € gerutscht sind, für eine gemeinsame Einrichtung auf ungefähr 12 Millionen € heruntergerechnet haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben eine Win-win-Situation für das Bundesland Hessen und für den Freistaat Thüringen hergestellt. Und Win-win-Situation heißt: sowohl für die Beschäftigten, natürlich auch für eine rechtsstaatliche Organisation der Sicherungsverwahrung und zum Dritten für den Steuerzahler. Das ist die Aufgabe, die die Landesregierung hat. Wir nehmen sie ernst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr auf die entsprechende Unterstützung in diesem Haus. Ich darf Ihnen sagen, dass ich gerade am gestrigen Tage aus einem vollkommen anderen Grund mit meinem Kollegen Justizminister Poppenhäger in Thüringen – er ist wie ich gebürtiger Kasselaner – telefoniert habe. Wir haben uns mit Freude daran erinnert, dass wir bereits am 20. Dezember für die Landesregierungen die Verträge unterschrieben haben. Jetzt bitte ich um die Unterstützung des Parlaments. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Ich eröffne die Aussprache. – Das Wort hat Frau Kollegin Hofmann für die SPD-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt wollen wir klarstellen, was wir alles falsch gemacht haben! – Gegenruf des Ministers Florian Rentsch: So viel Zeit haben wir nicht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin über den Wortbeitrag des Justizministers schon etwas irritiert. Denn ich habe an dieser Stelle eine staatstragende Rede und nicht die Beschimpfung der Opposition erwartet.

(Günter Rudolph (SPD): Das kann er nicht! – Minister Florian Rentsch: Das kann er auch!)

Aber das können Sie wahrscheinlich nicht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo nichts ist, kannst du auch nichts erwarten!)

Nun komme ich auf das Thema zu sprechen. Um was es geht, wurde eben schon vom Justizminister dargestellt. Auch wir begrüßen als SPD-Fraktion in der Tat die gemeinsame Unterbringung der Sicherungsuntergebrachten aus Thüringen und Hessen in Schwalmstadt, zum einen deshalb, weil erhebliche Synergien genutzt werden können, aber natürlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Da können wir schon unterscheiden und differenzieren. Das, was hier mit dem Staatsvertrag vorgelegt wird, ist absolut sinnvoll und findet unsere Unterstützung.

Das, was Sie am 18. Mai 2011 vorgeschlagen haben, war aber absoluter Kappes. Es war in der „Bild“-Zeitung zu lesen. Da haben Sie – so kennen wir Sie ja – großkotzig einen Superknast gefordert.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)

Das muss man einmal so sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie wollten einen Superknast in Hessen, am besten noch für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Das ist Kappes, weil es fachlich überhaupt nicht sinnvoll gewesen wäre. Glücklicherweise ist, wie wir heute wissen, daraus nichts geworden.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Denn man kann natürlich nicht für ganz Deutschland in einem Bundesland so eine Einrichtung schaffen. Man sollte das auch nicht tun.

Was jetzt vorgelegt worden ist, ist vernünftig. Es sollen 60 Plätze für Thüringen und Hessen geschaffen werden.

Sie haben es selbst angesprochen. Natürlich muss auch noch einmal an Ihre Fehlplanung erinnert werden, die die Kosten nach oben getrieben hat. Glücklicherweise kommen wir jetzt davon etwas herunter. Es war Ihre Fehlplanung. Es waren fehlerhafte energetische Berechnungen und fehlerhafte Berechnungen hinsichtlich der Zimmergröße der Sicherungsuntergebrachten, die die ursprünglich vorgesehenen Kosten nach oben getrieben haben.

Das sieht jetzt glücklicherweise etwas anders aus. Ich muss an dieser Stelle trotzdem noch einmal etwas Wasser in den Wein gießen. Denn wir wissen in der Tat noch nicht, was die kurzfristige Unterbringung der Sicherungsuntergebrachten in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt den hessischen Steuerzahler kosten wird. Wie Sie alle wissen, müssen die Sicherungsuntergebrachten ein Jahr lang in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt untergebracht werden, da wir durch Ihre Fehlplanung viel Zeit verloren haben.

In der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt muss natürlich auch umgebaut werden. Das kostet zusätzlich Geld. Das erfordert zusätzliche Strapazen für die Bediensteten, die aus Schwalmstadt kommen und in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt arbeiten müssen. Sie müssen hin- und herpendeln. Zum Teil sind sie trotz Familien in Weiterstadt interimsmäßig untergebracht. Das sind zusätzliche Strapazen.

(Hartmut Honka (CDU): Was wollen Sie denn?)

Da wird natürlich auch zusätzlich Geld des Steuerzahlers benötigt. Das hätten wir auch anders haben können.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Aber zur Güte will ich noch einmal etwas zum Staatsvertrag sagen, dem wir zustimmen werden, weil er in die richtige Richtung geht. Ich habe schon gesagt, dass da Synergien genutzt werden, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Es ist auch konsequent, dass er auf Dauer angelegt ist. Bei so einer Einrichtung muss man das auf Dauer anlegen. Das sieht man an der Kündigungsregelung oder auch an der Vertragslaufzeit.