Das Gleiche erleben wir doch auch bei der Diskussion um den Pferdefleischskandal oder jetzt bei den Ökoeiern. Würden Sie denn sagen, dass wir jetzt sämtliche Ökobetriebe, die Produkte falsch deklariert oder unter falschen Voraussetzungen produziert haben, an den Pranger stellen?
Wir tragen für die Unternehmen Verantwortung. Wir müssen verantwortungsbewusst mit dem Standort Deutschland und mit dem Standort Hessen umgehen. Auch mich ärgert es, dass es immer wieder Unternehmen gibt, die gegen geltendes Recht verstoßen. Dagegen helfen aber die Kontrollen, die wir haben. Unser Rechtsstaat wird solchem Vorgehen Einhalt gebieten. Da stehen CDU und FDP Seite an Seite mit dem Rechtsstaat.
Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Bocklet von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schaus, die Aktuelle Stunde der LINKEN hat, im Kern betrachtet, zwei Teile, zum einen die Beurteilung der Vorgänge um Amazon und zum anderen die Frage, ob das etwas mit den Hartz-Gesetzen zu tun hat. Es geht dabei übrigens nicht um Hartz IV, sondern um Hartz I. Sie haben vielleicht an Hans Hartz, an sein Lied „Die weißen Tauben sind müde“, gedacht. Das ist aber ein anderes Thema. Es geht um die Hartz-Gesetzgebung, und zwar um Hartz I.
Ich glaube, das Haus hat gestern aus gutem Grunde eine klare und eindeutige Ansage gemacht, hat ein klares und eindeutiges Zeichen gesetzt, als es um die Vortäuschung falscher Tatsachen ging, mit denen man Arbeiter nach Deutschland, nach Hessen geholt und die Situation dieser Angestellten dann massiv ausgenutzt hat, indem man sie mit einem Sicherheitsdienst konfrontierte, der mit rechtsextremem Einschlag agierte, sie hat überwachen lassen, sie drangsaliert hat. Mein Kollege Klose, wir GRÜNE und das gesamte Haus haben ein deutliches Zeichen gesetzt, dass der Hessische Landtag nicht bereit ist, solche Zustände zu tolerieren.
Herr Schaus, lassen Sie mich noch einmal darauf eingehen. Wir GRÜNE waren bei der Verabschiedung der Hartz-Gesetze in der Bundesregierung vertreten. Wir mussten viele Kompromisse schließen. Damals wie heute gilt: Wer ein Gesetz verabschiedet, muss die Größe haben, darüber nachzudenken, welche Fehler dabei gemacht worden sind. Er muss evaluieren, was falsch gelaufen ist. – Dazu brauchen wir keine hämischen Kommentare wie die, die meist von Leuten der FDP kommen, die wild und hysterisch winkend sagen: Das haben doch Sie verabschiedet.
In der Tat braucht man die politische Größe, festzustellen, bei Hartz I, bei der Leiharbeit hat man verschiedene Regularien vergessen. Lassen Sie mich das an zwei oder drei Punkten klarmachen. Die Leiharbeit sollte Auftragsspitzen in Unternehmen abfedern. Das war das Ziel, der Zweck der Leiharbeit. Wenn wir jetzt aber feststellen, dass Leiharbeit dazu missbraucht wird, Stammbelegschaften kollektiv und
Wir wissen von mehreren Unternehmen, dass mittlerweile bis zu 25 % der Belegschaft Leiharbeiter sind. Das kann so nicht weitergehen.
Zweitens. Wir stellen fest, dass diese Leiharbeiter nicht dieselben Rechte wie Festangestellte haben. Dazu sagen wir: Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine höhere Flexibilität haben müssen und damit ein höheres Risiko tragen, noch nicht einmal die gleichen Rechte haben wie ihre Kollegen. Auch das kann so nicht bleiben, das muss man ändern.
Drittens. Es kann auch nicht sein – Stichwort: Equal Pay –, dass Menschen dieselbe Arbeit ausführen, dafür aber unterschiedlich viel Lohn bekommen. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Auch das muss reguliert werden.
Wenn diese drei Stellschrauben um einen vierten Punkt ergänzt werden, dass wir uns nämlich Gedanken darüber machen müssen, wie wir das quotieren, wie viele Zeit- und Leiharbeiter die Unternehmen überhaupt einstellen dürfen, und wenn wir diese vier Stellschrauben nachjustieren, dann wird die Zeit- bzw. Leiharbeit nach wie vor ihren Sinn erfüllen, dass Auftragsspitzen abgefedert werden können. Man darf aber das Kind nicht mit dem Bad ausschütten und die gesamte Hartz-Gesetzgebung zurückziehen, Herr Kollege Schaus.
Ich habe versucht, das Thema in aller Sachlichkeit zu behandeln. Man könnte das auch noch ein bisschen zuspitzen, Herr Kollege von den LINKEN: Selbst wenn es draußen regnet, sind die Hartz-Gesetzgeber schuld. Im Prinzip finden Sie bei allem, was gerade schlecht läuft, einen Dreh, um es mit der Hartz-Gesetzgebung zu verbinden. Ihr Existenzrecht beruht auf der Hartz-Gesetzgebung. Seien Sie froh, dass es die Hartz-Gesetze gibt, sonst würden Sie heute nicht hier sitzen, Herr Kollege Schaus.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich muss nicht hier sitzen!)
Scherz beiseite. Ich glaube in der Tat, dass wir bei vielen Punkten der Hartz-Gesetzgebung nachjustieren müssen. Wir haben uns auch über Hartz IV unterhalten, über die Höhe der Regelsätze, und über viele andere Fragen, die bei Hartz I, Hartz II, Hartz III und Hartz IV angesprochen worden sind. Wir brauchen die Größe, in aller Seriosität zu evaluieren und zu schauen, wo wir Nachbesserungen vornehmen müssen. Wir sollten aber Skandale in Unternehmen nicht dazu nutzen – wir wissen, es gibt noch mehr Unternehmen, die so verfahren –, sinnvolle Gesetze komplett abzuschaffen. Ich denke, das ist unseriös. Diesen Weg gehen wir nicht mit, Herr Kollege Schaus.
Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Grüttner. Bitte schön, Herr Grüttner.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich fange mit dem Teil der Aktuellen Stunde an, die sich mit der Hartz-Gesetzgebung beschäftigt. Es sind in der Tat mehrere Hartz-Gesetze, die zur Diskussion stehen. Man muss wieder einmal verdeutlichen, dass der Hessische Landtag an dieser Stelle überhaupt keine Kompetenz hat. Das muss man immer wieder sagen.
Gleichzeitig muss man sagen, dass mit der Fortentwicklung der Hartz-Gesetzgebung ein wichtiger Beitrag für den deutschen Arbeitsmarkt geleistet worden ist. Der Antrag sagt aber nichts dazu, was an die Stelle der Hartz-Gesetze treten soll. Insofern muss man sich darüber schon Gedanken machen.
Vielleicht darf man einmal in Erinnerung rufen, dass mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz modernisiert worden ist. Es wurden das besondere Befristungsverbot, das Synchronisationsverbot, das Wiedereinstellungsverbot und die Beschränkung der Überlassungsdauer erlassen, alles richtige und für die Arbeitnehmer wichtige Maßnahmen, denn damit konnten die Qualität und die gesellschaftliche Akzeptanz von Leiharbeit erhöht werden.
Leiharbeit – das habe ich gestern schon gesagt – hat einen ganz wesentlichen Beitrag dafür geleistet, dass unser Arbeitsmarkt in einer guten Situation ist. Wir haben es geschafft, dass Menschen aus der Arbeitslosigkeit in reguläre Beschäftigungsverhältnisse gekommen sind.
Weitere Gesetzgebungsmaßnahmen sind im Hinblick auf Minijobs verabschiedet worden. Dann ist die Ich-AG geschaffen worden; es folgte die Verabschiedung der Gesetze für Existenzgründer. Mit dem Hartz III haben wir eine Restrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit zu einem modernen Dienstleister auf dem Arbeitsmarkt vorgenommen, und mit Hartz IV ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende eingeführt worden. Das ist ein enormer Fortschritt.
Deshalb sage ich an dieser Stelle: Ich teile die Auffassung, dass man Dinge in ihrer Fortentwicklung überprüfen muss; aber man muss auch konstatieren, dass diese Gesetzgebung für den deutschen Arbeitsmarkt ein wesentlicher Fortschritt war. Deswegen freue ich mich, dass Herr Decker jetzt sagt, dass ihm die LINKEN auf den Senkel gehen. Wenn Sie jetzt auch noch erklären würden, Sie paktieren mit denen nicht, wäre es noch viel besser, meine Damen und Herren von der SPD.
Das werden Sie natürlich nicht sagen, denn Sie wollen mit denen paktieren. An der Stelle ist Ihnen auch egal, welch abstruse Forderungen von deren Seite erhoben werden.
Deswegen will ich an dieser Stelle auf zwei Sätze eingehen, die Herr Decker gesagt hat. Zum einen zu dem untaugliche Versuch, einen Widerspruch zu konstruieren. Sie wissen doch – spätestens von gestern auf heute hätten Sie es nachlesen können –, für das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist die Bundesagentur für Arbeit, für die Vermittlung von spanischen Leiharbeitern die zentrale Arbeitsvermittlung in Düsseldorf zuständig gewesen. Für die Beaufsichtigung des Dienstleisters Trenkwalder – oder wie immer man ihn nennen will – sind die bayerischen Kollegen zuständig. An der Stelle ist es also richtig, wenn der Herr Ministerpräsident gesagt hat: Der Fokus liegt auf Amazon. Amazon muss aufklären. Missstände akzeptieren wir nicht. Missstände müssen abgestellt werden.
Ganz spannend finde ich, dass Herr Decker, als er die Ergebnisse der Arbeitsschutzbegehung und einer entsprechenden Überprüfung hier dargestellt hat, sagte, es gebe eine riesige Mängelliste.
Ja, das ist mir klar, aber Sie wissen doch gar nicht, um welche Inhalte es sich handelt. Deswegen wäre ich an dieser Stelle mit einer solchen Behauptung sehr vorsichtig.
Es bleibt bei dem, was ich Ihnen gestern gesagt habe. Das Ergebnis der Arbeitsschutzüberprüfungen ist: An einer Stelle muss man den Sicherheitsbeauftragten etwas mehr schulen. Man muss möglicherweise auch noch einmal eine Aufklärung machen, sowohl für direkt Beschäftigte als auch für Leiharbeitnehmer. Aber insgesamt ist weder für Generalverdächtigungen noch für sonst irgendetwas Platz. Das ist das Ergebnis, und das muss man an der Stelle sagen.
Natürlich ist intensiv über diese Fragen diskutiert worden. Das sage ich Ihnen noch einmal. Aber das mache ich nicht in der Öffentlichkeit; denn an der Stelle bringt das nichts. Es geht z. B. um die Frage, warum eigentlich Leiharbeiter eingestellt worden sind. Ich habe natürlich auch bei der Bundesagentur für Arbeit nachgefragt: Ihr habt doch schon im letzten Jahr über 200 spanische Leiharbeiter an Amazon vermittelt. Was hat sich im Vergleich zu ihnen an der Situation der 68 Leiharbeiter geändert, die in diesem Jahr gekommen sind?
Es habe sich etwas beim Anstellungsträger geändert. Das wird so nicht akzeptiert, und es ist auch nicht nachvollziehbar, was für Erklärungen Amazon an dieser Stelle abgegeben hat. Die Bundesagentur für Arbeit hat Folgendes gemacht: Sie hat die bei Amazon und die bei dem Dienstleister abgeschlossenen Arbeitsverträge daraufhin kontrolliert, ob es die gleichen sind.
Sie hätten diese Vermittlung nicht vorgenommen, wenn es nicht eine entsprechende Synchronisierung gegeben hätte. Ich habe die Gehaltsabrechnung eines bei Amazon direkt Angestellten und die eines Leiharbeiters vorliegen. Es stellt sich immer die Frage, ob man eine Brutto- oder eine Nettobetrachtung macht. Das ist eine Nettobetrachtung.
Abgesehen von allen zu verurteilenden Sachverhalten – das will ich jetzt nicht wiederholen – kann man nicht von einem ausbeuterischen Vertrag reden, und man kann auch nicht sagen, dass dabei weniger herausgekommen ist. Auf dieser Grundlage war es netto sogar etwas mehr als bei den direkt Angestellten.
Das entschuldigt nicht die Einschaltung eines Sicherheitsdienstes, und das entschuldigt auch nicht die Mängel bei der Unterbringungsqualität. Man muss es an der Stelle so machen wie die ver.di-Betriebsgruppe: Missstände aufklären und abschaffen, aber nicht alles verunglimpfen, was gemacht worden ist.
(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Herr Minister, zitieren Sie einmal den Rest der zweieinhalb Seiten!)
Vielen Dank Herr Staatsminister Grüttner. – Es liegen uns keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten worden.
Es wurde vereinbart, dass der Antrag der Fraktion die LINKE betreffend massive Vorwürfe gegen das Online-Versandhaus Amazon erfordern eine sofortige Prüfung und ein sofortiges Einschreiten durch Landesregierung und Behörden sowie eine Neuausrichtung der Unternehmenspolitik durch Amazon, Drucks. 18/7014, an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen wird. – Dann machen wir das so.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Leistung belohnen – Defizite beheben: Sitzen- bleiben muss als pädagogische Maßnahme an hessi- schen Schulen aufrechterhalten werden – rot-grüne Gleichmacherei schadet Schülerinnen und Schülern) – Drucks. 18/7040 –