Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Ich sehe die gesamten Einladungen, die von der SPD mit Herrn Merz als Referenten kommen. Schade, dass Sie trotz dieser ganzen Veranstaltungen immer noch nicht gemerkt haben, dass durch das Kinderförderungsgesetz kein Platz, keine Gruppe, sondern ein Kind gefördert wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist eine kindbezogene Förderung, keine platzbezogene Förderung.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Genau das ist das Missverständnis, Herr Minister!)

Schade, dass Sie bisher immer noch nicht zur Kenntnis genommen haben, dass durch das Kinderförderungsgesetz keine Öffnungszeiten festgelegt werden, sondern dass die Träger die Öffnungszeiten festlegen und dass das, was Sie momentan als Rückschritt ansehen, gängige Praxis in Hessen durch die Fortschreibung der bisherigen Förderung ist,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

wie wir Kinder auch unterschiedlich fördern, je nach Länge ihrer Betreuungszeit. Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird kein Kind besonders gefördert, wenn es 50, 60 oder 70 Stunden betreut wird, sondern die Kappungsgrenze liegt auch jetzt bei 35 Stunden, wie es im Kinderförderungsgesetz auch in Zukunft der Fall sein wird.

Was von Ihnen möglicherweise immer noch nicht verstanden wird, ist die Frage: Was ist der Betreuungsmittelwert? – Der Betreuungsmittelwert – es gibt unterschiedliche Stufen – der letzten Stufe, 42,5 Stunden, zeigt die Betreuungszeit zwischen 36 und 50 Stunden. Die Hälfte davon, die Mitte – deswegen heißt es Betreuungsmittelwert –, zeigt an, wie viele Fachkräfte pro Kind in dieser Zeit eingesetzt werden sollen.

Jetzt kennen Sie doch Ihren Wahlkreis. Sie kennen Ihr Gebiet. Schauen Sie doch einmal nach Laubach. Ist das Ihr Wahlkreis?

(Gerhard Merz (SPD): Nein! – Thorsten SchäferGümbel (SPD): Das ist meiner und der von Herrn Bouffier!)

Schade. Ihrer? Das wusste ich nicht genau. Ich finde – das liegt wahrscheinlich am direkt gewählten Abgeordneten –, dass dort eine unglaublich gut funktionierende Betreuungsarbeit geleistet wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Thorsten SchäferGümbel (SPD))

Wenn es Herr Merz gewesen wäre, hätte ich anders geantwortet und gesagt: trotz des Abgeordneten.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil Sie keinen Stil haben, Herr Minister! – Gegenruf der Abg. Judith Lannert (CDU): Das gilt für Sie aber auch!)

Herr Wagner, mit Ihnen rede ich gar nicht, weil das, was Sie heute geboten haben, jenseits von Gut und Böse ist. Insofern muss ich mich mit Ihnen gar nicht auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Die Gemeinde Laubach betreibt beispielsweise keine einzige kommunale Kindertagesstätte, sondern sie betreibt sie ausschließlich in Zusammenarbeit mit frei-gemeinnützigen und kirchlichen Trägern, im Wesentlichen mit der Diakonie bzw. mit der evangelischen Kirche. Die haben verlängerte Öffnungszeiten. Das ist auch in Ordnung. Wissen Sie, wie sie diese Öffnungszeiten abdecken? Sie decken sie in den Randzeiten morgens zwischen 7 Uhr und 8:30 Uhr und nachmittags zwischen 16:00 Uhr und 17:30 Uhr ab, indem sie nicht etwa fünf Jahre lang ausgebildete Erzieherinnen in die Kindertagesstätte holen, sondern eine Tagesmutter, die eine Qualifikation von 45 Stunden hat, die Sie gerade eben als schwierig bezeichnet haben. Sie haben gesagt, die kommt, weil sie die Kinder betreut, erst einmal mit ihren Kindern in die Kindertagesstätte. Dort kommen die Kinder aus der Kindertagesstätte mit dazu. Wenn dann der Gruppenbetrieb voll funktioniert, geht die Tagesmutter mit ihren Kindern in ihren Bereich. Die Erzieherinnen in der Kindertagesstätte machen ihre Arbeit,

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

und nachmittags, wenn das der Fall ist, kommt wieder diese, von Ihnen als unqualifiziert bezeichnete Tagesmutter und macht genau das Gleiche. Ich sage: Das ist beispielhaft für ganz Hessen. Das hat nichts mit minderer Qualität zu tun,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

sondern das hat etwas damit zu tun, wie man etwas flexibel machen kann. Auch diesen Weg geht das Kinderförderungsgesetz. Qualität und Betreuungssicherheit: Ich finde, deswegen ist es nach wie vor ein gutes Gesetz.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Minister. – Jetzt hat sich Herr Kollege Merz für die SPD-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Herr Merz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war darauf eingestellt, keine zweite Runde mehr zu machen. Aber wenn er sich so aufregt, wie er sich immer aufregt, dann muss man hier schon noch einmal etwas sagen.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen!)

Herr Minister, niemand hier hat die Arbeit von Tagespflegepersonen schlechtgeredet. Das hat niemand getan. Ich habe nur die Frage gestellt – dabei bleibe ich auch –, was man im Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder als Fachkraft bezeichnet, ob von diesem Begriff

(Minister Stefan Grüttner: Nicht zurückrudern!)

ich rudere gar nicht zurück; ich stelle klar, was Sie hier falsch dargestellt haben – abgewichen werden soll oder

nicht. Natürlich ist es für den strikten Begriff der Fachkraft in einer Einrichtung eine Abweichung. Sonst würden Sie diesen Sachverhalt doch nicht extra in Ihrem Gesetz regeln. Natürlich ist es eine Abweichung, wenn ich eine Person nehme, die nicht dem Fachkräftebegriff entspricht, wie er in dem Paragrafen definiert ist, unter der Maßgabe, dass sie eine etwa 200 Stunden betragende Fortbildung über zwei oder drei Jahre machen soll, wie in der Begründung steht. Das ist die Frage, um die es hier geht.

Was Sie am Beispiel der Stadt Laubach geschildert haben, ist der Einsatz von Tagespflege in einem besonderen Setting, nämlich im Kontext einer Einrichtung. Das ist aber etwas vollkommen anderes, weil das Tagespflege bleibt. Das ist woanders geregelt. Da gelten andere Fachkraftbestimmungen, über die auch zu reden wäre.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Aber das hat mit der Debatte, die wir über den Fachkräftebegriff und über die Fachkräfterealität führen, gar nichts zu tun. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie endlich einmal aufhören würden, Dinge zu behaupten, die von uns niemand gesagt hat.

Weil ich gerade dabei bin: Noch einmal zum Thema Desinformierung. Herr Minister, ich habe bisher noch keine Gelegenheit dazu gehabt. Sie haben bei anderer Gelegenheit, nämlich bei Ihrer Nominierung als Wahlkreisabgeordneter für Offenbach, laut einem Bericht der „OffenbachPost“ gesagt: Wenn Rot-Grün die Regierung in diesem Land übernimmt, dann droht noch mehr Bevormundung, dann kommt der Kindergartenzwang.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich habe an diesem Pult – ich rufe Frau Kollegin Wiesmann als Zeugin dafür auf – mehrmals erklärt, dass wir den Kindergartenzwang für rechtswidrig und verfassungswidrig halten und dass wir ihn deswegen nicht wollen.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das habe ich auch in Ihrem Beisein gesagt. Ich fordere Sie jetzt auf, weil wir schon bei Desinformierung und falschen Behauptungen sind, das von diesem Pult aus zu widerrufen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Schott gemeldet. Bitte schön, Frau Schott, Sie haben das Wort.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ohrenschützer! – Janine Wissler (DIE LINKE): Nicht darauf eingehen!)

Die Niveaulosigkeit, die die Zwischenrufe erzielt haben, ist kaum noch zu toppen. Geistvolle Zwischenrufe finde ich durchaus anregend. Aber Ihre Niveaulosigkeit finde ich heftig beeindruckend. Unterirdischer geht es nicht mehr.

(Peter Beuth (CDU): Sie stehen ja gerade da vorne! So weit wäre ich jetzt gar nicht gegangen! So viel Selbstkritik hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut!)

Herr Minister, ich habe vorhin sehr deutlich beschrieben – auf Ihre Aufforderung hin sogar vorgelesen –, was Ihre Fraktion aufgeschrieben hat, unter welchen Bedingungen jemand in einer Kita arbeiten kann. Beantworten Sie mir doch bitte die Frage, ob diese Beschreibung auf Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger sowie Sozialassistentinnen und Sozialassistenten zutrifft. Wenn dem so wäre – wir sind uns sicher darüber einig, dass die Ausbildung mit fünf Jahren eine wirklich gute Ausbildung ist, wie sie zurzeit gestaltet ist –, dann frage ich mich ernsthaft, warum junge Menschen noch die fünfjährige Ausbildung machen sollen, wenn sie mit der zweijährigen Ausbildung auch eine Stelle bekommen können und damit auch die Akzeptanz haben. Das nämlich fragen die Menschen in den Erzieherinnenund Erzieherschulen: warum sie sich noch durch fünf Jahre Ausbildung quälen sollen. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann fragen Sie die Menschen in Ihrer Fraktion, die dabei waren und diese Frage eines empörten jungen Mannes gehört haben, der gesagt hat: Ich muss ja wohl blöde sein, wenn ich diese Ausbildung zu Ende mache.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Schott. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Bocklet gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Grüttner hat zum Thema U-3-Quantität, Betreuungsplätze gesagt, es fehlen noch 2.000 Plätze zur 35-prozentigen Quote. Damit hat er richtig gerechnet, was die 35-prozentige Quote betrifft. Er hat aber nicht erwähnt, dass er eine eigene Studie in Auftrag gegeben hat, bei der über die Jugendämter abgefragt wurde, wie hoch der reale Bedarf für Betreuung von Kindern unter drei Jahren ist

(Minister Stefan Grüttner: Das habe ich doch ge- sagt!)

ich komme dazu, Herr Minister –, und zwar zum 1. August 2013 und nicht darüber hinaus. Darüber hinaus ist die Zahl eine viel höhere, nämlich 74.000. Über die reden wir gar nicht. Ich rede darüber, dass es in diesem Land nur eine seriöse Berechnung zur Betreuung von Kindern unter drei Jahren gibt. Das ist die von Ihrem Haus in Auftrag gegebene Abfragung. Diese Berechnung beläuft sich auf 58.000 Plätze, Herr Minister, auf 58.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zum 1. August 2013.

Sie haben auf meine Nachfrage im Sozialpolitischer Ausschuss gesagt: Wir haben momentan 50.000 Plätze. – Eine einfache Addition ergibt, dass da noch 8.000 Plätze fehlen, sechs Monate vor Inkrafttreten des U-3-Rechtsanspruchs. Es fehlen 8.000 Plätze. Sind wir uns da einig? Schaffen wir es, 58 minus 50 zu rechnen?

(Minister Stefan Grüttner: Das traue ich Ihnen zu!)

8.000 Plätze fehlen zum 1. August 2013. Das ist eine sehr schmähliche Bilanz. Ich weiß, dass man da unruhig auf dem Stuhl hin und her rutscht. Aber es ist die Wahrheit, und erzählen Sie nicht, dass es weniger ist.