Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

(Günter Rudolph (SPD): Oh! Das gibt Ärger!)

Wenn andere nachgelesen hätten, was sie in dieser Sitzung von sich gegeben haben, hätten sie festgestellt, dass sie hier so dastehen, wie ich es mit einem Begriff beschreiben würde, den ich nicht verwenden darf: Es ist einfach ein bisschen Falschheit.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es gab einen Antrag der GRÜNEN, wonach der Landtag feststellen soll, dass die beiden Blöcke in Biblis sofort abgeschaltet werden. Was heißt denn „sofort“? Was sagen die LINKEN? Sie sprechen sich für die sofortige Stilllegung der beiden Blöcke aus.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, was wäre denn geschehen, wenn wir zu diesem Zeitpunkt gesagt hätten: „Wir machen das sofort, und dann nehmen wir uns aber zwei Wochen Zeit, z. B. für Anhörungen“? Die Frau Ministerin hat es vorgelesen; es war doch zu diesem Zeitpunkt bekannt. Welche weiteren Diskussionen hätten wir dann noch geführt? Sie haben darauf bestanden, dass die Blöcke sofort abgeschaltet werden, und auch wir wollten an dieser Stelle, dass Entscheidungen getroffen werden. Ich sage Ihnen nur: Nehmen Sie sich einmal Ihre Anträge vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch etwas pharisäerhaft von Ihnen, solche Vorwürfe zu erheben. Rot-Grün hat die vielen Auflagen des Ministers Weimar zur Gewährleistung der Sicherheit des Kernkraftwerks Biblis nicht umgesetzt.

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

Acht Jahre lang Pause, acht Jahre lang Nichtstun: Acht Jahre lang wurden die Auflagen, die Herr Weimar damals gemacht hat, nicht umgesetzt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Erst Minister Dietzel hat das wieder aufgegriffen. Wenn Sie sich heute hierhin stellen und kritisieren, dass Entscheidungen getroffen worden sind, die – das sage ich im Nachhinein – im Ausschuss damals in einem großen Konsens besprochen worden sind, erkläre ich: Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Art und Weise, damit umzugehen, ist dem Ernst der damaligen und auch der heutigen Situation nicht angemessen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Schmitt, die Halbwertszeit Ihrer Aussagen liegt nahezu bei null: Am nächsten Tag sind sie nichts mehr wert.

Schauen Sie sich einfach einmal das an, was Sie damals zu Biblis gesagt haben.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Eine Woche nach der Katastrophe standen wir alle unter dem Eindruck der Geschehnisse in Fukushima. Für uns alle stand der Wunsch der Menschen nach Sicherheit im Vordergrund: Wie können wir dem am schnellsten Rechnung tragen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist gehandelt worden.

Ich möchte hier auch noch auf etwas anderes verweisen: Aus dem Jahr 2008 stammt die Gott sei Dank nicht in Kraft getretene Ypsilanti-Koalitionsvereinbarung. Dort steht ganz locker, das Land werde Biblis A und B unter Berücksichtigung der Risiken neu bewerten. Es heißt, das Land setze sich für die baldige Abschaltung ein.

(Norbert Schmitt (SPD): Ganz genau!)

Es ging nicht darum, dass das sofort geschieht, sondern auch dort hat man erklärt, man müsse bestimmte Regularien einhalten. Herr Schmitt, wenn es nach Ihnen gegangen wäre – zumindest nach dem, was in dieser Koalitionsvereinbarung steht –, würde das Atomkraftwerk Biblis heute noch laufen.

(Norbert Schmitt (SPD): Ihr seid ja argumentativ völlig von der Rolle! – Weitere Zurufe von der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben im Ausschuss auch sehr intensiv über die Frage diskutiert, was eine solche Verfügung bedeutet. Uns war sehr wohl bewusst – das ist auch angesprochen worden –, es besteht das Risiko, dass Klagen eingereicht und Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Niemand in diesem Ausschuss hat gesagt: Wenn das Risiko besteht, dass Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, wollen wir das nicht.

Wenn Sie sich heute hierhin stellen und das behaupten, sage ich: Das hätten Sie damals machen müssen. Sie hätten sagen müssen: Liebe Frau Ministerin, liebe Mitglieder der Regierung, bitte treffen Sie keine Entscheidung, wenn nicht geprüft wurde, ob es wirklich keinen Schadenersatzanspruch gibt. – Nein, das haben Sie nicht gemacht. Sie haben gefordert, sofort zu handeln.

(Zurufe von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so sah es damals aus. Lesen Sie, wie gesagt, noch einmal die Bewertungen und die Diskussionen.

Ich komme auf die Ausschusssitzung zurück. Wir haben in der Sitzung des Ausschusses am 18. März 2011 sehr viel sachlicher und sehr viel ruhiger gesprochen. Die Fragen, die Sie in Ihren Berichtsanträgen gestellt haben, sind beantwortet worden. Ich meine, wir hatten eine sehr sachliche Diskussion. Sie war weitaus besser als der Klamauk, den Sie heute hier veranstalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise auch noch einmal darauf hin, dass RWE zu keinem Zeitpunkt irgendetwas gegen diese Verfügungen unternommen hat. Frau Puttrich hat es dargestellt. RWE hätte die Möglichkeit gehabt, die Wiederinbetriebnahme zu fordern. Das hätte man tun können; das ist die gleiche Frage. Ich glaube, auch bei RWE war man sich damals der Tatsache bewusst, dass es gesellschaftlich geboten war, die Entscheidungen zum Abschalten kurzfristig zu treffen. Ich denke, auch heute noch ist man sich bei RWE dessen bewusst.

Wenn eine Aktiengesellschaft auf der Grundlage des Aktienrechts den Klageweg beschreitet, nehmen wir das zur Kenntnis.

(Zurufe von der SPD)

Dann nehmen wir das Gerichtsurteil, das uns momentan nur als Urteil, nicht aber in der Begründung vorliegt, zur Kenntnis. Wir warten ab, bis die Begründung vorliegt. Dann schauen wir uns die Begründung an, und am Ende muss entschieden werden, wie das Land in dieser Frage weiter vorgeht.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, betrachten wir es politisch: Die Forderung, die damals vor allem von Ihnen, d. h. von der Opposition, gestellt wurde, schnellstmöglich zu handeln, ist in dem Bewusstsein, dass Risiken bestehen, erfüllt worden. Wie ebenfalls angedeutet worden ist, wissen wir auch, dies ist das erste Urteil in einer Reihe von Verfahren – die anderen stehen noch aus –, und offen ist die Frage, inwieweit andere Klagen gegebenenfalls Erfolg haben könnten.

Deswegen bleiben wir bei unserer Einschätzung: Erstens. Die Landesregierung hat damals schnell und richtig gehandelt. Zweitens. Es gibt auch keinen Weg zurück zur Kernenergie.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie hat richtig gehandelt? Was passiert denn, wenn die Landesregierung falsch handelt?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, wir müssen jetzt verbal abrüsten.

Ein Satz zum Schluss: Wir haben hier oft über die großen Beträge diskutiert, die wir momentan von den Menschen in unserem Land für die regenerativen Energien fordern. Bringen Sie bitte das alles in eine Relation zu möglichen Schadenersatzansprüchen. Wenn die Begründung des Urteils vorliegt, werden wir uns hier sicherlich noch einmal darüber unterhalten. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich Kollegin Wissler gemeldet.

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt kommt die Rücktrittserklärung! – Günter Rudolph (SPD): Einer muss die Verantwortung übernehmen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das vorneweg: Herr Stephan, ich werde nicht zurücktreten; denn ich habe die richtigen Fragen im Ausschuss gestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie sich jetzt hierhin stellen und sagen, die Landesregierung hätte Ihrer Meinung nach richtig gehandelt, dann frage ich mich wirklich, was passiert, wenn die Landesregierung Ihrer Meinung nach einmal einen Fehler macht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt auch noch der Opposition die Schuld an diesem Desaster zu geben, nach dem Motto: „Soll doch die Oppositi

on zurücktreten, weil sie die Regierung nicht von diesem Schwachsinn abhalten konnte“, das ist doch wirklich ungeheuerlich.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre letzte Bemerkung, dass Sie allen Ernstes sagen: „Jetzt habt euch mal nicht so; wir geben in den nächsten Jahren so viel Geld für erneuerbare Energien aus; dann können wir RWE doch auch 190 Millionen € in den Rachen werfen“ – was ist das für eine Aussage, Herr Stephan? Ich bitte Sie.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): So eine Truppe regiert das Land!)

In dem Protokoll kann man gut nachlesen, welche Fragen hier gestellt wurden, nämlich: Wie bewertet die Landesregierung die Klageabsichten von RWE und anderen Betreibern? Existieren rechtliche Bedenken bei der Landesregierung? Halten Sie Schadenersatzforderungen für möglich? Können Sie den Einnahmeverlust quantifizieren, der durch die Abschaltung von Biblis entsteht? – Das sind jede Menge Fragen. Dieses Protokoll ist umfangreich, und es besteht zum großen Teil aus Fragen und Antworten. Zu sagen, wir hätten diese Frage nicht gestellt, ist vollkommen absurd.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig ist, dass die Landesregierung in einem Dilemma war. Wer jahrelang herumrennt und erzählt, Biblis sei sicher, alles kein Problem, keine Mängel, der hat Erklärungsnot, wenn er auf einmal von einem auf den anderen Tag Biblis abschaltet. Das ist vollkommen klar. Sie hätten die Abschaltung mit Mängeln und Sicherheitsaspekten begründen müssen. Aber dann hätten Sie Ihre eigene Argumentation, die Sie noch die Woche vorher gebracht haben, ad absurdum geführt.

Frau Kollegin Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Sie haben wie eine Monstranz vor sich hergetragen: Biblis ist sicher. – Frau Ministerin, selbst in der Sitzung haben Sie noch erklärt, die Betriebssicherheit sei nicht gefährdet. Das ist Ihr Problem. Das ist Ihr Dilemma. Ich würde jetzt wirklich gern von Ihnen hören, was Sie zu den Aussagen Ihres Anwalts sagen, ob die Ihnen im Vorfeld bekannt waren. Frau Ministerin, dazu hätte ich gern eine Stellungnahme von Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)