Ich darf der antragstellenden Fraktion das Wort erteilen. Frau Kollegin Hofmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Bundesverfassungsgericht sei Dank, denn es hat bereits zum fünften Mal die Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften für verfassungswidrig erklärt. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung – deswegen gab es da keine Überraschung – hat das Bundesverfassungsgericht auch diesmal deutlich gemacht, dass nach Art. 6 Grundgesetz andere Lebensgemeinschaften in Bezug auf die Ehe eben nicht pauschal abständlich behandelt werden oder etwa mit geringeren Rechten ausgestattet werden dürfen. Es war also die Rechtsprechung, nicht die Politik, die das mehrfach deutlich gemacht und die Ungleichbehandlung beseitigt hat. Im Gegenteil, Sie von der CDU und der FDP – insbesondere von der CDU – sind es doch, die seit Jahren die Gleichstellung torpedieren und verhindern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Dr. Wagner ist da federführend!)
Dabei ist das doch keine Rechtsfrage, sondern eine politische Frage, die wir endlich angehen müssen und die wir von der SPD seit Jahren anprangern. Sie von der CDU haben jüngst, in einem Parteitagsbeschluss vom April letzten Jahres und in einem Parteitagsbeschluss von Dezember letzten Jahres, mit Unterstützung der Bundeskanzlerin Merkel die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit
der Ehe verhindert. Dabei hat der Ex-Verfassungsrichter Papier ganz klar attestiert – ich darf zitieren –:
Davon völlig unbeeindruckt zeigen Sie sich, Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Wagner, als ewig gestriger Betonkopf.
Ich darf Sie zitieren. Sie haben verlautbaren lassen, dass eine Gleichstellung von Ihnen nicht mitgetragen werde, denn Ehe und Familie stünden nach Art. 6 Grundgesetz unter dem besonderen Schutz des Staates. Nur so bleibe der fortwährende Bestand der Gesellschaft gesichert.
Die SPD fordert seit Langem eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht gemeinsam ein Kind adoptieren dürfen. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass eingetragene Lebenspartnerschaften im Gegensatz zu Ehen steuerrechtlich, erbrechtlich und im Versorgungsrecht diskriminiert werden. Das ist nicht länger hinnehmbar.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Seien Sie vorsichtig, damit Sie sich nicht noch eine Rüge einhandeln!)
Sie befinden sich mit Ihren Positionen nicht nur gesellschaftspolitisch im Abseits, sondern Sie missachten auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Meine Damen und Herren, was aber dem Fass den Boden ausschlägt, sind die Äußerungen der CDU-Bundestagsabgeordneten Frau Steinbach,
die mit den Worten – ich darf zitieren – „Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor den Verfassungsrichtern?“ unser höchstes Gericht und Verfassungsorgan auf eine unerträgliche Art und Weise angreift.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in den letzten Jahrzehnten einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung
Deutschlands als demokratischem Rechtsstaat, und es hat über die Einhaltung des Grundgesetzes sowie über die Durchsetzung der Grundrechte gewacht. Es hat maßgeblich zum Ansehen und zur Bedeutung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung beigetragen.
Deshalb fordere ich Sie als Verantwortliche der hessischen CDU auf – insbesondere Sie als CDU-Landesvorsitzender, Herr Ministerpräsident Bouffier –, sich von diesen undemokratischen und diffamierenden Äußerungen Ihrer CDUBundestagsabgeordneten zu distanzieren.
Lassen Sie mich noch einmal eines klarstellen: Wer die Integrität des Verfassungsgerichts angreift, greift die Verfassung selbst an.
Letzter Satz. – Eine demokratische Partei muss deshalb ein solches Verhalten in den Reihen ihrer Mitglieder beenden.
(Günter Rudolph (SPD): Vielleicht können Sie etwas zu Frau Steinbach sagen! – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Oder zu Ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph, ich werde zu Frau Kollegin Steinbach nichts sagen. Ich denke, wir sollten hier keine Äußerungen kommentieren, die in irgendwelchen Foren gemacht werden. Deswegen werde ich auch nichts zu Herrn Steinbrück sagen. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass die SPD das Fass tatsächlich noch einmal aufgemacht hat, nachdem sich ihr Kanzlerkandidat gestern wieder einmal danebenbenommen hatte. Ich denke: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Ich möchte auf die Sache zu sprechen kommen, um die es hier eigentlich geht: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung zur sogenannten Sukzessivadoption erneut die Rechte von eingetragenen Lebenspartnerschaften gestärkt. Für die Frage, um die es hier geht, ist eigentlich die Bundespolitik zuständig. Dennoch beschäftigt sich der Hessische Landtag heute damit.
Deswegen möchte ich noch einmal kurz für die Landesebene Stellung nehmen und klarstellen: Das, was auf der Landesebene geregelt werden konnte, ist umgesetzt oder befindet sich in der Umsetzung. Das heißt, die hessische Regierungskoalition hat in puncto Gleichstellung ihre Hausauf
Auf der Bundesebene gibt es momentan eine intensive Diskussion über diese Frage. Man kann ganz offen aussprechen – es bringt nichts, das zu verheimlichen; es weiß sowieso jeder –, dass das eine Frage ist, zu der CDU und FDP unterschiedliche Positionen einnehmen.
Um die Position der FDP darzustellen, möchte ich kurz aus unserem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2009 zitieren. Dort heißt es auf Seite 35:
Für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften wertvoll, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Verantwortungsgemeinschaften dürfen nicht diskriminiert werden. Wer gleiche Pflichten hat, verdient auch gleiche Rechte. Lebenspartnerschaften müssen mit der Ehe gleichgestellt werden, insbesondere im Steuerrecht, bei Adoptionen und im Beamtenrecht.
Es sind viele Punkte dabei, über die sehr emotional diskutiert wird. Insbesondere über das Thema Adoption wird sehr emotional diskutiert. Es geht darum, dass sich Menschen den lang gehegten Wunsch nach einem Kind erfüllen wollen.
Aber für mich ist diese Frage eigentlich zweitrangig. Für mich geht es nämlich in erster Linie um das Wohl des Kindes. Das muss gesichert sein.
Ich finde, wir müssen sicherstellen, dass Kinder eine Umgebung vorfinden, in der sie gut behütet und geliebt aufwachsen und sich bestmöglich entwickeln – kurzum: eine Umgebung, in der sie eine schöne Kindheit genießen können. Darum sollte sich die Diskussion in erster Linie drehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass dieses behütete Aufwachsen auch in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft gegeben sein kann.
Deswegen muss man sich die Frage stellen, ob das, was bei der Partnerschaft im vorliegenden Fall möglich ist – bei der die Partner schon lange zusammenleben –, nicht auch auf andere ausgedehnt werden kann: Sollte das, wenn feststeht, dass eine gute Entwicklungsumgebung vorhanden ist, nicht auch anderen Partnerschaften ermöglicht werden? Für mich ist das so. Ich denke, wenn das Wohl des Kindes Berücksichtigung findet, sollte die andere Frage zweitrangig sein.
Aber ich sage auch: Wir sollten uns in dieser Frage nicht immer von der Rechtsprechung antreiben lassen. Wir sind der Gesetzgeber. Frau Hofmann hat angesprochen, dass viele Entscheidungen zu diesem Komplex gefallen sind; das sei jetzt die fünfte gewesen. Ich habe nicht genau mitgezählt. Es sind auch noch andere Verfahren anhängig, bzw. es steht zu befürchten, dass sie eingeleitet werden.