Aber ich sage auch: Wir sollten uns in dieser Frage nicht immer von der Rechtsprechung antreiben lassen. Wir sind der Gesetzgeber. Frau Hofmann hat angesprochen, dass viele Entscheidungen zu diesem Komplex gefallen sind; das sei jetzt die fünfte gewesen. Ich habe nicht genau mitgezählt. Es sind auch noch andere Verfahren anhängig, bzw. es steht zu befürchten, dass sie eingeleitet werden.
Insofern denke ich, dass sich, wie es auch angekündigt ist, die Bundesregierung hierüber Gedanken machen sollte,
statt sich von der Rechtsprechung eine scheibchenweise Öffnung und Entwicklung – eine Taktik ist es nicht – diktieren zu lassen. Vielmehr sollten wir uns einmal Gedanken darüber machen und die ganze Thematik mit einem großen Wurf abräumen.
Deswegen möchte ich festhalten: Ich habe die Position der FDP dargestellt. Das ist die Position, mit der die FDP auch in die Verhandlungen auf der Bundesebene hineingehen wird. Das ist die Position, die wir in den Gesprächen, die in der Bundesregierung anstehen, vertreten werden. Ich bin mir sicher, dass es uns gelingen wird, eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu finden. Wir stehen zur Gleichstellung. Ich denke, die Bundesregierung wird hier verantwortlich handeln. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in der letzten Woche erneut deutliche Worte gefunden:
Der Ausschluss der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Es ist schon gesagt worden: Bereits in den vier vorangegangenen Urteilen hat das höchste deutsche Gericht deutlich darauf hingewiesen, dass die Ungleichbehandlung von verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Es ist gut, dass das Verfassungsgericht dies getan hat.
Ich kann direkt an der Argumentation des Kollegen Mick anknüpfen. Dieses Urteil stärkt vor allem die Rechte von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Es nimmt ihre Perspektive ein und stellt fest, dass sie keinerlei Vor- oder Nachteile erleiden, wenn sie bei einem homosexuellen Paar aufwachsen.
Schließlich, so das Verfassungsgericht, sei eine eingetragene Lebenspartnerschaft gleichermaßen auf Dauer angelegt und durch eine verbindliche Verantwortungsübernahme geprägt wie eine Ehe. Weiter heißt es:
Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe.
Wenn man es umgangssprachlich ausdrücken würde, könnte man sagen: Nur die Liebe zählt, die den Kindern entgegengebracht wird, nicht aber die sexuelle Orientierung ihrer Eltern.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Papier, weist bereits darauf hin, dass die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur eingetragenen Partnerschaft nicht mehr zu halten ist, weil keine einzige Ehe durch die Gleichbehandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft benachteiligt wird.
Herr Dr. Wagner, da geht Ihre Argumentation fehl. Denn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz schon deshalb gar nicht berührt sein kann.
Wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte aller bürgerlichen Ehen jedes Jahr zerbricht, dann drängt sich doch ohnehin die Frage auf: Wer gefährdet die traditionelle Ehe mehr, die Homosexuellen, die heiraten wollen, oder die Heterosexuellen, die ihre Ehe auflösen?
Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Union, Frau Klöckner, weist darauf hin, dass die steuerliche Ungleichbehandlung – gleiche Pflichten, nicht aber gleiche Rechte – schon rein logisch nicht durchzuhalten ist; Frau Wolff, Herr Rhein auf dem Bundesparteitag der CDU. Oder auch Frau Wiesmann am Freitag vergangener Woche in der „FAZ“ – Zitat –:
Die mit der eingetragenen Partnerschaft dokumentierte Einstandspflicht verdient dieselben steuerlichen Rechte wie die Ehe …
Zwei Drittel der Unionswähler sind für die völlige Gleichstellung. Selbst Herr Schäuble, Frau Merkel und Herr Kauder bewegen sich. Nur in der ersten Reihe der hessischen Union ticken die Uhren weiterhin anders. Herr Dr. Wagner hat dem Bundesverfassungsgericht bereits im Herbst vorgeworfen, es höhle das Grundgesetz aus. Ins gleiche Horn stößt die von allen guten Geistern verlassene Frau Steinbach, wenn sie fragt, wer eigentlich die Verfassung vor den Verfassungsrichtern schütze.
Wer vom Verfassungspatrioten zum potenziellen Fall für den Verfassungsschutz wird, sollte irgendwann darauf aufmerksam gemacht werden, dass er der Geisterfahrer ist und nicht alle, die ihm entgegenkommen.
Ich frage deshalb jeden Einzelnen in den Reihen der Regierungskoalition: Wie lange wollen Sie sich dieser Botschaft von Herrn Dr. Wagner noch widerspruchslos anschließen?
Denn jenseits der juristischen Argumentation sollten Sie eines nicht vergessen: Es geht in dieser Debatte um ganz konkrete Menschen, die füreinander, und manche auch für Kinder, in allen Höhen und Tiefen des Lebens Verantwortung übernehmen und denen Sie das Signal senden: Ihr seid für uns Menschen zweiter Klasse. Eure Liebe, die von euch gelebten Werte sind mit einem Makel behaftet.
Es mag Ihr politischer Herzenswunsch sein, Gleiches weiterhin ungleich zu behandeln. Politische Wünsche aber beeindrucken das höchste deutsche Gericht glücklicherweise nicht sonderlich. Die Gleichstellung ist kein Gnadenakt. Sie ist Verfassungsgebot. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal müssen wir uns im Hessischen Landtag mit Diskriminierung aufgrund sexueller Identität in unserem Land befassen. Wieder einmal müssen wir ganz klar festhalten: Selbstverständlich müssen alle Diskriminierungen homosexueller Menschen sofort beendet werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Kai Klose (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Frank Blechschmidt (FDP))
Dazu ist vielfach alles gesagt worden. Sie wissen, wo wir als LINKE stehen. Auffällig ist aber doch, an welcher Stelle die hessische CDU auf einmal das Grundgesetz wiederentdeckt.
„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“, darauf verweist Herr Dr. Wagner von der hessischen CDU uns alle. Herr Dr. Wagner, vielleicht könnten Sie Ihre Parteikollegin Abgeordnete im Deutschen Bundestag einmal auf einen anderen Artikel des Grundgesetzes hinweisen. Dort steht nämlich:
Doch zurück zu dem, worauf Sie, Herr Dr. Wagner, meinten, uns aufmerksam machen zu müssen, nämlich auf den besonderen Schutz der Familie im Grundgesetz. Einschlägige Kommentatoren schreiben diesem Art. 6 des Grundgesetzes die Funktion zu, die nachkommenden Generationen bestmöglich großzubekommen und diese vor einem unzulässigen Zugriff des Staates zu schützen.
Nun wissen wir alle, dass das so schon lange nicht mehr der Realität entspricht, weil nämlich nur ganz wenige diesen Schutz bekommen, und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung. Es gibt eine viel größere Diskriminierung im Land. Ich will darauf nachher noch kurz eingehen.
Der deutsche Staat bietet diesen Schutz der Kindheit, so sage ich einmal, bei Weitem nicht allen Kindern. Geschützt, oder besser gesagt: bevorzugt behandelt, wird vor allem die Ehe. Das Familienmodell der bürgerlichen Kleinfamilie dient als Grundlage und Schablone zur Umsetzung des Schutzes der Familie. Familie ist demnach da, wo Ehe ist. Ob Kinder da sind oder nicht, ist nicht so wichtig – und das im 21. Jahrhundert. Heraus fallen Alleinerziehende, Wohngemeinschaften, Regenbogenfamilien, Mehrpersonenbeziehungen – man muss ja nicht so weit gehen wie Herr Zastrow in der „FAS“ am vergangenen Sonntag; aber wir wissen, es gibt auch Mehrpersonenbeziehungen – und alle Familien, in denen Eltern ohne Trauschein leben.
In den vergangenen 30 Jahren – so dokumentiert die Statistik – hat die Anzahl der Eheschließungen beständig abgenommen. Der sehr, sehr geringe Prozentsatz der Verpartnerten hilft da auch nicht viel weiter. Die Anzahl der Kinder, die unehelich geboren werden und aufwachsen, nimmt stetig zu. Hier im Westen sind es gut 25 %. Die Lebensformen, in denen diese Kinder leben, sind bunt, vielfältig. Sie leben auch in Homoehen. Das ist gut so. Deswegen müssen wir uns Gedanken machen, wie wir den Auftrag des Grundgesetzes auf staatlichen Schutz des Großziehens von Kindern modern angehen.
Im Jahr 2013 müssen wir diesen Grundgesetzauftrag so verstehen, allen Kindern seien gleiche Bedingungen zu schaffen. Denn oft spielt für ein Kind seine soziale Situation die viel größere Rolle als die Rechtsstellung seiner biologischen oder nicht biologischen Eltern. Widmen wir uns auch dieser Diskriminierung; denn wir wissen alle, je nach Studie und Definition von Armut, dass jedes sechste Kind – nach Unicef – oder jedes achte Kind – nach unserer Bundesregierung – in Armut lebt. Auch diese Diskriminierung müssen wir angehen. Sie ist jenseits der Diskriminierung, die wir heute in der Aktuellen Stunde ansprechen. Dies ist eine Diskriminierung von Armut, die unabhängig von sexueller Identität passiert.
Ich ende meine Rede: In Bezug auf die Diskriminierung aufgrund sexueller Identität ist alles gesagt. Sie gehört abgeschafft. Schaffen Sie mit uns auch alle anderen Diskriminierungen ab. – Ich bedanke mich.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst kurz mit ein paar Worten zu den Anträgen einleiten, die die SPD und DIE LINKE hier gestellt haben. Die dort gespielte Empörung, hier noch einmal von Frau Kollegin Hofmann vorgetragen, das sei undemokratisch und diffamierend: Ich will hier deutlich feststellen, auch für die Kollegin Erika Steinbach, es kann überhaupt keinen Zweifel an ihrer rechtsstaatlichen Einstellung und ihrer demokratischen Gesinnung geben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das ist richtig! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das stimmt! – Janine Wissler (DIE LINKE): Dass Sie das hier überhaupt zur Sprache bringen!)