Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Sie, Herr Schäfer-Gümbel, wissen sehr genau, durch das Rechtsgutachten, das Sie in Aufrag gegeben haben, dass es nach der Entscheidung in Leipzig keine rechtliche Möglichkeit gibt, das Nachtflugverbot auszuweiten. Wenn Sie die vier Oberbürgermeister mit dieser Forderung jetzt sozusagen lospreschen lassen, dann nenne ich das eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Diese Doppelstrategie lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)

Sie bedienen mit dem SPD-Parteitagsbeschluss ganz offensichtlich die Sorgen der Wirtschaft und die Sorgen der Flughafenbeschäftigten um ihre Arbeitsplätze. Einerseits wissen Sie sehr genau, dass der Wegfall dieser Nachtrandstunden die Bedeutung Frankfurts als internationales Luftverkehrsdrehkreuz zum Ende bringen würde. Auf der anderen Seite wissen Sie genauso gut wie ich, dass mit dieser Initiative der vier Oberbürgermeister vor allen Dingen die Hoffnungen der Fluglärmgegner bedient werden sollen – Hoffnungen, die sich nach der Rechtslage erkennbar nicht erfüllen lassen. Deswegen fordere ich Sie auf, die Menschen nicht im Unklaren zu lassen.

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Es reicht mir auch nicht, wenn Sie im heutigen „Rundschau“-Interview sagen: Die vier OBs vertreten die Interessen der Region. – Diese vermeintliche Distanzierung halte ich für doppelzüngig. Diese erkennbare Doppelstrategie der SPD nenne ich eine Täuschung und durchsichtige parteipolitische Taktik.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist Demokratie!)

Deswegen kommen Sie nach vorne, stellen Sie sich Ihrer Verantwortung als hessischer Landespolitiker, sagen Sie klar, wo Sie stehen, und sagen Sie, ob Sie als hessische SPD noch weiterhin zu den Ergebnissen des Mediationsverfahrens stehen, nämlich zum Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr ohne Wenn und Aber und ohne parteipolitische Spielchen. Die Menschen in unserem Land haben ein Recht darauf, von niemandem getäuscht zu werden. – Herzlichen Dank.

(Norbert Schmitt (SPD): So ein Tiefpunkt!)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schäfer-Gümbel, SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Arnold, ich bin erst einmal froh darüber, dass Sie es nach knapp 18 Stunden jetzt geschafft haben, Ihre Sprechfähigkeit zu diesem Thema zu finden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hätten das nämlich schon gestern Mittag diskutieren können. Sie wissen, dass wir beantragt haben, das gleich zu diskutieren, weil wir an der Stelle überhaupt keinen Anlass haben, auch nur einen Millimeter an unseren Positionen zu wackeln.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Dann hätten wir nicht diese Schlagzeile gehabt!)

Die hessische Sozialdemokratie ist seit 15 Jahren die einzige Partei, die in dieser Frage eine glasklare, auf der Mediation stehende und eindeutige Position hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie eben von Täuschungsversuchen sprechen,

(Wolfgang Greilich (FDP): Was war das denn jetzt, Herr Schäfer-Gümbel? Warum diese Schlagzeile? – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Na, die Wahrheit!)

dann will ich daran erinnern, Herr Arnold, dass es die Regierungsfraktionen und der damalige Wirtschaftsminister waren, die bei dem Mediationsergebnis mit den 17 Ausnahmen das Wort gebrochen und den Antrag gestellt haben, in der Nacht alle 20 Minuten ein Flugzeug fliegen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Das war ein Tiefflug! – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war kein Nachtflug, sondern ein Tiefflug! )

Sie haben das Mediationsergebnis nicht vor dem Start der Landebahn umgesetzt, sondern erst danach, nachdem Sie gemerkt haben, wie stark die emotionalen Bewegungen in der Region sind. Dann haben Sie sich mit den unterschiedlichsten Initiativen angestrengt, nachzusteuern. Sie haben das Mediationsergebnis gebrochen.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Dann hätten wir nicht diese Schlagzeile gehabt!)

Von Ihren Tricksereien nach der Entscheidung in Leipzig – Stichwort: Planklarstellung – mal ganz zu schweigen.

(Holger Bellino (CDU): Das Schlimme ist, dass er das auch noch glaubt, was er sagt!)

Aber die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sagte neulich in einem Kommentar nach Wiesbaden, der Steuermann wirke seltsam abwesend. – Das ist Ihr zentrales Problem bei diesem Thema und in dieser Debatte.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sagen Sie doch einmal etwas zu den Oberbürgermeistern, Herr Kollege!)

Ich habe immer klar gesagt, dass die Debatte um den Frankfurter Flughafen weitergehen wird, weil die Konflikte rund um den Frankfurter Flughafen nicht gelöst sind. Der Vertrauensbruch, den Sie zu verantworten haben, aufgrund der Art und Weise, wie Sie mit dem Mediationsergebnis umgegangen sind und diesen Prozess gesteuert haben, wirkt nach. Dieser Vertrauensbruch wirkt lange, lange nach.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen haben wir auch Gutachten zu der Frage in Auftrag gegeben, was wir nach den Entscheidungen in Leipzig und der Planklarstellung eigentlich an rechtlichen Instrumenten nutzen können. Diese sind eindeutig; das haben wir sehr klar gesagt. Ich fühle mich durch das Gutachten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das gestern vorgestellt wurde, in dieser Einschätzung 1 : 1 unterstützt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja! – Zurufe)

Lieber Tarek, wir beide sehen uns jetzt einmal tief in die Augen. Zu dem, was dort an politischen Initiativen drinsteht, haben wir gesagt, dass die gangbar seien. Was aber die Frage der rechtlichen Würdigung angeht, was rechtlich und von Amts wegen durchsetzungsfähig ist, gibt es keinen Unterschied zwischen dem Gutachten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und unserem,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja!)

einmal jenseits aller politischen Bewertungen, die dahinterstehen mögen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Ich komme noch dazu, Herr Dr. Arnold, keine Sorge. – Deswegen habe ich von Anfang an gesagt, wie ich das im Übrigen seit viereinhalb Jahren tue: Ich verspreche niemandem irgendetwas, wovon ich persönlich nicht überzeugt bin, dass wir es am Ende nicht auch hinbekommen. Das gilt auch für die Frage des Nachtflugverbots, bezogen auf 22 bis 6 Uhr. Ich ergänze dazu immer – das können Sie heute in der „Frankfurter Rundschau“ und der entsprechenden dpa-Meldung dazu nachlesen –: „aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen“, weil ich immer auf genau diesen Kontext hinweise, dass es zwei Argumentationen gibt, die für uns dagegen sprechen, 22 bis 6 Uhr umzusetzen.

Zu den Oberbürgermeistern will ich noch einmal sagen, dass diese in der Tat ihre jeweils regionale Position vertreten. Das ist im Übrigen, für sich genommen, auch völlig legitim,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

weil der SPD-Landesvorsitzende Oberbürgermeistern nicht in irgendeiner Form eine Position vorzugeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Verquickung von Partei und Staat, die in manchen Parteien üblich ist, Herr Arnold. Bei uns ist sie das ausdrücklich nicht.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Mit Verlaub: Die SPD wird nicht über ein Zentralkomitee geführt. Das gab es bei uns noch nie, und das wird es auch nicht geben.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Deswegen werde ich mich auch in Zukunft mit unterschiedlichen regionalen Positionen auseinandersetzen müssen, wie es übrigens jede unserer Parteien tut. Es ist doch nicht so, dass Sie aus der Flörsheimer CDU oder der Mühlheimer CDU keine anderen Positionen hören würden. Die Debatte um den Flughafen wird weitergehen.

Ein letzter Satz, Herr Präsident. Vier Oberbürgermeister haben sich positioniert. In dieser Frage wird mein Leben in Zukunft nicht leichter, weil am 1. Juli 2013 ein fünfter dazukommt, nämlich der Wiesbadener Oberbürgermeister. Er wird sich ähnlich positionieren. Aber ich sage Ihnen: Es ist mir recht, wenn wir möglichst viele Oberbürgermeister haben, die sich für ihre Region einsetzen. Was wir am Ende als Landespolitik umsetzen, entscheidet ein Landesparteitag,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

und, Herr Bellino, das haben wir getan.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich begrüße auf der Tribüne unseren ehemaligen Kollegen, den Oberbürgermeister von Rüsselsheim, Patrick Burghardt. Herzlich willkommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das letzte Aufgebot! – Weitere Zurufe)

Frau Wissler, Sie haben das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! CDU und FDP bringen einen Antrag zum Thema Fluglärm in den Landtag ein – aber nicht etwa, weil die Situation für die betroffenen Anwohner unerträglich ist oder weil sie als Regierungsparteien endlich einmal handeln wollten, nein: Sie thematisieren den Fluglärm hier nur, weil sich die SPD beim Nachtflugverbot innerparteilich nicht einig ist.