Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Ich schildere einen zweiten Fall: Ein 19-jähriger junger Mann fährt in der kalten Jahreszeit abends auf einer Landstraße. An einer Stelle ist es glatt. Er gerät auf die andere Fahrbahn, kollidiert mit einem anderen Fahrzeug und stirbt noch an der Unfallstelle. Die Eltern tragen ihn zu Grabe.

Das ist es, worum es wirklich geht: Tote im Verkehr. – Jeder Tote ist einer zu viel. Wenn ich daran denke, welche Einzelschicksale dahinterstehen, muss ich sagen: Ich finde es außerordentlich abscheulich, wie Sie von den GRÜNEN

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

das nutzen, um eine Kampagne gegen die Regierung zu starten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das nehmen Sie jetzt zurück!)

Es ist nicht so, wie es Herr Frankenberger vorhin gesagt hat, sondern es ist so, wie es in Ihrer Pressemeldung nachzulesen ist. Da steht:

Schwarz-gelbe Verkehrspolitik erhöht das Risiko von Verkehrstoten.

Das ist das, was Sie sagen, und das ist unanständig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wie sehen denn die Fakten in dem Bereich aus? Wir haben – wie gesagt, jeder Unfall ist einer zu viel – in Deutschland etwa 20.000 Unfälle pro Jahr. Davon sind 3.600, also 18 %, Verkehrsunfälle. In Hessen hatten wir im Jahr 2012 282 Tote bei Verkehrsunfällen zu verzeichnen: 60 % auf Landstraßen, 28 % innerorts und 12 % auf Bundesautobahnen. Ja, es sind 20 Verkehrstote mehr als im Jahr 2011. Man muss natürlich sehen, dass das Ganze gewissen jahresbedingten Schwankungen unterliegt.

Herr Frankenberger, Sie kritisieren die in dem Antrag genannte Zahl für den Zeitraum von 2000 bis 2010. Ich nenne Ihnen einmal die Zahl von 1998, als Sie regierten, und die Zahl von heute. Im Jahr 1998 hatten wir in Hessen 600 Verkehrstote, 2012 dagegen 282.

Eines ist klar: Ich würde hier nie auf die Idee kommen, zu sagen, das habe irgendetwas damit zu tun, dass 1998 RotGrün regierte und dass heute die Christlich-Liberalen regieren. So kann man hier nämlich nicht arbeiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wem sagen Sie das?)

Wir wissen doch, dass viele Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Verkehrssituation erheblich zu verbessern. In Deutschland hatten wir die höchste Zahl an Verkehrstoten, nämlich 20.000, im Jahr 1970 zu verzeichnen. Heute liegt die Gesamtzahl der Unfalltoten bei 20.000. Es ist uns allen mit viel Arbeit und einem großen Energieaufwand gelungen, die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland auf heute nur noch 3.600 im Jahr zu reduzieren. Das sind natürlich immer noch 3.600 zu viel, und deswegen müssen wir daran arbeiten.

Ich finde es aber außerordentlich schäbig, wenn das Ganze in einen Zusammenhang mit Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn gestellt wird, zumal wenn man weiß, dass es zu 60 % der Verkehrsunfälle mit Todesfolge auf Landstraßen kommt, auf denen Tempo 100 vorgeschrieben ist, dass 28 % der Verkehrsunfälle mit Todesfolge innerorts passieren und dass es dort Tempolimits zwischen 30, 50 und 80 km/h gibt. Daran kann man doch erkennen, dass das Problem nicht primär die Autobahnen sind – schon gar nicht die wenigen Bereiche, in denen es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. Das ist reine Ideologie. So kommt man nicht weiter.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Müller, Sie haben vorhin gesagt, auf den Autobahnen passierten insgesamt sehr viele Unfälle, auch sehr viele Unfälle mit tödlichem Ausgang. Das ist so, und es sind immer noch viel zu viele; das ist keine Frage. Aber bei den Zahlenvergleichen, die Sie vorgenommen haben, haben Sie einfach nur die Straßenlängen einander gegenübergestellt.

Das sind ein völlig falscher Indikator und eine völlig falsche Grundlage. Sie müssen darauf schauen, wie viele Personen pro Stunde auf der jeweiligen Straße bewegt werden. Erst wenn Sie das Verkehrsaufkommen vergleichen, können Sie feststellen, welcher der sicherere Weg ist.

Ich kann Ihnen sagen: Das Risiko, auf einer Autobahn zu verunglücken, ist um ein Vielfaches geringer als das Risiko, auf einer Landstraße zu verunglücken. Da könnte man sagen, dass auch diejenigen, die den Autobahnbau verhindern, die Verkehrstoten zu verantworten haben. Das würde ich hier nicht behaupten; denn das wäre genauso mies wie das, was Sie in Ihrer Pressemeldung geschrieben haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir weisen Ihre schäbigen Kampagnen zurück, die zulasten der Verkehrstoten gehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Herr Bellino, Sie haben sich zur Geschäftsordnung gemeldet.

Frau Präsidentin, ich habe eben den Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Der hat sie nicht alle!“ in Richtung Rednerpult rufen hören. Damit meinte er den Redner der CDU-Fraktion. Ich weise das zurück und bitte Sie, hier tätig zu werden.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bellino, wir haben das hier nicht gehört. Aber wenn es so ist – Kollege Al-Wazir nickt –, erteile ich dem Kollegen natürlich einen Ordnungsruf.

Zu einer Kurzintervention hat sich nun Kollege Al-Wazir zu Wort gemeldet. Sie haben zwei Minuten Zeit.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil sich der Kollege Caspar – –

(Wolfgang Greilich (FDP): Erst eine Entschuldigung! Wo bleibt die Entschuldigung? – Gegenruf der Abg. Heike Habermann (SPD): Das sagt der Richtige! – Wolfgang Greilich (FDP): Sie haben es doch auch gehört! – Heike Habermann (SPD): Das habe ich nicht bestritten! – Weitere Zurufe von der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sind Sie so weit? Danke sehr. – Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil der Kollege Caspar erstens zweimal gesagt hat: „Ich könnte es ja sagen, aber ich tue es nicht“, um es dann doch zu machen, und weil ich zweitens festhalten will

(Zurufe von der CDU)

hören Sie einmal, Sie waren doch auch im Saal –: Wir hatten im Jahr 2012 in Deutschland so wenige Verkehrstote wie noch nie. Wir hatten im Jahr 2012 in Hessen zum zweiten Mal in Folge eine steigende Zahl von Verkehrstoten. Wenn für Sie das bloße Hinweisen auf den Fakt eine Instrumentalisierung der Verkehrstoten für den Wahlkampf ist, sage ich Ihnen: Schämen Sie sich für diesen Vorwurf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Caspar, ich glaube, es ist eher andersherum. Sie fühlen sich ertappt.

(Holger Bellino (CDU): Oh! – Manfred Pentz (CDU): Das ist unterirdisch! – Wolfgang Greilich (FDP): Unglaublich!)

Wir sollten über die Frage nachdenken, was wir dafür tun können, dass genau diese Schicksale, die Sie schildern, nicht mehr jeden Tag auf unseren Straßen passieren. Herr Kollege Caspar, ich bitte darum, dass man sich an dem Punkt einmal damit beschäftigt, was auf den hessischen Straßen, und zwar auf allen hessischen Straßen, los ist und dass man hier nicht die Schicksale, die Sie am Anfang genannt haben, in der Art und Weise instrumentalisiert,

(René Rock (FDP): Sie haben das gemacht!)

um diejenigen, die darauf hinweisen, dass wir unglaublich viele Tote auf der Straße haben, an dem Punkt zu diskreditieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Herr Kollege Caspar, Sie haben zwei Minuten Zeit, darauf zu erwidern.

Frau Präsidentin! Herr Al-Wazir, ich glaube, Sie richten sich selbst, wenn die Kollegin Müller es offensichtlich nicht schafft, sich wegen des Inhalts und der Aussage in dieser Presseerklärung zu entschuldigen, und Sie wegen Ihres Zwischenrufs.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie haben eine Pressemeldung mit der Überschrift herausgegeben: „Schwarz-gelbe Verkehrspolitik erhöht das Risiko von Verkehrstoten“.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was sonst? Wenn Sie überall Tempolimits aufheben!)

Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn Sie Verkehrstote dafür brauchen, um die Regierung anzugreifen, dann spricht das gegen Sie.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Caspar. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Rentsch. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehöre diesem Parlament im nächsten Monat zehn Jahre an.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich bin sicherlich keiner derjenigen, der in diesem Landtag zu denen gehört, der nicht auch austeilt, der nicht auch in eine Debatte einsteigt.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))