Protokoll der Sitzung vom 22.05.2013

(Zuruf der Abg. Karin Wolff (CDU))

Ich erspare mir jetzt jede Bemerkung über die Art und Weise der Kommentierung des Urteils des Staatsgerichtshofs. Für einen amtierenden Finanzminister finde ich das schon eine ziemlich erbärmliche Reaktion angesichts einer solchen Klatsche.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe seit Langem erhebliche Zweifel an Ihren handwerklichen – das gilt vor allem für Ihre finanzpolitischen –, aber zunehmend auch an Ihren juristischen Qualifikationen. Das hat viel damit zu tun, dass weder Ihre Steuerschätzungen funktionieren, noch dass Sie irgendwelche Prozesse gewinnen, siehe Biblis. Der gestrige Tag war dafür ein beredtes Beispiel.

Herr Schäfer, weil ich Sie als Person sehr schätze, habe ich mich ernsthaft gefragt, woran das eigentlich liegt. Inzwischen glaube ich, eine Antwort gefunden zu haben. Mein Eindruck ist, dass Sie sich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigen. Heute Mittag ist uns durch Zufall, oder wie auch immer, ein Dokument in den Flur geflattert, überschrieben mit „Abgeordnetenbrief 07/2013, Rot-grüne Steuerpolitik – Wie der Bürger zur Kasse gebeten werden soll“.

(Günter Rudolph (SPD): Wir haben den nicht!)

Abgeordnetenbrief 7/2013: Ganz offensichtlich verwenden Sie Steuermittel, um einige Abgeordnete in diesem Hause mit Informationen – welchen auch immer – zu versorgen, und zwar regelmäßig.

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich finde es schon ein starkes Stück, dass Sie auf der einen Seite einen Prozess nach dem anderen versemmeln, diesen Landtag an verschiedenen Stellen über das getäuscht haben, was Sie hier eigentlich machen, aber gleichzeitig Zeit und Kraft haben, Ihre Abgeordneten – offensichtlich sind das Ihre Abgeordneten – mit Informationen zu versorgen, die Sie der Opposition vorenthalten. Das wird ein Nachspiel haben.

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich will zum Schluss kommen. Verantwortung ist die Pflicht des einen gegenüber einem anderen aufgrund eines normativen Anspruchs. Nach der Klatsche, die Sie gestern vom Staatsgerichtshof erhalten haben, ist die einzig mögliche Konsequenz, die Ihr heute vorliegender Gesetzentwurf erfahren kann, dass Sie ihn zurückziehen und in das einbeziehen, was jetzt ansteht, nämlich endlich eine ordentliche Arbeit zu machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Als nächster Redner spricht Herr van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

(Günter Rudolph (SPD): Staat und Partei in eins, das ist ja wie in Bayern hier!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf wird heute Gott sei Dank nicht abschließend beraten, sondern wir gehen in die dritte Lesung. Ich denke aber, dass im Vorfeld der dritten Lesung sehr grundsätzlich

darüber debattiert werden muss, wie mit dem KFA umgegangen werden kann und muss. Es geht nämlich nicht darum, dass man an kleinen Stellschrauben dreht, sondern darum, dass wir vor der sehr grundsätzlichen Frage stehen, wie der KFA ausgerichtet werden soll.

Wir stehen noch viel grundsätzlicher vor der Frage, wie der Landeshaushalt für die Jahre 2013/2014 eine Änderung erfährt, damit wir überhaupt in der Lage sind, die Finanzierung zu gewährleisten, die jetzt im Grunde genommen ansteht. Insofern glaube ich, dass die Vorlage eines Nachtragshaushalts angesagt ist und wir nicht mehr darum herumkommen.

(Karlheinz Weimar (CDU): Wie denn das?)

Die 1,5 Milliarden €, die als Risiko dabei auftreten, sind doch schon angesprochen worden, und das, was am KFA geändert werden muss, werden wir im Nachgang zu dem Gerichtsurteil von gestern noch erfahren.

Meines Erachtens hat der hessische Staatsgerichtshof mit seinem gestrigen Urteil dafür gesorgt, dass die Debatte um den KFA eine neue Facette bekommt. Der Staatsgerichtshof hat mit seinem Urteil im Sinne der Stadt Alsfeld festgehalten, dass die vorangegangene Änderung des KFA verfassungswidrig war. Damit hat das Thema „Finanzausstattung der Kommunen“ eine neue Brisanz bekommen.

Deshalb wurden gestern zwei Anträge – zunächst der von uns und dann der der SPD – mit der Forderung gestellt, sich erneut mit dem KFA und den Folgen dieses Urteils zu beschäftigen. Wir sind uns insoweit einig, dass der jetzige Ansatz, den KFA an den ländlichen Raum anzupassen, ein zumindest kleiner Schritt ist, mit dem man an die Probleme zukünftig schrumpfender Kommunen herangehen könnte.

Durch die erfolgreiche Klage der Stadt Alsfeld ist auch deutlich geworden, dass der Kommunale Finanzausgleich umfassend reformiert werden muss. Daran ist im Wesentlichen diese Landesregierung schuld. Sie war es, die den KFA bereits im Jahre 2011 in verfassungswidriger Weise um 344 Millionen € gekürzt hat. Sie war es, die mit dem Kommunalen Schutzschirm einigen besonders schlecht dastehenden Kommunen ein Kürzungsprogramm für öffentliche Leistungen auferlegt hat. Sie ist es, die in einer umfassenden Debatte, an der sowohl die Kommunen als auch alle Fraktionen dieses Hauses beteiligt waren, eine KFA-Reform anstoßen wollte. Diese ist aber letztlich gescheitert. Auch wenn es CDU und FDP gerne so hätten: Am Scheitern einer umfassenden KFA-Reform sind nicht die Kommunalen Spitzenverbände schuld, die die Interessen der Städte und der Gemeinden vertreten.

(Günter Schork (CDU): Waren Sie bei allen Gesprächen dabei? Nein, das waren Sie nicht! Sie waren bei fast keinem Gespräch dabei!)

Ich war bei fast allen Gesprächen dabei. Wir waren durchaus vertreten. Herr Schork, Sie wissen aber, dass es manchmal kompliziert ist, wenn man nur sechs Abgeordnete hat und in drei Ausschüssen gleichzeitig sitzen muss. Solche Dinge müsste man etwas differenzierter betrachten. Wenn ich Zeit hatte und nicht in einem anderen Ausschuss saß, war ich da.

Am Scheitern einer KFA-Reform ist diese Landesregierung schuld. Es ist nämlich eine sehr schlechte Idee, erst zu verkünden, dass der Kuchen kleiner wird, und dann alle Beteiligten zu fragen, wer das kleinste Stück bekommen soll.

Nach der Ankündigung des Finanzministers, dass er im Angesicht der juristischen Niederlage, die die Landesregierung gestern erlitten hat, nun bereit ist, mit den Kommunen neu über ihren Finanzbedarf zu verhandeln, ist jedenfalls mein Optimismus, dass wir zu einer umfassenden Neuregelung des KFA kommen, auf null gesunken. Denn im gleichen Atemzug sagen Sie, Herr Dr. Schäfer, dass diese Verhandlungen auch so ausgehen können, dass es bald noch weniger Geld für die Kommunen gibt. Obwohl selbst Sie eingesehen haben, dass die überschuldeten Kommunen in Hessen Hilfe brauchen, kommt nun wieder die Drohung, dass das Land den Kommunen noch weniger Geld geben könnte.

(Zurufe von der CDU)

Herr Dr. Schäfer, man braucht sich nicht zu erhoffen, dass man sich auf dieser Grundlage mit den Kommunen über eine umfassende KFA-Reform einig wird. Vielmehr wird es immer wieder so ausgehen, dass man sich vor Gericht trifft und dort entschieden werden muss.

Deshalb fordern wir, dass die Kommunalfinanzen in Hessen endlich grundlegend saniert werden. Dafür brauchen wir höhere Einnahmen. Es gibt sicher die eine oder andere Kommune, die da mehr tun kann – sicher nicht bei den Kitagebühren, vielleicht aber bei dem einen oder anderen Gewerbesteuerhebesatz. Es ist aber vor allem Sache der Hessischen Landesregierung, hier für mehr Geld im System zu sorgen, und zwar so, wie es der hessische Staatsgerichtshof fordert, nämlich orientiert am Bedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach der heutigen Steuerdebatte sehe ich nicht, wie diese Landesregierung dazu in der Lage sein wird. Vielleicht fällt die CDU bei der Vermögensteuer aber genauso schnell um wie bei der Grunderwerbsteuer. Wir sind jedenfalls hoffnungsvoll.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Als nächster Redner spricht Kollege Schork von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Gibt es dazu auch einen Abgeordnetenbrief, Herr Schork?)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ja zu erwarten, dass die Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs, die von uns in der Form eines Gesetzentwurfs vorgelegt wurde, nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs von gestern in den Hintergrund und das Urteil des Staatsgerichtshofs in das Zentrum der politischen Diskussion rücken würden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Urteil hat ja auch etwas, zumindest ein bisschen, mit dem KFA zu tun!)

Es hat ohne Zweifel damit etwas zu tun. Ich rate aber, nachdem wir jetzt die oppositionelle Schelte und starke Worte wie „Verfassungsbruch“ und „Willkür“ gehört haben, dass wir uns dem zuwenden, was in dem Gerichtsurteil tatsächlich steht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt wird es lustig! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wir sollten uns dem zuwenden, was das Gericht gesagt hat und welche Folgen das hat.

(Heike Habermann (SPD): Wie Sie es interpretieren!)

Das Erste, was das Gericht festgestellt hat, so steht es in der Presseerklärung – –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollen Sie es jetzt schönreden?)

Nein, ich will es nicht schönreden. Das Urteil ist klar und eindeutig. Daher sollten wir uns sehr intensiv und ohne Polemik – darum bitte ich sehr herzlich –, mit dem auseinandersetzen, was im Urteil steht. Lassen Sie mich das bitte tun, Herr Kollege Frömmrich.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, da wird von „Verfassungsbruch“ gesprochen!)

Es heißt in der Presseerklärung des Staatsgerichtshofs:

Der Staatsgerichtshof hat mit seinem heutigen Urteil der Antragstellerin teilweise recht gegeben.

Frau Präsidentin, ich werde – mit Ihrer Genehmigung – jetzt mehrfach aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs zitieren. Auf Seite 34 heißt es:

Denn der Staatsgerichtshof beanstandet nicht die Höhe der Mittelzuweisungen, sondern ausschließlich die fehlende Bedarfsanalyse.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist der entscheidende Punkt!)

Wir stellen also fest, dass der Staatsgerichtshof erstmals in einer Entscheidung eine Bedarfsanalyse gefordert hat. Alle bisherigen Änderungen am Finanzausgleichsgesetz hatten keine Bedarfsanalyse als Grundlage. Das wollen wir festhalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)