Protokoll der Sitzung vom 25.06.2013

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Die Beispiele, die ich eben genannt habe, und die Leistungen der Landesregierung zeigen sehr deutlich, dass die Entscheidung für LOEWE richtig war und ist. Diese außerordentliche Entscheidung, das LOEWE-Programm auch durchzutragen, war ein Vorteil für dieses Land, mit vielen Initiativen. Mit diesem Programm sind wir im Ländervergleich einzigartig. Wir investieren 410 Millionen € in der gesamten Wahlperiode. So etwas hat es in der Geschichte dieses Landes noch nie gegeben, und ich sage hier: Wir werden dieses Programm auch weiterführen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Frau Ministerin, die Redezeit, die für die Fraktionen vereinbart war, ist erreicht – für Sie als Hinweis.

Die Wissenschaftler selbst sind mit Begeisterung bei der Arbeit. Das transportieren sie nicht nur in den Initiativen Pro LOEWE und der Wissenschaftsoffensive „Hessen schafft Wissen“. Sie wollen den Mehrwert ihrer Forschung für die Gesellschaft noch bekannter machen. Sie wollen klarmachen, dass Forschung die Gesellschaft voranbringt und jeder Einzelne von uns davon profitiert.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Forschung und Wissenschaft, Innovationen, der Transfer von Ideen in die Unternehmen sind zentrale Voraussetzungen für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze in unserem Land.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb ist es auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel, in Zeiten der Schuldenbremse und des wachsenden Wettbewerbs um die Verteilung öffentlicher Mittel eine zentrale Voraussetzung, weiterhin klare Ziele für Forschung und Wissenschaft zu setzen. Dafür stehen wir.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Wir eröffnen die Aussprache zur Regierungserklärung. Als Erster hat Herr Kollege Grumbach für die SPD-Fraktion das Wort. Den Oppositionsfraktionen ist eine deutliche Zeitmenge zugewachsen, nämlich eine halbe Minute, also 20:30 Minuten maximale Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war also eine Regierungserklärung. „Regierungserklärung“ heißt, wenn ich mich recht erinnere, dass die Regierung erklärt, was sie tut oder tun will. Eben hat eine Ministerin aber erklärt, was die Hochschulen getan haben.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn wir uns im Hessischen Landtag darauf verständigen, dass die Hochschulen – statt im Ausschuss – vor dem Plenum erzählen, was sie getan haben. Ansonsten war das, was wir gerade erlebt haben, eher eine „Sendung mit der Maus“. Ich war ziemlich versucht, die Titelmusik hier vorzuspielen; denn die Wissenschaftsministerin moderiert, aber sie gestaltet nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie wollen. Sie reden davon, dass die Hochschulen eine Autonomie haben. Immer dann, wenn die Hochschulen Probleme haben, ist es die Autonomie, die zum Zuge kommt. Aber wenn die Hochschulen etwas leisten, ist es immer die Landesregierung, die versucht, eine Regierungserklärung zu dem abzufeiern, was andere geleistet haben. Dafür brauchen wir Sie nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Das war die zweite Regierungserklärung zum gleichen Thema – nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das scheint das Einzige zu sein, was Sie in diesem Bereich zu erklären haben.

Sie haben allerdings zwischen den Zeilen doch ein paar spannende Sachen erklärt. Sie haben nämlich etwas über Ihr Gesellschaftsbild gesagt. Wie sieht nach Ihrem Gesellschaftsbild eine Familie aus? Der Vater fährt zur Arbeit, der Sohn geht zur Schule, hat Probleme mit dem Smartphone – ich habe keine Ahnung, was er für ein Fabrikat hat, denn solche Fehlerhinweise gibt es bei Smartphones gar nicht –, die Tochter studiert, und die Mutter arbeitet offensichtlich nicht. Das ist eine Sorte Familie, die gibt es tatsächlich ab und zu. Die Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, um die Sie sich gerade herumdrücken, sieht in der Regel aber so aus: Beide Eltern arbeiten, damit die Kinder studieren können, der Sohn schlägt sich mit der Lehrstoff-Bulimie, mit G 8, herum, und die Tochter hat Probleme mit überfüllten Hörsälen und muss nebenbei arbeiten, damit sie ihr Studium finanzieren kann. – Zu dieser Realität haben Sie nichts gesagt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Ir- mer (CDU): Sie reden wohl von Nordrhein-Westfalen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Jetzt ein paar Bemerkungen zu Ihrer Rede. Sie loben die Zusammenarbeit der Fachhochschulen mit Tüftlern sowie kleinen und mittleren Unternehmen. Wir haben nicht vergessen, dass wir eine dreijährige Diskussion gebraucht haben, bis wir die dritte Förderlinie – Fachhochschulen und ihre Kontakte zu kleinen und mittleren Unternehmen – überhaupt etablieren konnten.

Ich kann gut verstehen, dass Sie eine hohe Begeisterung für Simulationen haben. Das ist ja keine neue Erfindung. Mein Fraktions- und Landesvorsitzender hat gerade einen Ministerkandidaten vorgestellt, Matthias Kollatz-Ahnen, der seine Diplomarbeit über das Thema „Bewegungsverhalten von Transuranen“ an der GSI und eine Doktorarbeit zum Thema „Simulation des Fliehkraftverhaltens schnell fahrender Motorrädern“ geschrieben hat. Das ist schon ein paar Jahrzehnte her. Deswegen finde ich es ganz faszinierend, dass Sie das für etwas Neues halten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Es kann ja sein, dass Sie dieses Gebiet gerade erst entdeckt haben. Auch die Tatsache, dass eine Landesregierung Großrechner anschafft, war, ehrlich gesagt, in den vergangen Jahrzehnten, auch bei früheren Regierungen, so ziemlich Standard. Es gab eine Ausnahme – als nämlich die GSI festgestellt hat, dass sie mit Server-Farmen schneller ist als mit Großrechnern. Inzwischen hat sich die Welt auch dort wieder geändert.

(Zurufe von der CDU)

Ich glaube, dass es ein LOEWE-Geheimprojekt gibt, das erklärt, warum Sie so sehr für Simulationen sind: In der Rheinstraße steht ein Großrechner, der simuliert anscheinend das Regieren im Wissenschaftsressort. Das ist alles, was Sie tun.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten der LINKEN)

Ich finde auch die Beispiele faszinierend, die Sie genannt haben: Brot mit weicher Rinde – ein Ausflug nach England würde helfen, da gibt es das schon –, roter Apfelsaft, „ungefährlicher“ Kaffee. Frau Ministerin, es würde helfen, auch diese Studie präzise zu lesen. Kaffee ist nämlich nur dann ungefährlich, wenn man ihn ohne Zucker trinkt, mit möglichst wenig Milch, nicht mehr als zwei Tassen am Tag, und wenn man dazu weder raucht noch Alkohol trinkt. Das können Sie alles nachlesen. Das steht in der Studie, aber die Ministerin hat sich nur die Überschrift aufschreiben lassen, nicht den Inhalt der Studie.

Sie haben freundlicherweise das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit erwähnt, das Deutsche Kunststoff-Institut, das IWES in Kassel, das LOEWE-Zentrum CASED und die ETA-Fabrik. Sie haben die Passagen zum Physikclub sowie zum Mathematikum und zum Chemikum wiederholt – ich verweise auf Ihre Regierungserklärung vom Januar 2012, da stehen die gleichen Passagen drin –, und dann haben Sie die EXPERIMINTA in Frankfurt angeführt. Nun wissen wir, dass dieser Laden überhaupt nicht mehr existieren würde, wenn es nach der Landesregierung gegangen wäre; denn es hat eines Fraktionsantrags bedurft, diesen Verein zu retten, während ihn die Landesregierung bei den Haushaltsberatungen nicht einmal auf dem Schirm hatte. Das ist Ihre „Erfolgs“-Bilanz. Die finde ich schon faszinierend.

(Beifall bei der SPD)

Besonders spannend finde ich Ihre Begeisterung über die Kompetenz der Hochschulmedizin. Wo ist denn die Ministerin, wenn es gilt, die Hochschulmedizin aus der Falle – Finanzierung von Forschung und Lehre oder Finanzierung der Krankenversorgung – herauszuholen, in die sie inzwischen geraten ist? Wo bleibt die gemeinsame Aktion von Sozialminister und Wissenschaftsministerin dafür, die Universitätsmedizin finanziell so zu stellen, dass sie nicht in manchen Fällen mit Forschungsmitteln die Krankenversorgung und in anderen Fällen in umgekehrter Richtung subventionieren muss, sondern dass sie ausreichend und gut finanziert wird? Nichts davon haben Sie beide gemacht. Genau da wird Ihre Rede zur Sonntagsrede und zum Hohn.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu Ihrem berühmten einstürzenden Leuchtturm. Wo ist denn die Ministerin, wenn es um das UKGM geht? Wo ist sie, wenn ein Letter of Intent geschrieben wird, und am Stichtag, dem 1. Mai, nichts passiert? Wo ist sie, wenn der Stellenabbau weitergeht, obwohl der Ministerpräsident ein Moratorium versprochen hat? Wo ist die Ministerin bei der Umsetzung der Partikeltherapie? Frau Ministerin, Sie haben versucht, mit vielen klugen Worten – und auch nicht so klugen Worten – hinter den Wahltag zu kommen, und Ihr Partner lässt Sie schlicht im Stich. Er kündigt die Räume, er führt Sie an der Nase herum, und Sie schweigen dazu, Frau Ministerin. Das hat mit der Übernahme von Verantwortung überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Ich bleibe beim Tagesgeschäft. Wann beginnt eigentlich Ihre Debatte darüber, was passiert, wenn es doch einen Eigentümerwechsel gibt? Was passiert denn dann? Ist die Landesregierung diesmal vorbereitet? Das letzte Mal ist sie gekreiselt, gekreiselt und gekreiselt. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie sich vorher darüber Gedanken macht, wie sie in einem solchen Fall das Spannungsverhältnis zwischen Forschung und Krankenversorgung sichern kann, ob sie diesen Laden teilweise zurückkaufen will, ob sie ihre Privatisierungsfehler wiederholen will, ob sie einen neuen Vertrag schließen will, weil sie alles privatisieren will – oder was auch immer.

Jedenfalls könnte diese Landesregierung einmal etwas für die Zukunft tun, statt nur über die Vergangenheit zu reden. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber LOEWE ist keine Erfindung dieser Ministerin. Das war Herr Corts. Die Art der Hochschulfinanzierung, wie sie praktiziert wird, ist keine Erfindung der Ministerin. Das war Frau Wagner. Ich würde gern einmal wissen, was der Beitrag von Frau Kühne-Hörmann zur Wissenschaftspolitik in Hessen ist. Ich habe es noch nicht herausgefunden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Noch ein paar nette Nebenbemerkungen. Da gibt es die berühmten Spin-offs zur Energiewende. Haben Sie einmal mit denen geredet, ob ihnen die Landesregierung das Leben leichter gemacht hat? Nein, es war nicht die Wissenschaftsministerin, aber es waren der Wirtschaftsminister und viele andere, die dafür gesorgt haben, dass die Spinoffs zu ihren Anfangszeiten Probleme hatten, weil sie die erneuerbaren Energien ernst genommen haben – und nicht nur als Lippenbekenntnis, wie es diese Landesregierung getan hat. Ich glaube, an der Stelle muss man schon einmal

klären: Ist die Position der Landesregierung, die Windenergie auszubauen, oder, sie aufzuhalten? Es geht nur eines von beiden. Die Spin-offs sind jedenfalls für das Ausbauen, und dabei hat die Landesregierung sie eher behindert als gefördert.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie haben begeistert ein Promotionsrecht für die Fachhochschulen gefordert – weil das das Einzige ist, was Sie nichts kostet. Reden Sie doch einmal darüber, was es heißt, Forschung an Fachhochschulen zu betreiben. Reden Sie doch einmal darüber, was es heißt, an Fachhochschulen einen Mittelbau aufzubauen, der Forschung leisten kann; denn allein mit den Professoren wird das nicht gehen. Reden Sie doch einmal darüber, die Professorenstellen so auszustatten, dass das funktioniert. Aber das tun Sie nicht, weil Sie keinen Plan haben. Das wird an manchen Stellen noch deutlicher werden.

Nächster Punkt: Studierendenwerke. Die Kinderbetreuungsquote ist um 25 % gestiegen – um 180 Plätze. Es fehlen aber 5.000 bis 6.000 Betreuungsplätze, um auch nur das Minimum abzudecken. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass es so etwas wie eine Verhaltensänderung gibt. Es gibt eine Reihe studierender Frauen und Männer, die sich heutzutage dafür entscheiden, ihre Kinder im Studium zu bekommen. Das bringt für die Studierendenwerke ganz neue Herausforderungen. Das berichten uns alle, wenn wir sie fragen. Vielleicht hätten Sie sie fragen sollen, bevor Sie das aufgeschrieben haben.

Das Gleiche gilt für die Zahl der Studierendenwohnungen. Natürlich hat Hessen den höchsten Anteil an Zubau. Das ist völlig unstreitig. Aber was hat das zu sagen? Das ist doch nur eine Folge davon, dass vorher fast nichts da war. Hessen hat mit 7,4 % den niedrigsten Anteil bezüglich der Versorgung Studierender mit Wohnungen in ganz Deutschland. 11,5 % ist der Bundesdurchschnitt. Bis Sie das erreicht haben, müssen Sie noch mehrere Tausend Wohnungen bauen, nicht bloß 2.000 oder 3.000. Da fehlt ihnen etwas.

Statt das schönzureden, sollten Sie sich endlich auf den Weg machen und dafür sorgen, dass die Studierenden angemessen wohnen können. Andere Finanzierungsmodelle wären möglich. Ich glaube, auch das fehlt Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Grumbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Pentz?

(Gernot Grumbach (SPD): Ja!)

Herr Abg. Pentz.

Herr Grumbach, ich bin noch nicht sehr lange im Parlament. Aber mich würde eines interessieren: Sie greifen die Ministerin hier ständig an, und dabei bekommen Sie es nicht ein einziges Mal hin, sie direkt anzuschauen. Wieso schauen Sie ständig zu Ihrer eigenen Fraktion hinüber, wenn Sie die Ministerin ansprechen?

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)