Protokoll der Sitzung vom 25.06.2013

Für die Fraktion der SPD hat Herr Norbert Schmitt das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Pentz und auch der Kollege van Ooyen wollten noch einmal eine Grundsatzdiskussion führen. Der Kollege Pentz hat gesagt, CDU und FDP wollen Zeichen setzen und die hessischen Finanzen weiter in Ordnung bringen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich muss sagen: Das ist ein unglaublicher Realitätsverlust. Das läuft vor jeder Wahl ab. Im Jahre 1995 hat die CDU

erklärt: In der kommenden Legislaturperiode werden wir die Verschuldung des Haushalts auf null fahren. – Was ist erfolgt? Das Gegenteil.

Im Jahre 1999 hat die CDU in ihrem Regierungsprogramm geschrieben: Aber in der nächsten Legislaturperiode werden wir es schaffen, die Verschuldung des Haushalts auf null zu fahren. – Was ist passiert? Das Gegenteil ist passiert.

Im Wahlprogramm der CDU des Jahres 2003 stand: Wir werden es schaffen, in dieser Legislaturperiode einen Haushalt ohne Verschuldung vorzulegen. – Was ist passiert? Das Gegenteil ist passiert.

Im Landtagswahlprogramm für das Jahr 2008 stand: Aber in der nächsten Legislaturperiode werden wir es schaffen, einen Haushalt ohne Verschuldung vorzulegen.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Da haben wir schon regiert! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das ist das Problem!)

Dann gab es das Regierungsprogramm 2009. Darin steht auch: In der nächsten Legislaturperiode werden wir es schaffen, dass es am Ende der Legislaturperiode zu einem Haushalt kommt, der ohne Verschuldung auskommt.

(Günter Rudolph (SPD): Alles gelogen! – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Sie haben sechsmal die Unwahrheit gesagt, entweder in völliger Verkennung der Situation der Finanzen in Hessen oder – –

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe der Abg. Kurt Wiegel und Manfred Pentz (CDU))

Das ist typisch CDU: Vor jeder Wahl wird angekündigt: Wir schaffen es, auf null zu kommen. – Dann wird genau das Gegenteil gemacht. Herr Pentz, das ist völlig unredlich, wie Sie sich hierhin stellen. Aber es ist typisch für Sie von der CDU.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Ellen Enslin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Günter Rudolph (SPD): Heuchelei!)

Ich sage Ihnen: Das ist Lug und Trug, nach diesem Ablauf der Dinge, Ihrem Wahlprogramm und dem, was Sie im Hessischen Landtag zu bieten gehabt haben und wie Ihre Realität aussieht.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Meine Damen und Herren, eine Partei, die dafür verantwortlich ist, dass sich die Schulden in Hessen in 14 Regierungsjahren nahezu verdoppelt haben, wofür andere 48 Jahre gebraucht haben, der sollte nicht so große Sprüche machen, wie Sie sie eben gemacht haben.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Die Finanzkrise blenden Sie komplett aus!)

Auch der Kollege van Ooyen hat grundsätzliche Anmerkungen gemacht. Ich verstehe es: Die Linkspartei ist seit mehreren Wochen auf Wahlkampfmodus umgestellt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist gut, nicht?)

Da sind Differenzierungen nicht mehr möglich. Aber Sie sollten vielleicht einmal ins Nachdenken kommen:

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir geben 1,5 Milliarden € für Zinsen aus. So kann es nicht mehr weitergehen. An wen zahlen wir die Zinsen? Wir zahlen die Zinsen an Banken und Vermögende in diesem Land. Die verdienen in ganz erheblichem Maße an den Schulden des Landes Hessen. Das kann so nicht weitergehen. Wir brauchen diese Mittel, um damit Investitionen zu finanzieren, um damit gute Bildung zu finanzieren. Dann bleibt sogar noch etwas für ein paar Ihrer Forderungen übrig.

(Beifall bei der SPD)

So kann es jedenfalls mit der Verschuldung und der Zahlung von Zinsen nicht mehr weitergehen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das stimmt!)

Genau. – Deswegen komme ich dazu, dass in diesem Gesetzentwurf für ein Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse eben nicht steht, anders als es 70 % – Herr Pentz, Sie reden von den 70 % – der Bürger in der Hessischen Verfassung verankert haben, dass der Staat eine Einnahmeverantwortung hat.

(Thorsten Schäfer-Gümbel und Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Genau dies ist im Ausführungsgesetz nicht geregelt. Allein deswegen ist aus unserer Sicht dieses Gesetz nicht zustimmungsfähig.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle klammern Sie einen wichtigen Teil der Hessischen Verfassung und einen ganz zentralen Teil des Kompromisses einfach aus. So geht es nicht. Das hat mit fairer Diskussion nichts zu tun. Meine Damen und Herren, das ist nicht die ausgestreckte Hand. Das ist genau das Gegenteil. Hinter dem Rücken machen Sie eine ganz andere Bemerkung, weil Sie wissen, dass Sie etwas ganz anderes vorhaben.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Das stimmt nicht!)

Sie müssen sich nur herumdrehen. Dann sehen Sie, was Sie hinter dem Rücken machen.

(Manfred Pentz (CDU): Nein, nein! – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Uiuiui!)

Meine Damen und Herren, natürlich geht es auch nicht – das haben Sie auch verankert; wir haben sehr früh gesagt, dass das für uns ebenfalls inakzeptabel ist –, dass wir Steuererleichterungen, die auf Bundesebene beschlossen werden, im laufenden Haushaltsverfahren sofort hinterhersparen müssen. Man kann es auf Berliner Ebene leider nicht ausschließen. Dann müsste das Land im laufenden Haushaltsverfahren, im Aufstellungsverfahren sofort hinterhersparen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, das ist für uns völlig inakzeptabel. Es würde genau zu dem führen, was wir gesagt haben, nämlich dass in Berlin munter weiter Entscheidungen zulasten der Länder getroffen werden. Deswegen ist das ein weiterer Punkt, der für uns völlig inakzeptabel ist.

Wir haben über einen weiteren Punkt diskutiert; in der Anhörung ist dazu eher unsere Position bestätigt worden, nämlich dass der Ausgleich des Kontrollkontos viel zu

schnell erfolgen muss und dass er schnell prozyklisch wirken kann.

Herr Scherf hat ausgeführt, dass es eine weitgehende Symmetrie der Konjunkturverläufe, des Auf und Ab der Konjunktur, überhaupt nicht gibt, dass es nicht die Realität darstellt. Wir haben Situationen, wo der Aufschwung sehr lange Zyklen einnimmt. In der Vergangenheit war dies leider nicht der Fall, sondern es ging eher längere Zeit nach unten. Es ist aber nicht symmetrisch. Zu denken, es gibt drei Jahre Aufschwung und drei Jahre Abschwung, dann gleicht sich das aus, entspricht nicht der Realität.

Mit dem eingeführten Kontrollkonto sind Sie sehr schnell in der Situation, dass Sie ausgleichen müssen. Dann wirken Sie prozyklisch. Meine Damen und Herren, denn das große Problem ist, dann würgen Sie möglicherweise die Konjunktur ab, oder das Gegenteil, Sie heizen die Konjunktur weiter an, wo es notwendig wäre, abzubremsen. Deswegen ist es aus unserer Sicht wenig durchdacht. Auf der Ebene in Berlin hat man an dieser Stelle einen ganz anderen Spielraum angesetzt. Auch dies zu der Frage Handwerk. Das ist aus unserer Sicht völlig falsch.

Es ist unstreitig, dass ein Investitionsprogramm, wie es die Landesregierung z. B. zur Bekämpfung der Krise aufgelegt hat, auf der Grundlage dieses Ausführungsgesetzes nicht mehr möglich ist. Ich glaube, darüber sollten wir gemeinsam nachdenken.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Punkt, den es zu kritisieren gilt, ist, dass insbesondere die FDP die Zweidrittelmehrheit in diesen Gesetzentwurf eingebracht hat. Das war eine bewusste Weichenstellung, um insbesondere die GRÜNEN auszuschließen, weil die GRÜNEN sehr früh gesagt haben: „Das ist für uns inakzeptabel.“ Wir haben gesagt: „Darüber können wir möglicherweise nachdenken.“ Gut fanden wir es auch nicht. Aber wir haben gesagt: „Es muss rechtlich geprüft werden.“ Meine Damen und Herren, bis zum heutigen Tage gibt es keinen schriftlichen Beleg für die Zulässigkeit einer solchen Regelung. In der Gesetzesbegründung fehlt jeglicher Hinweis auf eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsproblematik. So viel zu der Frage Handwerk und Solidität, Herr Kollege Pentz. Es fehlt völlig eine zentrale und wichtige Auseinandersetzung mit der Frage: Ist eine Zweidrittelregelung mit der Hessischen Verfassung vereinbar?

Wir haben an dieser Stelle erhebliche Bedenken. Von der Landesregierung und von den Regierungsparteien sind immer nur Behauptungen aufgestellt worden. Es fehlt bis zum heutigen Tag, bis zur zweiten Lesung ein schriftlicher Beleg, dass dies okay ist. Auch dies macht nach unserer Auffassung deutlich, dass wir einen solchen Schuss in den Nebel nicht mitmachen können und auch nicht mittragen werden.

Ein weiterer problematischer Punkt: Man hat ein Verfahren zur Ermittlung der Konjunkturkomponente gewählt, das intransparent und der Kontrolle des Gesetzgebers weitgehend entzogen ist. Man ist von Daten abhängig, die auf europäischer Ebene oder auf Bundesebene an das Land Hessen übermittelt werden.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Sie müssen bei Anhörungen manchmal auch ein bisschen zuhören. – Dass es sehr intransparent und der Kontrolle

des hessischen Gesetzgebers völlig entzogen ist, war auch unter den Befürwortern dieses Verfahrens unstreitig.

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.