Protokoll der Sitzung vom 25.06.2013

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf Pump!)

Da gab es keinen Ministerpräsidenten, der bitten und betteln musste. Da geht es schlichtweg um die staatspolitische Verantwortung. Meine Damen und Herren von der Opposition, sollten wir, CDU und FDP gemeinsam, in der kommenden Legislaturperiode keine Zweidrittelmehrheit im Parlament haben, vertraue ich darauf, dass sowohl die Sozialdemokraten als auch die GRÜNEN ihrer staatspolitischen Verantwortung nachkommen und, wenn es um eine außerordentliche Notsituation geht, gemeinsam mit uns stimmen.

Meine Damen und Herren von der SPD, bis zur Stunde steht unser Angebot, und die Mitglieder der Koalition reichen ihre Hand, damit dieses Gesetz gemeinsam verabschiedet wird. Leider musste ich jedoch während der gesamten Beratungen feststellen, dass Sie dieses Ausführungsgesetz gar nicht wollen. Sie haben keinen einzigen konstruktiven Vorschlag gemacht und schon gar keinen Änderungsantrag gestellt. Sie haben nur taktische Spielchen getrieben, um die Verabschiedung dieses Gesetzes über den Wahltermin hinauszuschieben. Daraus muss ich schließen, dass die SPD mit schnellen Schritten weiter in den Verschuldungsstaat gehen will.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Uiuiui!)

Lieber Herr Schäfer-Gümbel, dafür gibt es historische Beispiele. Als Deutschland in den Jahren 2002 und 2003 unter Rot-Grün die Euro-Stabilitätskriterien nicht eingehalten hat, hat der SPD-Kanzler Gerhard Schröder mit seinem Finanzminister Hans Eichel in Europa dafür gesorgt,

(Petra Fuhrmann (SPD): Unglaublich!)

dass es nicht zu Sanktionen kam. Das war die Einladung an alle in Europa, ohne Ende Schulden zu machen, nach dem Motto: Wenn Deutschland Schulden machen darf, dürfen wir das auch. – Wir sehen heute, wohin uns dieses Schuldenmachen geführt hat: vielleicht zur schwersten Staatsschuldenkrise in Europa.

SPD und GRÜNE fordern, indem sie sich für Eurobonds aussprechen, sogar noch dazu auf, dass der hessische Steuerzahler bedingungslos für die Schulden anderer europäischer Staaten aufkommt. Das wäre die absolute Vergemeinschaftung der Schulden in Europa. Mit uns wird es das nicht geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Peinlich, peinlich!)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben, als es um die Klage gegen den ungerechten Länderfinanzausgleich ging, nicht zugestimmt. Aber heute haben Sie noch einmal die Chance, zu zeigen, ob es Ihnen mit der Sparsamkeit ernst ist und ob Sie ein klares Zeichen gegen das Schuldenmachen setzen wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden mit diesem Ausführungsgesetz den Staatshaushalt weiter in Ordnung bringen. Wir werden sicherstellen, dass unser Land auch in Zukunft handlungsfähig bleibt und dass die Kinder von morgen nicht die Schulden von heute bezahlen müssen. Mit Ministerpräsident Volker Bouffier wollen wir auch in Zukunft in Hessen spitze bleiben.

(Günter Rudolph (SPD): Sie haben 15 Jahre lang nichts gemacht!)

Unser Ziel heißt: Schulden abbauen, keine neuen aufnehmen und unser Land zukunftsfähig machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, lachen Sie nur. Sie können bei der Abstimmung beweisen, wo Sie stehen.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, das ist es, was wir wollen, und das ist es, was wir durchsetzen werden – mit oder ohne Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mir ist nicht ganz klar, wer jetzt spricht. Herr van Ooyen, sind Sie an der Reihe? – Okay. Hier waren nämlich zwei Zettel ganz eng miteinander verschlungen.

(Zurufe: Oh!)

Die Zettel meine ich. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr van Ooyen das Wort.

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt kommt der Schuldenbaron! – Clemens Reif (CDU): Der rote Baron!)

Dabei liegen wir in der Frage nicht ganz beieinander; das ist sicher eines der Probleme.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr wollt Schulden, und die machen sie! – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da hat er wirklich recht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wollen das noch einmal klarstellen. Herr Pentz, ich will Ihnen sagen: Das, was Sie mit den Generationen vorhaben, ist nicht richtig. Ein ganz normaler Banklehrling weiß, dass die Schulden des einen die Vermögen und Überschüsse des anderen sind. Das spielt sich in einer Generation ab, nicht generationenübergreifend. Das Einzige, was generationenübergreifend stattfindet, ist, dass immer weniger Erben immer mehr erben. Das ist das Problem, und davor möchte ich Sie warnen.

Die Legislaturperiode neigt sich ihrem Ende zu. So kommt es, dass wir heute über einen Gesetzentwurf beraten, den uns das Finanzministerium bereits 2011 avisiert hat. Aber offensichtlich sind Dr. Schäfer und die Mitarbeiter in seinem Ministerium damit beschäftigt, Abgeordnetenbriefe zu

erstellen. So kommt es, dass das Gesetz zur Umsetzung der Schuldenbremse erst heute verabschiedet werden soll.

Neben dem Zeitpunkt, zu dem der Gesetzentwurf vorgelegt worden ist, ist auch einiges Inhaltliche bemerkenswert. Dieser Gesetzentwurf ist – ich sage es deutlich – verfassungswidrig. SPD und GRÜNE haben in der Vergangenheit Verhandlungen über die Verankerung der Schuldenbremse geführt und sich bemüht, die Ausgestaltung so zu formulieren, dass die neoliberale Schuldenbremse möglichst schonend umgesetzt werden kann. Man kann RotGrün in Hessen in dieser Frage also bescheinigen, sie haben sich stets bemüht.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass die Schuldenbremse ein neoliberales Instrument ist, um den Sozialstaat zu schleifen und die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand weiter einzuschränken, war von Anfang an klar.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Uns war das klar!)

Da nützt es auch nichts, dass SPD und GRÜNE eine Einnahmeverantwortung für den Landtag und die Landesregierung in der Verfassung verankert haben – das sei zugestanden –; denn davon ist in diesem Entwurf für ein Ausführungsgesetz nichts zu sehen: kein Wort dazu, wie sich das Land zukünftig verhalten soll, wenn, wie einst Hans Eichel, wieder einmal ein SPD-Bundesfinanzminister die Steuern für Reiche und für Konzerne senkt. Kein Wort findet sich in diesem Gesetzentwurf dazu, wie das Land seiner Ausgabeverantwortung dann gerecht werden will.

Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Von dieser Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen habe ich auch gar nichts anderes erwartet. Aber die rot-grünen Schuldenbremser, die sich in Hessen gern in der Regierung sähen, sollten langsam einmal erklären, wie sie die Schuldenbremse umsetzen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schmitt, Sie werden es sicher gleich ausführen: Wo ist denn der Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf, mit dem Sie dafür sorgen, dass er verfassungskonform wird? Wo sind die konkreten Schritte, mit denen Sie die Einnahmeverantwortung des Landes ausgestalten wollen? Nirgendwo.

Deshalb ist das, was SPD und GRÜNE zur Einnahmeverantwortung in die Verfassung geschrieben haben, entweder nichts als wertlose Prosa zur Wählertäuschung, oder dieser Gesetzentwurf ist verfassungswidrig. So versuchen SPD und GRÜNE wieder einmal, einen Weg zu finden, bei dem sie die neoliberale Politik im Kern zwar mittragen, diese aber rot und grün anzustreichen versuchen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Uiuiui!)

Aber selbst an dieser Aufgabe scheitern Sie mittlerweile. Sie hätten nämlich wenigstens einen Teil der Kritik, die in der Anhörung formuliert wurde, aufgreifen können und mit der Regierung Verhandlungen über sogenannte Zugeständnisse führen sollen.

Im Kern sind sich CDU, FDP, SPD und GRÜNE also einig: Sie wollen die Schuldenbremse. Es geht nur noch darum, wo der Sozialstaat zuerst abgebaut wird.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Falsch!)

Es ist nämlich schlicht utopisch, dass ein Land die Schuldenbremse aus eigener Kraft einhalten kann, ohne dass die Leistungen der öffentlichen Hand eingeschränkt und Investitionen in Bildung, Soziales und Infrastruktur massiv gekürzt werden.

Das Land hat auf der Einnahmenseite nur zwei Handlungsoptionen. Eine Handlungsoption ist, auf der Bundesebene, sprich: im Bundesrat, für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer zu kämpfen. Dabei reden wir nicht über eine Vermögensteuer light, wie das jetzt beispielsweise SPD und GRÜNE fordern, sondern eher über eine Vermögensteuer, wie sie noch unter Helmut Kohl galt.

Die andere Handlungsoption heißt Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Das haben wir in der Legislaturperiode bereits getan. Ich sehe nicht, dass dies die Steuer ist, mit der man den Sozialstaat finanzieren kann. Wer aber ernsthaft für höhere Steuereinnahmen, für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen von oben nach unten eintritt, der braucht keine Schuldenbremse.

(Beifall bei der LINKEN)

Die vier Fraktionen, die in diesem Hause die Schuldenbremse vertreten, brauchen die Schuldenbremse, um den Menschen immer erklären zu können, warum sozialer Fortschritt in diesem Land nicht finanzierbar ist.

Angesichts des 150. Geburtstags der SPD möchte ich an dieser Stelle Ferdinand Lassalle als einen ihrer Gründungsväter zitieren. Lassalle sagte:

Verfassungsfragen sind ursprünglich nicht Rechtsfragen, sondern Machtfragen; die wirkliche Verfassung eines Landes existiert nur in den reellen tatsächlichen Machtverhältnissen, die in einem Land bestehen; geschriebene Verfassungen sind nur dann von Wert und Dauer, wenn sie der genaue Ausdruck der wirklichen, in der Gesellschaft bestehenden Machtverhältnisse sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es nutzt also nichts, wenn man, wie SPD und GRÜNE, versucht, eine neoliberale Verfassung so zu wenden, dass sie sozial aussieht. Vielmehr muss man die Gesellschaft, in der eine solche Verfassung entsteht, mit Solidarität und den Waffen der Demokratie verändern. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Schuldenbremse weder von Wert noch von Dauer ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion der SPD hat Herr Norbert Schmitt das Wort. Bitte schön.