Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

Herr Klose, Entschuldigung; Herr Kollege Klose, die Antwort geht jetzt an Sie – in dieser Thematik beruht. Ich will Ihnen das gerne beantworten. Mein Unbehagen resultierte aus dem Umstand, dass zwischenzeitlich der Eindruck entstanden war, dass eine so schwierige und grundsätzliche Frage jetzt ganz schnell, sozusagen nebenbei und dann auch noch zu Wahlkampfzeiten gelöst werden könnte. Genau das halte ich für falsch.

Die Fragen der Volladoption durch gleichgeschlechtliche Paare kann man meines Erachtens nicht durch einen Schnellschuss lösen. Warum? – Es geht hier nicht um die Fragen der Besteuerung gleichgeschlechtlicher Paare. Es geht hier nicht einmal in erster Linie um die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Paare. Hier geht es um etwas völlig anderes. Das ist für mich entscheidend. Hier geht es um die Rechte der Kinder, wie sie im Begriff des Kindeswohls zusammengefasst sind.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Um die Gewährleistung des Kindeswohls muss es gehen. Das ist auch der entscheidende Unterschied zu all den anderen Fragen, die das Bundesverfassungsgericht bislang entschieden hat oder für die wir gesetzliche Regelungen haben, die man für richtig oder vielleicht auch für weniger angemessen halten kann.

Zu diesem Sachverhalt gibt es viele Meinungen, engagierte Beiträge, Glaubensüberzeugungen. Alles das ist, wie ich finde, in einer Debatte zu respektieren. Aber es gibt wenige belastbare Fakten. Entgegen mancherlei Behauptung gibt

es auch keine verfassungsrechtliche Grundlage, die uns zu einem sicheren Ergebnis führen würde.

In dem Antrag, den die GRÜNEN vorgelegt haben, wird Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der steuerlichen Behandlung, also des berühmten Ehegattensplittings. Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass diese Entscheidung nichts, aber auch gar nichts dazu beiträgt, uns eine Antwort auf die Frage zu geben: „Wie sind die Rechte der Kinder, wie ist das Kindeswohl abzuwägen?“ Das ist ein neuer Sachverhalt. Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht bislang nicht beschäftigt. Ich füge hinzu: Das ist auch ein anderer Sachverhalt als der, den wir bei dem Thema der sogenannten Sukzessivadoption hatten. Ich halte es für juristisch richtig, wie das entschieden wurde.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei der Volladoption geht es ausschließlich um die Frage: Wie kann das Kindeswohl am besten gesichert werden?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! Worin besteht die Gefährdung?)

Da das – ich wiederhole das – mit Sicherheit nicht in einer juristischen Analogie zu Steuerrechtsfragen gelöst werden kann, bin ich der Auffassung, dass das nicht mit einem Schnellschuss geht.

Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich glaube, wir brauchen nicht darüber zu streiten – das sollten wir aus meiner Sicht jedenfalls nicht –, dass es selbstverständlich gleichgeschlechtliche Paare gibt, die Kinder liebevoll erziehen, und dass es bedauerlicherweise heterosexuelle Paare gibt, die ihre Kinder vernachlässigen. Das kann doch in dieser Debatte niemand sinnvollerweise bestreiten. Nach meiner festen Überzeugung kann auch niemand mit Gewissheit vortragen, dass wir uns in dieser Frage schon eine auf Fakten basierende Meinung bilden können, die wir wirklich verantworten.

Die Landesregierung möchte sich diese Meinung wie folgt bilden – ich empfehle uns allen, dass wir vielleicht so vorgehen –: Ich glaube, wir tun gut daran – nicht zuletzt auch um eine möglichst breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten, wie auch immer die Entscheidung dann ausfällt –, wenn wir die Debatte mit großer Sorgfalt, in angemessener Sprache und ohne Schaum vor dem Mund führen und indem wir bei einer so wichtigen Frage wechselseitig einmal darauf verzichten, uns vorzuwerfen, dass der eine oder der andere so verbunkert und verengt sei, dass er nur eine sehr eingeschränkte Sicht in dieser Debatte hätte.

Ich nehme für die Landesregierung ausdrücklich in Anspruch, dass wir diese Debatte so führen werden, wie ich vorgetragen habe: mit großer Sorgfalt, in angemessener Sprache und ohne gegenseitige Schuldzuweisungen. Dies, meine Damen und Herren, scheint mir der klügste Weg zu sein, um zu erkunden und dann auch abzuwägen, wie man dem Kindeswohl am besten gerecht wird. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Was sagt der Justizminister dazu?)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das Wort hat Herr Abg. Klose von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Günter Rudolph (SPD): Was war jetzt die Position der Landesregierung? – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, um das zu beantworten: Der Ministerpräsident hat knapp sieben Minuten lang gesprochen. Jede Fraktion hat die Möglichkeit, sieben Minuten zu sprechen. Darüber sind wir uns doch einig; das steht so in der Geschäftsordnung. Da gibt es keinen Krach. – Bitte, Kollege Klose.

(Günter Rudolph (SPD): Sieben Minuten lang nichts gesagt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich auf das Thema Adoptionsrecht eingehe, angesichts des heutigen Datums zunächst eine Erinnerung. Es ist heute auf den Tag genau 34 Jahre her, dass Schwule, Lesben und Transgender im New Yorker Greenwich Village erstmals Widerstand geleistet haben gegen die willkürlichen Polizeirazzien, denen sie bis 1969 und auch noch danach ausgesetzt waren. Eingangs möchte ich deshalb mit meiner Rede auch an die tapferen Menschen erinnern, die sich damals dafür verprügeln lassen mussten, dass wir heute beispielsweise in diesem Land einen schwulen Außenminister haben können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dass das Oberste Bundesgericht der USA am gestrigen Tag das Verbot der Gleichstellung der Homo-Ehe als Verfassungsbruch gegeißelt hat, ist diesen Menschen hoffentlich eine späte Genugtuung.

Auch in Deutschland sind seit dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes zahlreiche Verfassungsgerichtsurteile zur Gleichstellung ergangen. Das Gericht musste am Ende immer wieder entscheiden, weil – da muss ich Ihnen in der Tat widersprechen, Herr Ministerpräsident – CDU und CSU nicht in der Lage sind, gesellschaftliche Realitäten in diesem Land anzuerkennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Zuletzt war das beim Ehegattensplitting so; Sie wissen es. Die EKD und die EKHN sind dabei gerade einen guten Schritt vorangekommen. Auch in Hessen war es so, dass die rückwirkende Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften im Landesrecht leider erst dann verwirklicht worden ist, als die entsprechenden Verfassungsgerichtsurteile Sie dazu gezwungen haben. Noch im Jahr 2010 haben CDU und FDP im Landtag eine solche Regelung abgelehnt, und noch im September 2012 stimmten Sie hier gemeinsam gegen die steuerliche Gleichstellung. Das ist in der Tat so.

Was jetzt zur völligen Gleichstellung noch fehlt, ist ein entsprechendes Adoptionsrecht. In einem Satz stimme ich Ihnen zu: Es kann und darf beim Adoptionsrecht allein nur um das Kindeswohl gehen. Das ist vollkommen richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Allerdings geht es uns da eher wie Ihrer Parteifreundin, Bundesministerin von der Leyen. Sie sagt nämlich, ihr sei keine einzige Untersuchung bekannt, die zu dem Ergebnis komme, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders ginge als Kindern, die in gemischtgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Ich weiß nicht, ob Sie eine solche Studie kennen; dann würde ich Sie bitten, diese vorzutragen.

Es gibt eine umfangreiche Studie ausgerechnet des bayerischen Staatsinstituts für Familienforschung aus dem Jahr 2009, die zu folgendem Schluss kommt: Nicht die sexuelle Orientierung der Eltern ist entscheidend für das Wohlergehen und die Entwicklung der Kinder, sondern die Beziehungsqualität und das Klima in der Familie. – So einfach ist das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

In allen anderen Staaten, die schon seit vielen Jahren ein vollständiges Adoptionsrecht haben, gibt es ebenfalls keinerlei dem entgegenstehende Erkenntnisse.

Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier klargestellt haben – auch aufgrund meiner Frage in der Fragestunde –, was Sie mit diesem „gewissen Unbehagen“ meinen. Denn damit haben Sie schon eine gewisse Verunsicherung gegenüber den Betroffenen ausgelöst, übrigens auch bei den Kindern, die längst in solchen Lebenspartnerschaften leben. Das ist ja Lebensrealität in Deutschland und nichts, was möglicherweise erst noch vom Himmel fällt. Insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie das jetzt rein auf die Form bezogen haben.

Dennoch kann ich Ihnen natürlich nicht in Ihrer Auffassung beipflichten, dass wir hier noch abzuwarten hätten. Die Fakten liegen alle auf dem Tisch. Ihr Vizeministerpräsident ist offensichtlich in der Lage, aufgrund dieser Fakten ein Urteil zu fällen.

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Er hat sich festgelegt. Herr Minister Hahn, ich begrüße ausdrücklich, dass Sie in dieser Frage offensichtlich anderer Meinung sind als der Ministerpräsident und dass Sie dieses Unbehagen offensichtlich nicht verspüren.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie haben vor drei Wochen für das Land Hessen gesprochen, denn Sie sind ja nicht als Privatmann Mitglied in der Justizministerkonferenz.

(Unruhe bei der CDU – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Sie haben für das Land Hessen dafür plädiert, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften das gleiche Adoptionsrecht wie Eheleuten zu ermöglichen. Wir freuen uns, Herr Hahn, dass auch Sie inzwischen dieser Meinung sind. Ausweislich Ihrer eigenen Presseerklärung haben Sie sich in dieser Sache ja als Justizminister und Vizeministerpräsident des Landes Hessen geäußert.

(Günter Rudolph (SPD): Also gibt es eine Position der Landesregierung?)

Ich gehe auch davon aus, dass Sie keine politisch gespaltene Persönlichkeit sind, die außerhalb Hessens die eine

Überzeugung hat und innerhalb der Landesgrenzen und in diesem Landtag dann eine andere Meinung vorträgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Ministerpräsident hat dann postwendend erklärt, das sei die Privatmeinung von Herrn Hahn. Genau deshalb finde ich, die Hessinnen und Hessen – egal auf welcher Seite sie in der Sache stehen – haben ein Recht darauf, zu erfahren, welche Position die Landesregierung in dieser Frage vertritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das gilt selbstverständlich auch für die Fraktionen, die diese Landesregierung tragen.

Sie finden in unserem Antrag nichts anderes als das, was Sie, Herr Hahn, selbst geäußert haben. Sie haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. Sie haben gesagt: Wer gleiche Pflichten hat, muss gleiche Rechte haben. Sie haben die umgehende Gleichstellung im Adoptionsrecht gefordert. Da sind wir nun sehr gespannt, ob Ihr Wort tatsächlich gilt, lieber Herr Hahn – innerhalb und außerhalb Hessens.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen auch von den Fraktionen der CDU und der FDP, damit nicht nur Ihr Minister, sondern auch Sie selbst das hier unmissverständlich dokumentieren können, beantrage ich seitens meiner Fraktion für unseren Entschließungsantrag hiermit eine namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Klose. – Das Wort hat Frau Abg. Hofmann für die SPD-Fraktion.