Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

Vielen Dank, Herr Klose. – Das Wort hat Frau Abg. Hofmann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Bouffier, ein Ministerpräsident dieses Landes, der nur noch Fragen stellt, aber keine Antworten mehr gibt, der ist in der Tat fertig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der CDU: Wer nicht fragt, bleibt dumm!)

Sie haben hier ganz schön herumgeeiert. Die Frage des Adoptionsrechts ist ja nicht vom Himmel gefallen; sie ist in der Tat nicht neu.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben die Wählerinnen und Wähler dieses Landes, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes in der Tat ein Recht darauf, von Ihnen zu erfahren, wie Sie in dieser Frage stehen.

Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Politik, insbesondere die konservative Seite dieses Hauses, in Fragen der Gleichstellung immer wieder zum Jagen tragen musste. Zum sechsten Mal in Folge hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt: Gleiches muss gleich behandelt werden.

Nun sind in der Tat Sie gefordert. Wie zahlreiche andere Paare warten auch viele lesbische und schwule Paare seit Jahren darauf, ein Kind adoptieren zu dürfen, eine Familie gründen zu können.

Nun gibt es für den Gesetzgeber und für Sie keine Ausflüchte mehr. Wir begrüßen den Sinneswandel von Justizminister Hahn in dieser Frage ausdrücklich, der auf der letzten Justizministerkonferenz diesbezüglich einen Vorstoß unternommen hat. Ministerpräsident Bouffier ist dieser Frage selbst erst ausgewichen. Ich glaube auch, dass es in dieser Frage in der Tat einen richtigen Koalitionskrach gibt, der in den nächsten Wochen und Monaten ausgesessen werden soll.

(Beifall bei der SPD)

So haben Sie, Herr Ministerpräsident Bouffier, in dieser Frage – das ist der „FAZ“ vom 13.06. zu entnehmen – gegenüber Ihrem Kollegen Hahn gesagt: „Das ist deine Auffassung, Jörg-Uwe.“ – Das ist nichts Neues, denn die CDU, gerade in Hessen, ist in dieser Frage seit Jahren aus rein ideologischen Gründen der Bremsklotz. Herr Hahn, wir erwarten in der Tat, dass diesen Absichtserklärungen von Ihnen auf der Justizministerkonferenz auch wirklich Taten folgen. Wir wollen jetzt Antworten bekommen. Deshalb müssen Sie Butter bei die Fische geben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie, Herr Ministerpräsident Bouffier, das ist auch die falsche Baustelle, argumentieren mit dem Wohl der Kinder. Richtig ist, dass das Kindeswohl immer im Einzelfall geprüft wird, sowohl bei gleichgeschlechtlichen Paaren als auch bei nicht gleichgeschlechtlichen Paaren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es geht hier im Kern um Diskriminierung und um nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Insbesondere der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung haben sich schon mit verschiedenen Studien auseinandergesetzt, auf die der Kollege schon eingegangen ist und die klar nachgewiesen haben, dass es eben nicht entscheidend ist, ob ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen oder nicht gleichgeschlechtlichen Paarbeziehung aufwächst, sondern dass für die Kindeswohlentwicklung ganz andere Indikatoren – eine gute Erziehung, Liebe und eine gute Paarbeziehung – tragend sind. Es ist virulent, dass es nicht entscheidend ist, ob gleichgeschlechtliche oder nicht gleichgeschlechtliche Paare ein Kind erziehen, sondern dass ganz andere Punkte entscheidend sind.

Wir fordern Sie deshalb auf, hier nicht herumzueiern, sondern den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes klar zu sagen, wofür Sie stehen, ob Sie für das Adoptionsrecht sind und die Diskriminierung beenden wollen. Dazu fordern wir Sie heute auf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hofmann. – Das Wort hat Herr Abg. Mick, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man merkt, dass Wahlkampf ist. Die Bundestags- und die Landtagswahl liegen zusammen, und deswegen ist es durchaus legitim, dass man hier einmal ein Bundesthema diskutiert. Aber es bleibt eben dabei – das hat auch der Ministerpräsident gesagt –: Es ist in erster Linie ein Bundesthema, aber es bietet sich an, das gleich mit zu behandeln. Deswegen gestatten Sie mir – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angefangen hat Ihr Parteivorsitzender! – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Schon nach zwei Sätzen regt ihr euch auf! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Warum sind Sie denn so aufgeregt? – Deswegen verlese ich ähnlich wie beim letzten Mal die entsprechende Passage aus dem Bundestagswahlprogramm der FDP für die Bundestagswahl 2013. Dort heißt es:

Für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften gleich wertvoll, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Alle Paare sollen die Ehe eingehen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht!)

Jetzt hören Sie doch erst einmal zu.

Bis dahin gilt: Wer gleiche Pflichten hat, verdient auch gleiche Rechte. Eingetragene Lebenspartnerschaften müssen mit der Ehe gleichgestellt werden – vor allem noch im Einkommensteuerrecht, bei der Riester-Rente und bei Adoptionen.

Für gleichgeschlechtliche Lebenspartner hat die aktuelle Bundesregierung die Gleichstellung mit Ehegatten bereits in zahlreichen Lebensbereichen verwirklicht, z. B. im öffentlichen Dienstrecht, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer, beim BAföG und bei vermögenswirksamen Leistungen. Gerade heute Abend findet nach dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts aktuell eine Debatte zum Ehegattensplitting im Bundestag statt.

Im Landesrecht, um uns einmal auf der Ebene zu bewegen, für die wir die Verantwortung tragen, hat die schwarz-gelbe Landesregierung die Gleichstellung ebenfalls in den Bereichen umgesetzt, für die sie die Verantwortung trägt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich begrüße, dass Herr Klose heute einen sehr ruhigen und ausgewogenen Redebeitrag geliefert hat. Das war, wenn man sich die Zeitungsinterviews und seine Twitternachrichten durchliest, nicht immer der Fall. Man hat im Gegenteil eher den Eindruck, dass, je mehr Gleichstellung verwirklicht wird, die Debatte über den Rest umso schriller und hysterischer wird, zumindest vonseiten der GRÜNEN.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Man hat ein bisschen den Eindruck, dass Sie nervös werden, da sich Schwarz-Gelb in Hessen und im Bund so erfolgreich für die Gleichstellung eingesetzt haben und einsetzen werden. Ich habe gerade ausgeführt, welche Bereiche das waren.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Wer?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt einmal zum Inhalt. Verfassungsgerichtsurteile sind umzusetzen. Daran gibt es keinen Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner letzten Entscheidung wieder einmal pro Gleichstellung entschieden. Darin sind wir uns doch alle einig. Mittlerweile kann man tatsächlich eine gewisse Linie erkennen, und diese deutet darauf hin, dass es sich auch bei seinen weiteren Entscheidungen pro Gleichstellung entscheiden wird und dass dies auch in näherer Zukunft der Fall sein wird.

(Günter Rudolph (SPD): Eben!)

Ich habe schon beim letzten Mal ausgeführt, dass ich es für ziemlich ineffizient halte, sich die Gleichstellung als Gesetzgeber quasi scheibchenweise, Urteil für Urteil, vom Bundesverfassungsgericht vorschreiben zu lassen,

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

dass man also jedes Mal sozusagen ein Gesetz nachschiebt, das das letzte Urteil umsetzt. Ich denke – das habe ich das letzte Mal schon gesagt –, dass man das Thema, wenn das die absehbare Auslegung der Verfassung ist, ein für alle Mal in einem großen Wurf abräumen sollte.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nur Mut!)

Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, dass es bei der ganzen Frage natürlich um Gleichstellung und Antidiskriminierung geht, dass der Kern der ganzen Debatte aber immer das Kindeswohl sein muss. Das will ich hier noch einmal hinterlegen: Der Kern der ganzen Debatte muss das Kindeswohl sein, das sollte gerade beim Adoptionsrecht immer im Vordergrund stehen.

(Dieter Franz (SPD): Wo gibt es hier einen Widerspruch?)

Ich habe aber keine Zweifel, dass das bei den jetzt diskutierten Regelungen auch der Fall sein wird.

Man muss es im Vergleich zum letzten Mal – wir hatten diese Debatte vor ein paar Wochen schon einmal – noch einmal sagen: Das Thema ist immer noch ein Bundesthema. In Hessen haben wir in diesem Bereich unsere Hausaufgaben schon erledigt. Das heißt, in Hessen haben wir nichts mehr zu tun. Sie wissen – es ist auch kein Geheimnis, und es bringt nichts, das zu verheimlichen, es wäre auch albern –, dass das Ganze eine Diskussion ist, in die die CDU und die FDP mit unterschiedlichen Positionen reingehen. Das brauchen wir nicht zu verheimlichen. Das ist auch auf Bundesebene so; das haben Sie auch mitbekommen. Es gibt in der CDU eine lebhafte Diskussion, und es gibt in der FDP eine lebhafte Diskussion; aber ich bin davon überzeugt, dass es uns auf Bundesebene gelingen wird, eine vernünftige Lösung im Interesse aller Beteiligten umzusetzen.

(Beifall bei der FDP – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie entscheidet denn jetzt Hessen im Bundesrat?)

Was Ihren Entschließungsantrag angeht – er läuft heute auch parallel im Bundestag –, stelle ich fest: Sie wollen hier Wahlkampf betreiben. Das ist Ihr gutes Recht. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass man in einer Koalition, unabhängig von Parteimeinungen, mit denen man in einen Wahlkampf reingeht, natürlich auch gemeinsam Verantwortung trägt. Der Ministerpräsident hat die Linie der Landesregierung gerade dargestellt.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber wie wird Hessen im Bundesrat entscheiden?)

Wir als Koalition von CDU und FDP arbeiten hier seit viereinhalb Jahren vertrauensvoll zusammen. Deswegen wird es Ihnen, auch wenn wir als FDP Ihrem Antrag in einigen Punkten durchaus zustimmen können, nicht gelingen, uns als Koalition zu spalten. Natürlich stimmen wir als Koalition nach intensiver Beratung gemeinsam im Landtag ab; da haben Sie wohl auch nichts anderes erwartet. Insofern können Sie hier gern Ihren Wahlkampf machen – es wird Ihnen nicht gelingen, uns, CDU und FDP, mit diesem Thema zu spalten. Ich gehe davon aus, dass wir nach der Bundestagswahl über das Thema eine intensive Diskussion führen werden und dass es dann ein für alle Mal abgeräumt wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Mick. – Das Wort hat Herr Abg. Dr. Wilken, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Beitrag des Ministerpräsidenten Bouffier hat eben damit begonnen, dass Sie sagten, Sie als Landesregierung hätten sich noch keine Meinung gebildet. Es ist ja wohl eher so, dass Sie zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen in Ihrer Regierung haben. Das würde das Problem wohl besser beschreiben.