Zur Einbringung erteile ich der Landesregierung das Wort. Herr Staatsminister Grüttner, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 2011 in der Rechtssache Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland sind alle Bundesländer gehalten, soweit nicht bereits geschehen, ihre Landesblindengeldgesetze dahin gehend zu erweitern, dass neben den Personen, die im jeweiligen Bundesland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, auch diejenigen Personen anspruchsberechtigt sein können, denen die Verordnung der EG Nr. 883/2004 in der jeweils geltenden Fassung einen solchen Anspruch verleiht.
An dieser Stelle haben wir intensiv mit der Bundesregierung verhandelt, wie die Umsetzung ist. Letztendlich ist es aber so gewesen, dass die EU gesagt hat, wenn es nicht entsprechende Anpassungen in den einzelnen Landesblindengeldgesetzen gibt, dann wird die EU Sanktionen in Form von Strafzahlungen aussprechen.
Um dieses zu vermeiden, muss auch das Land Hessen sein Landesblindengeldgesetz ändern. Dabei ist zu betonen, dass dies keinen Einfluss auf die Situation der bisher anspruchsberechtigten Menschen hat. Ihnen wird diese Leistung auch weiterhin vollumfänglich zur Verfügung stehen.
Ich weise allerdings noch darauf hin, dass diese Gesetzesänderung auch die Bekanntgabe der überarbeiteten augenfachärztlichen Bescheinigung umfasst. Diese Bescheinigung ist schon vor ein paar Monaten geändert und im Erlasswege bekannt gemacht worden. Da die augenärztliche Bescheinigung aber Anlage dieses Gesetzes ist, wird diese Gelegenheit genutzt, die Bescheinigung in ihrer aktualisierten Fassung jetzt auch in Gesetzesform zu veröffentlichen.
Vielen Dank. – Damit ist das Gesetz in erster Lesung eingebracht. Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Damit ist die erste Lesung vollzogen, und wir überweisen diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Drucks. 18/7752 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, SGB XII, haben sich für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zum 1. Januar 2013 Änderungsbedarfe ergeben. Erst am 20. September dieses Jahres hat der Bundesrat seine letztendlichen Entscheidungen dahin gehend getroffen, wie die Umsetzung dieses Bundesgesetzes aussieht.
Dies ist von den Ländern abzuwarten gewesen, um das dann in landesgesetzliche Regelungen ummünzen zu können. Durch die ausgefallene Sitzung des Hessischen Landtags im Oktober entsteht nun ein entsprechender Zeitdruck. Wir wissen, in diesem Jahr hat der Bund 75 % der Geldleistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII übernommen.
Ab dem 1. Januar übernimmt der Bund 100 % der Geldleistungen der Grundsicherung nach SGB XII. Damit muss ab dem 1. Januar 2014 eine landesgesetzliche Umsetzung im Rahmen des Hessischen Ausführungsgesetzes als Rechtsgrundlage für den Mittelabruf, die Auszahlung sowie die Prüf- und Nachweispflichten hinsichtlich der genannten Mittel erfolgen.
Die Bundeserstattung zu 100 % bewirkt eine Neuregelung der Mittelverteilung in Abweichung von der bisherigen Regelung. Es bedeutet den Wegfall des Vorwegabzugs in Höhe von 5 % für den LWV Hessen. Stattdessen soll künftig bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine volle Kostenerstattung an den LWV Hessen erfolgen. Das bedeutet: Jeder erhält das, was er an Nettoausgaben entsprechend der bundesgesetzlichen Regelung in § 46a SGB XII hat.
Nach der bundesgesetzlichen Regelung müssen auch die Träger der Grundsicherung benannt werden. In Hessen sind die bisherigen Zuständigkeiten erhalten geblieben. Das bedeutet, dass der Grundsicherungsträger geblieben ist und bleibt, der bisher diese Aufgabe schon wahrgenommen hat. Es bedarf jedoch einer Klarstellung, welche Stellen in Hessen die Träger der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sein müssen. Hier ergibt sich also entsprechender Handlungsbedarf.
Wie schon erwähnt: Sachlich zuständig werden weiterhin die örtlichen Träger der Sozialhilfe sein. Die örtliche Zuständigkeit soll mit § 3 des Ausführungsgesetzes klarstel
lend geregelt werden. Der Träger der Sozialhilfe soll zuständig sein, in dessen Bereich gewöhnlich der Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten liegt.
Gleichzeitig muss man an dieser Stelle auch sagen, dass es aufgrund des zukünftigen Wegfalls des Vorwegabzugs beim Landeswohlfahrtsverband intensive Beratungen mit den Kommunalen Spitzenverbänden gegeben hat. Ich weiß, dass die Fraktionen vor Kurzem vom Hessischen Städtetag angeschrieben wurden. Ich will an dieser Stelle Folgendes dazu sagen: In unseren Gesprächen hatte der Hessische Städtetag der Regelung zunächst zugestimmt. Anschließend hat er das wieder zurückgenommen.
Das liegt schlicht und einfach daran, dass man dem Landeswohlfahrtsverband nicht gerne das volle Geld geben möchte. Vielmehr möchte man bei dieser Fragestellung versuchen, das über die Umlage entsprechend zu refinanzieren.
Würden wir dem Vorschlag des Hessischen Städtetags folgen, würden wir uns in die Gefahr begeben, dass der Bund die Mittel für die Grundsicherung im Alter zurückfordern würde, weil der Träger der Grundsicherung nicht benannt würde. Da es sich um einen Betrag von ungefähr 470 Millionen € per annum handelt, scheint es gerechtfertigt zu sein, den Landeswohlfahrtsverband auch entgegen den Bedenken des Hessischen Städtetags zum Träger zu benennen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Herr Staatsminister, vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält Frau Abg. Neipp für die CDUFraktion.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2011 haben der Bund und die Länder vereinbart, dass der Bund schrittweise die Nettoausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung übernimmt. Die Erstattung der Nettoausgaben wurde von 75 % für das Jahr 2013 auf 100 % ab dem Jahr 2014 erhöht. Die Kollegen im Haus, die so wie ich seit Jahren kommunalpolitisch tätig sind, werden sehr genau wissen, dass es sich dabei um eine große finanzielle Last für die Kommunen handelt, die ihnen nun von den Schultern genommen werden wird. Ich denke, das ist für unsere Kommunen in Hessen eine grandiose Nachricht.
Dafür gilt all denjenigen der Dank, die in der Gemeindefinanzkommission für diese gute Regelung gearbeitet haben. Ich möchte insbesondere Herrn Sozialminister Grüttner und Herrn Finanzminister Dr. Schäfer danken, die dieses in Berlin für unsere Gemeinden wirklich erreicht haben.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Landesrecht an die bundesrechtlichen Änderungen angepasst werden. Damit soll insbesondere die Zuständigkeit für die Leistungen der Grundsicherung bestimmt werden.
Im Jahr 2014 wird der schrittweise Aufstufungsprozess abgeschlossen sein. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird ab dem kommenden Jahr komplett
vom Bund gezahlt werden. Für die Kommunen in Hessen bedeutet das eine finanzielle Entlastung in Höhe von 470 Millionen €. Die Tendenz ist dabei steigend.
Da der Bund die Gelder demnächst vollständig bereitstellen wird, wird die Aufgabe der Grundsicherung im Alter zu einer der Bundesauftragsverwaltung. Das heißt natürlich auch, dass die Ermessensspielräume der Landesregierung begrenzt sein werden. Dennoch bedarf es selbstverständlich einer Umsetzung der neuen Regeln des Bundes in hessisches Recht. Das wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gewährleistet werden.
Für uns, die Mitglieder der CDU, ist es dabei wichtig, dass die Bundesmittel in voller Höhe und ohne Abzüge bei den Kommunen ankommen werden.
Daher werden wir eine 100-prozentige Weiterleitung der Mittel an die Kommunen festschreiben. Außerdem wollen wir die Regeln und Abrechnungsmodalitäten so einfach und unbürokratisch wie möglich gestalten.
Wichtig ist aber auch, dass die Kommunen ihre Ausgaben schnell, regelmäßig und standardisiert erstattet bekommen, damit keine Finanzierungslücken auftreten. Nicht zuletzt werden die örtlichen und überörtlichen Träger der Grundsicherung festgelegt werden.
Sie haben es gehört: Klar ist auch, dass damit der bewährte bisherige Vorwegabzug in Höhe von 5 % für den Landeswohlfahrtsverband wegfallen muss. Angesichts der vollständigen quartalsweisen Übernahme der realen Kosten durch den Bund wird diese Regelung obsolet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich Folgendes sagen: Uns liegt ein guter Gesetzentwurf vor. Damit wird das größte Entlastungsprogramm für die Kommunen seit Jahrzehnten umgesetzt werden.
In Absprache mit dem Präsidenten darf ich noch ein paar Worte in eigener Sache an Sie richten. Denn ich möchte die Gelegenheit meiner Rede in diesem Plenum gerne dazu nutzen, mich bei Ihnen allen zu bedanken, die es mir sehr leicht gemacht haben, mich im Landtag zurechtzufinden, einzuarbeiten und mich wohlzufühlen. Ich danke natürlich den Mitgliedern meiner Fraktion, aber auch all den Kollegen, die mich dieses Jahr begleitet haben. Ich danke auch jenen außerhalb des Landtags.
Zum Schluss meiner Rede möchte ich einen kleinen Hinweis geben. Als gebürtige Möllnerin, also der Stadt, in der Till Eulenspiegel angeblich 1350 begraben wurde, möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben, dass es manchmal nicht verkehrt ist, dass einem der Spiegel vorgehalten wird. Die Streiche des Till Eulenspiegels ergaben sich meist daraus, dass er eine bildliche Redewendung wörtlich nutzte. Dieses Mittel benutzte er als Spiegel, um so Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen darzustellen, aber auch um die seinerzeit bestehenden Missstände aufzudecken. Dieses übertragen auf die Wortduelle in diesem Haus möchte ich Folgendes sagen: Vielleicht ist es mitunter ratsam, sich selbst den Spiegel vorzuhalten und zu erkennen, wer man ist bzw. was man ist und wie man sein sollte.
In diesem Sinne wünsche ich den Abgeordneten des neuen und des alten Landtags Mut und Größe zu Ehrlichkeit und Klarheit im Wort. Man sollte sich immer der Bedeutung des Mandats bewusst sein. – Danke schön.
(Beifall bei der CDU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Abgeordnete, vielen Dank. – Ich sage jetzt etwas Formales: Sie sind exakt in der vorgesehenen Redezeit geblieben, trotz der Ausführungen zu Till Eulenspiegel. Vielleicht war es auch gerade deswegen der Fall.
Ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrer Jungfernrede und wünsche Ihnen alles Gute, auch wenn wir uns im neuen Landtag nicht mehr sehen werden. Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Tatsächlich ist die Regelung der Finanzierung der Aufwendungen für die Grundsicherung durch den Bund eine wegweisende Entscheidung zur Entlastung insbesondere der Kommunen in der Frage des Schutzes der Menschen gegen Armut gewesen. Das ist umso bemerkenswerter, als dies ein Projekt der Großen Koalition auf Bundesebene war. Ungeachtet mancher Unkenrufe in aktuellen Debatten sieht man daran, dass auch damit wegweisende Entscheidungen vorangebracht werden können.
Umso bedauerlicher und bemerkenswerter ist es, dass uns, den Mitgliedern des Hessischen Landtags, dieser Entwurf für ein Ausführungsgesetz nach einem solchen Prozess, der nun keineswegs erst in den letzten Tagen eingetreten ist, zu einem so späten Zeitpunkt vorgelegt wird. Denn der Herr Staatsminister hat darauf verwiesen, dass es im Umgang mit den Kommunalen Spitzenverbänden wie mit den Wohlfahrtsverbänden in einzelnen Fragen durchaus diskrepante Auffassungen gibt.
Ich will eines ganz ehrlich sagen: Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, der als Gesetz das Verfahren in der Verwaltung regeln soll, also die Zuständigkeiten verteilen soll. Meines Erachtens gibt es da keinen inhaltlichen Streit um den Gegenstand des Gesetzentwurfs. Den kann es gar nicht geben, sondern es geht da um Vorschriften des Verfahrens.