Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

schlechte Bezahlung, geringe Wertschätzung. All das hat dazu geführt, dass der Beruf der Erzieherin und erst recht der Beruf des Erziehers – um dies an der Stelle noch einmal zu betonen – für junge Männer und junge Frauen nicht attraktiv ist.

Ein Teil des Umsetzungsproblems ist deswegen jetzt der akute Fachkräftemangel. Ich befürchte: nicht nur ein akuter Fachkräftemangel; wenn nicht rasch etwas Grundsätzliches geschieht, ein chronischer.

Meine Damen und Herren, deswegen sind drei Fragen im Zusammenhang mit der Personalsituation in den Kindertagesstätten jetzt gründlich zu beantworten.Auf alle diese drei Fragen ist uns die Landesregierung in den letzten zehn Jahren und leider auch in der Debatte in den vergangenen Wochen die Antwort schuldig geblieben.

Die erste Frage ist, welche Art von Fachkräften wir zukünftig brauchen, also die Frage nach dem qualitativen Bedarf: nach einer Höherqualifizierung, der Ausbildung, ob wir unterschiedliche Ausbildungsniveaus, unterschiedliche Qualifikationsniveaus in den Einrichtungen brauchen oder verkraften können, oder ob es ein einheitliches Niveau geben soll. Ich will zugeben, dass diese Frage schwer zu beantworten ist. Auch ich bin noch zu keiner abschließenden Antwort dazu gekommen. Aber man kann im Moment keinen geordneten Willen der Landesregierung erkennen, an der Beantwortung dieser Frage zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Die zweite Frage ist die nach dem zusätzlichen Fachkräftebedarf, der durch die Verordnung vom letzten Dezember ausgelöst wurde. Hier hat uns die Landesregierung bisher keine detaillierten, belastbaren Daten vorgelegt. Der Minister und die Ministerin haben von 6.000 bis 8.000

fehlenden Fachkräften gesprochen, bei einer Lücke von 5.000 Fachkräften. Der Paritätische Wohlfahrtsverband – um eine Gegenmeinung zu zitieren – ist in einer Studie in den letzten Tagen zu dem Ergebnis gekommen,dass wir es bis 2014 mit einem ungedeckten Fachkräftebedarf von 35.000 zu tun haben werden.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Das ist natürlich in hohem Maße von politischen Setzungen abhängig. Aber wir alle haben gesagt, wir wollen etwas mehr für die Qualität in den Einrichtungen tun.Selbst wenn die Wahrheit also irgendwo in der Mitte läge, wäre die Antwort auf die Frage drei doch dringend erforderlich. Die Frage drei lautet, wie dieser zusätzliche und qualitativ andere Bedarf künftig gedeckt werden kann.

Herr Kollege Merz, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Auch da war das, was die Landesregierung, z. B. Frau Ministerin Henzler im Ausschuss, bisher vorgelegt hat, ein Dokument der Hilflosigkeit. Denn sie ist jede, aber auch jede Antwort darauf schuldig geblieben, welche Initiativen das Land ergreifen will, um diesen zusätzlichen Fachkräftebedarf zu decken.

(Beifall des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir sehen der weiteren Beratung unseres Dringlichen Berichtsantrages im Ausschuss entgegen. Dort ist eine Reihe von Fragen formuliert, auch die, wie es zukünftig finanziert werden soll. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Banzer, mit der sogenannten Flexibilisierung der Mindestverordnung, die faktisch nichts anderes ist als eine Verschiebung der besseren Standards in Kindertagesstätten und Kindereinrichtungen, begehen Sie nicht mehr und nicht weniger als einen Bruch des Wahlversprechens für bessere Qualität für unsere Kinder.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es mag etwas ungewöhnlich sein, wenn ich mich zunächst mit der Umweltministerin beschäftige. Frau Lautenschläger hat im Dezember 2008 verkündet: Wir werden die Standards verbessern. Wir werden die Personalschlüssel verbessern. Wir werden das zum September 2009 einführen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Am 17. Juni wird sie in einem Interview gefragt: „Frau Lautenschläger, warum ist das eigentlich kein Wahlbetrug?“ – Darauf sagen Sie, Frau Lautenschläger, und zwar gestern: „Es ist keinesfalls ein Wahlbetrug.Wir haben immer gesagt, dass die Kosten für die bessere Betreuung vom Land übernommen werden. Wenn jetzt die Bürgermeister behaupten, sie könnten das Personal nicht finanzieren, ist das eine Ausrede.“

Ich kann nur feststellen: Wir GRÜNE haben schon vor drei Jahren, wir haben das im Dezember gesagt, und wir sagen das jetzt: Den Kommunen fehlen die Mittel für die auskömmliche Ausstattung ihrer Kinderbetreuung. Die Landesregierung hat in diesem Punkt wiederholt versagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist schon beachtlich, wenn Frau Lautenschläger der Meinung ist, dass alles bestens ist, wir aber vor fünf Tagen zur Kenntnis nehmen mussten, dass der neue Sozialminister Banzer verkündet: Diese Mindestverordnung werden wir flexibilisieren,weil die Kommunen das nicht umsetzen können, da – Achtung – wir zu wenig Personal haben und – Achtung – die Kommunen zu wenig Finanzen haben.

Herr Banzer, jetzt frage ich mich, was nun wahr ist. Hat Frau Lautenschläger recht, ist sie beratungsresistent? Haben Sie recht, und es fehlen Personal und die Mittel? Wir sagen: Natürlich fehlen Mittel, natürlich fehlt Personal. Aber wer ist schuldig,schon seit Jahren Versäumnisse vorzuweisen? Das ist Ihre Landesregierung, und das ist zu verurteilen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Diese Verschiebung um drei Jahre ist nicht mehr und nicht weniger als ein schwarzer Tag für die Hoffnung auf eine bessere Kinderbetreuung in Hessen.Sie bedeutet,dass die Kinder weiterhin in größeren Gruppen betreut werden, das geschieht also auf dem Rücken der Kinder und der Eltern. Das kann man so nicht wünschen. Wir GRÜNEN nennen das eine Kapitulation vor dem drängendsten Problem der Kinderbetreuung in diesem Bundesland. Herr Banzer, Sie versagen damit. Nach nur 140 Tagen Ihrer Amtszeit kapitulieren Sie vor dem größten Problem der Kinderbetreuung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege Merz, Sie sind nicht Mitglied des Kulturpolitischen Ausschusses – doch, Entschuldigung. Wir wissen von Frau Henzler: Es fehlen offiziell 6.000 bis 8.000 zusätzliche Erzieherinnen. Wir wissen, dass in den nächsten drei Jahren nur 3.000 ausgebildet werden. Die einfache Subtraktion ergibt, es gibt eine Lücke von 5.000 Erzieherinnen und Erziehern im Bundesland Hessen. 5.000 Erzieher fehlen.

Was macht diese Landesregierung im Landeshaushalt? Nichts, es wird nicht 1 c mehr für mehr Ausbildungskapazitäten ausgegeben. Das ist sehenden Auges ein Versagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir wissen, dass wir mehr ausbilden müssen. Wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher. Wir brauchen mehr Mittel. Vor allem brauchen wir jetzt einen Aktionsplan. Den haben wir mit unseren Forderungen eingebracht. Es geht um ein Sofortprogramm, das jährlich zusätzlich 500 Ausbildungsplätze an den Fachschulen in

Hessen ausweist. Wir brauchen ein integriertes Vorgehen der Landesregierung bei der Frage, wie wir die über 1.000 arbeitslosen Erzieherinnen und Erzieher wieder fit für den Beruf machen. Wir brauchen eine flächendeckende Werbekampagne und nicht die popligen 100.000 c,die Sie in den Haushalt eingestellt haben, um für mehr Erzieher in diesem Land zu werben. Außerdem wollen wir natürlich eine Attraktivitätssteigerung des Berufs, indem verstärkt auf das Fachhochschulniveau gesetzt wird.

All das findet nie und nimmer in dieser Landesregierung statt. Zwischen Herrn Banzer, Frau Henzler und Frau Kühne-Hörmann als Zuständiger für die Fachhochschulen stellen wir null koordiniertes Vorgehen fest. Es gibt keine konzertierte Aktion für eine Verbesserung der Qualität in unseren Kinderbetreuungseinrichtungen, und das ist miserabel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Kommen wir noch zu einem Stück aus dem Tollhaus. Wir haben unsere Pressekonferenz am 25. Mai veranstaltet. Wie reagierten CDU und FDP auf unsere Forderungen? Nehmen wir eine Presseerklärung der Kollegin Ravensburg und des Herrn Rock. Sie sagen, was die GRÜNEN da wollten,sei ein unüberlegter Schnellschuss.Die Zahlen seien nicht belastbar. Die GRÜNEN hätten wieder einmal keine Ahnung.

(Zuruf von der FDP: Das ist nichts Neues, Herr Bocklet!)

Seit gestern liegt uns ein Dringlicher Antrag vor, der von dem Kollegen Wagner von der CDU und von dem Kollegen Rentsch von der FDP unterschrieben ist. Jetzt muss ich Sie fragen, Frau Ravensburg und Herr Rock: Wie ist das mit den Schnellschüssen? Haben Sie einmal mit Ihren Vorsitzenden geredet?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offensichtlich herrscht hier heillose Verwirrung. Herr Banzer klatscht Frau Lautenschläger ab, Herr Rentsch den Herrn Rock. Wie heißt das Spiel eigentlich? Heillose Verwirrung um die Kinderbetreuung – wir wissen zwar nicht, was wir tun, aber das machen wir viel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass wir eine schnelle konzertierte Aktion der Landesregierung brauchen, um mehr Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land zur Verfügung zu haben. Wir brauchen eine auskömmliche Finanzausstattung. Was wir nicht brauchen, ist ein mut- und kraftloser Minister Banzer, der mit der Verschiebung der Einführung der Mindeststandards faktisch kapituliert. Das bedeutet, dass viele Tausend Eltern keinen besseren Personalschlüssel bekommen.

Wir sagen, das haben die Eltern, die Kinder und viele Tausend Beschäftigte in den Einrichtungen nicht verdient. Wir GRÜNEN verurteilen dieses Vorgehen auf das Entschiedenste. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Das Wort hat Frau Abg.Wiesmann von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über eines der wichtigsten familienpolitischen Anliegen der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das merkt man!)

Worum geht es? Es geht um Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Bildung, Betreuung und Erziehung in unserem Land. Tatsächlich ist das Thema zu wichtig, als dass ich mich lange mit Ihren Ausführungen zu Bankrott und Insolvenz oder irgendwelchen Vorwürfen an die Landesregierung und Ihren polemischen Beiträgen aufhalten wollte.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der Landesregierung muss man sich auch nicht aufhalten, das stimmt!)

Stattdessen möchte ich mit Ihnen über Fakten reden und darüber, was wir tun und warum.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Es sind die CDU-geführten Landesregierungen gewesen, die in den vergangenen beinahe zehn Jahren Kinderbetreuung,Bildung und Erziehung als eine zentrale Aufgabe erkannt, angepackt und vorangetrieben haben.