Protokoll der Sitzung vom 07.07.2009

(Horst Klee (CDU): Man muss sich immer vorher entschuldigen!)

Ich verdeutliche es einmal so:Wir müssen feststellen, dass die SPD-Fraktion trotz der langen Diskussionsphase, die sie sich genommen hat

(Günter Rudolph (SPD): Bitte keine Schärfe!)

nein, das ist keine Schärfe, sondern lediglich eine Beschreibung dessen, was wir registrieren müssen –, allenfalls bereit ist, den Nachlass von Hermann Scheer zu verwalten, aber nicht willens, diesen weiterzuentwickeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Oh!)

Ja, dieses Raunen vernehme ich schon.Aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Punkte, die wir noch im letzten Jahr für eine Koalitionsvereinbarung festgehalten haben, nicht den Weg in Ihren Gesetzentwurf gefunden haben.

Das ist unsere Kritik. Wir haben den Gesetzentwurf neben das gelegt, was damals Hermann Scheer vorgelegt hat.Wir haben das verglichen.Wir haben festgestellt, dass zwar einige Details verändert wurden.Aber einige Veränderungen, die vorgenommen wurden, sind handwerklich nicht gut gemacht. Dies will ich im Einzelnen begründen. Kritik muss sein. Aber ich sage auch, warum wir das Ganze kritisieren.

Beginnen möchte ich mit den ungenutzten planerischen Möglichkeiten zur Verhinderung von Kohlekraftwerken. Wir hatten doch eine lange Diskussion, wir hatten eine Anhörung im Hessischen Landtag. Dieses Thema muss Sie doch so sensibel gemacht haben, dass man genau das versucht über das Landesplanungsrecht zu verhindern. Wir wollen keine Großkraftwerke auf Kohlebasis in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da macht es uns natürlich betroffen, wenn wir sehen, dass in Ihrem Gesetzentwurf dazu keine Regelung zu finden ist.Lieber Herr Kollege Görig,vielleicht ist Ihnen hier nur ein Lapsus passiert. Wenn es so sein sollte, dass Sie das versäumt haben zu regeln, dann seien Sie aber bitte hier an Ort und Stelle bereit, zu sagen:Wir wollen das ändern. – Ansonsten wäre dies ein Kotau, so würden zumindest wir es empfinden, vor dem SPD-Kohleflügel auf Bundesebene, und das kann nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist doch absurd! Frau Hammann, von Ihnen bin ich anderes gewöhnt!)

Denn dieser Kotau würde der Klimaschutzpolitik und den Menschen in der Rhein-Main-Region einen Bärendienst erweisen. Unser grünes Ziel ist es, Kohlekraftwerksplanung in Hessen zu verhindern.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie wollen alles verhindern!)

Nein, wir wollen den richtigen den Vorzug geben, sehr geehrter Herr Kollege, und nicht Großkraftwerken, die nachweislich dem Klimaschutz abträglich sind.

Meine Damen und Herren, es ist doch möglich, in einem Landesplanungsgesetz Mindestwirkungsgrade zu verankern. Das wollen wir tun.Wir wissen, dass man über 50 % festschreiben kann. Das würde genau dazu führen, dass wir Klimakiller wie das Kraftwerk Staudinger verhindern können. Das werden wir mit unserem vierten Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz einbringen. Wir werden darin Regelungen treffen, wie neue Kohlegroßkraftwerke durch eine veränderte Landesplanung verhindert werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte zu einem zweiten Punkt kommen. Auch das haben wir Ihnen schon vorgeworfen: Bei der energetischen Gebäudesanierung und

dem Passivhausstandard bleiben Sie mit Ihrem SPD-Gesetzentwurf weit hinter den Möglichkeiten zurück. Wir wissen doch, dass die Kommunen gestalten wollen. Sie wollen Verantwortung übernehmen. Sie wollen auch eigene Satzungen herausgeben, wie man in Baugebieten den Passivhausstandard etablieren kann. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, dass man sich diesem Wunsch der Kommunen widersetzt, indem man die Kommunen nicht in die Lage versetzt, gestalterische Möglichkeiten im Hinblick auf gebäudetechnische Merkmale vorzuschreiben.

Meine Damen und Herren, einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen. Das ist der handwerkliche Fehler im Landesplanungsgesetz, von dem ich eben gesprochen habe. Hier ist Ihnen wirklich ein gravierender Fehler unterlaufen. Sie wissen, dass es seit Anfang Juli auf Bundesebene ein von SPD-Minister Tiefensee überarbeitetes Raumordnungsgesetz gibt. Dort wurde in § 3 ausdrücklich festgeschrieben, dass auf Länderebene das Ziel der Raumordnung nur in Raumordnungsplänen, aber nicht in Gesetzen vorgegeben werden darf.

Liebe Kollegen der SPD, das haben Sie aber in Ihrem Gesetzentwurf getan. Was Sie dargestellt haben, Ihre wichtigste Änderung, die Ausweisung von 1,5 % der Landesfläche als Vorranggebiet für erneuerbare Energien als Ziel der Raumordnung, haben Sie in den Gesetzentwurf geschrieben. Das ist nachweislich falsch, das hätte man nicht tun dürfen. Das würde gegen das verabschiedete Bundesrecht stehen. Ich kann Sie deshalb nur auffordern, diese Unvereinbarkeit mit dem Bundesrecht dringend zu beheben.

Nicht fehlerfrei sind auch die Vorschläge, die das Hessische Energiegesetz betreffen. Liebe Kollegen der SPD, Ihre Regelungen zum Landesfuhrpark haben zwar die richtige Intention, nämlich das, was wir auch wollen, CO2-Minderung. Aber ich sage Ihnen auch, sie sind nicht umsetzbar, sie sind praxisuntauglich. Auch das will ich begründen.

Nach Ihrem Gesetzentwurf müsste jedes Fahrzeug aus dem Landesfuhrpark ab sofort einen Grenzwert von 140 g CO2 pro Kilometer einhalten. Schauen wir uns doch einmal an, was alles an Fahrzeugen im Landesfuhrpark vertreten ist. Da haben wir zum einen die gepanzerte 4-t-Limousine des Ministerpräsidenten, wir haben den Mannschaftsbus der Bereitschaftspolizei, oder wir haben auch den schnellen Flitzer der Autobahnpolizei. Deshalb halten wir es für wenig praktikabel und für nicht realistisch, gerade diese Festsetzung zu treffen. Wir haben in unserem Gesetzentwurf ganz bewusst den Begriff „durchschnittlich“ im Zusammenhang mit CO2-Grenzwerten für den Landesfuhrpark gewählt. So können Ausnahmen getroffen werden, ohne dass das eigentliche Ziel in irgendeine Richtung verwässert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommt der Trost, liebe SPD:Auch wenn die Schritte noch so kurz sind und einige rechtliche und handwerkliche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen, geht der Gesetzentwurf doch in die richtige Richtung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist aber nett, solche Großmut heute!)

Die Diskussion werden wir im Ausschuss intensiv führen.– Nicht Großmut,das ist einfach die Bereitschaft,weiter an diesem Ziel zu arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr gut!)

Aber ich sage Ihnen auch: Mit den Gesetzentwürfen aus unserem grünen Zukunftsenergie- und Klimaschutzprogramm können die Klimaschutzziele und der Umbau der Energieversorgung hin zu den erneuerbaren Energien vielleicht schneller, eleganter und insgesamt besser erreicht werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Beeindruckend!)

Jetzt werde ich noch etwas zum Nachbarrecht sagen, das nachher noch eingebracht wird. Endlich hat es die Landesregierung geschafft, den Entwurf für eine Gesetzesänderung zum Nachbarrechtsgesetz vorzulegen. Wenn man den aktuellen Entwurf mit jenem vergleicht, der im vergangenen Jahr vorgelegt wurde, wird man feststellen, dass sich bis auf einige Kleinigkeiten im Gesetzestext, genau sechs Sätze in der Begründung und einen Rechtschreibfehler, der eingefügt und nicht herausgelöscht wurde, eigentlich nichts geändert hat. Liebe Frau Wallmann, die Bezeichnung „fehlerhaftes Recyclingprodukt“, die Sie uns gegenüber gebracht haben, ist daher durchaus bei Ihrem Gesetzentwurf angebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Man muss sich tatsächlich fragen, warum Sie für diese marginalen Änderungen am Gesetzentwurf acht Wochen länger gebraucht haben als wir GRÜNEN.Wir haben unseren Gesetzentwurf im April eingebracht, und wir haben eine ganze Reihe von Anregungen, die wir in der Anhörung erfahren haben, in diesen Gesetzentwurf eingearbeitet, inklusive logischer Gesetzesteile aus dem damaligen CDU-Entwurf. Man muss sich wirklich fragen:Warum haben Sie diesen schweren Weg gewählt? Warum haben Sie nicht den einfachen Weg gewählt und stellen zu unserem Gesetzentwurf Änderungsanträge? Dann wären wir vielleicht schon ein ganzes Stück weiter und könnten den Hausbesitzern früher die Chance eröffnen, eine Wärmedämmung an ihren Gebäuden, die an der Grundstücksgrenze stehen, anzubringen, sodass sie für den Winter gewappnet sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn es auch diesmal nicht gelingt, die Gesetzesänderung noch rechtzeitig vor der nächsten Kälteperiode zu verabschieden, trägt dafür einzig und allein die Landesregierung die Verantwortung. Sie würden die Verantwortung dafür tragen, dass der Kohlendioxidausstoß in Hessen weiterhin höher als notwendig bleibt und dass die hessische Bauindustrie, die in diesem Krisenjahr 2009 dringend Aufträge braucht, diese Aufträge nicht erhalten würde.

Frau Kollegin, Ihre 15 Minuten sind abgelaufen.

Ich werde zum Ende kommen.

Sie haben einen Terminus im Gesetz, den ich dringend rate zu überdenken. Die „geringfügige Beeinträchtigung“ verschlechtert die Regelung, weil sie in der Rechtsbegründung ungewiss ist. Hier müsste der Terminus „unwesentliche Beeinträchtigung“ gewählt werden.

Sicherlich sind beide Gesetzentwürfe, sowohl derjenige der Landesregierung als auch der unsrige, geeignet, Wärmedämmung und Klimaschutz in Hessen voranzubringen. Wichtig ist nur, dass schnell eine Regelung getroffen wird, dass endlich auch die Hauseigentümer in die Lage versetzt werden, etwas für den Klimaschutz zu tun. – Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Görig für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Hammann, es wundert mich nicht, dass Sie grüner als die SPD sein wollen. Das wissen wir mittlerweile.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das gelingt aber nicht mehr!)

Ich muss meinem Fraktionsvorsitzenden recht geben: Das gelingt Ihnen an der Stelle aber nicht.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich auf den von uns eingebrachten Gesetzentwurf eingehe, will ich ein paar Punkte zum Thema Kohle sagen, das Sie ansprachen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Landesplanung,was Staudinger angeht,abgeschlossen ist. Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die Regionalplanung Ja gesagt hat, auch gegen unseren Willen vor Ort. Und man muss zur Kenntnis nehmen, dass es jetzt ein laufendes Verfahren ist. Mich würde einmal interessieren, wie Sie ein Gesetzgebungsverfahren in diese Phase einbringen wollen, wie das mit dem jetzt rechtlich Vorhandenen zusammengeht.

Als Nächstes geht es um das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren nach der Bundes-Immissionsschutzverordnung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da können wir gar nichts ändern. Deswegen ist unsere Position hinsichtlich des Baus des Kraftwerks Staudinger eindeutig. Sie ändert sich auch nicht, weil wir diesen Gesetzentwurf eingebracht haben. Das wollte ich zu dem sagen, was Sie sagen, nämlich wir würden den Kohleflügel der Bundespartei sponsern. Das ist gar nicht der Fall. Wir haben unsere eindeutige Meinung. Das ist an der Stelle auch abgeschlossen.

(Beifall des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel [SPD])

Der Klimaschutz und die Gewährleistung einer langfristig sicheren, sauberen und effizienten Energieversorgung zählen zu den größten Anforderungen,denen gerade auch die Landespolitik gegenübersteht. Die Wissenschaft hat klargemacht: Um die Folgen des Klimawandels auf ein beherrschbares Maß zu begrenzen, muss die globale CO2-Emission gegenüber dem Jahr 1990 drastisch reduziert werden. Es gibt auch in unserem Bundesland ein immenses Potenzial, um Energie einzusparen, effizient zu nutzen, erneuerbare Energie zu erzeugen und einzuspeisen, um damit unseren Beitrag, den der Landespolitik, zum Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele zu leisten. Darüber herrscht weitgehend – auch in der Fachwelt – Konsens.

Es gibt eine bizarre Debatte darüber, welches Potenzial die Nutzung der erneuerbaren Energien tatsächlich aufweist und mit welchen Maßnahmen die Probleme am schnellsten und am besten gelöst werden können. Der Dissens geht nicht nur quer durch die Politik, sondern auch die Fachleute sind sich darüber uneins. Ich halte das für wenig hilfreich.

Aufgrund der Erkenntnisse der Wissenschaft wäre es hilfreich, jetzt sofort zu handeln, nichts zu verzögern und nichts zu behindern. Beides Letztgenanntes findet in unserem Land wider besseres Wissen immer noch statt.

(Beifall bei der SPD)

Die Experten sprechen davon, jetzt bestehe ein Zeitfenster für den Aufbruch zur Energiewende. Wenn es sich schließt, ohne dass adäquat gehandelt wurde, sind unumkehrbare, katastrophale Entwicklungen beim Klima vorprogrammiert. Die Zeit ist demnach eine der knappsten Ressourcen, die wir dabei haben. Ich habe kein Verständnis dafür, dass eine Regierung, die seit zehn Jahren im Amt ist, gerade die Ressource Zeit ohne weitere Anstrengungen und ohne Ansporn verschwendet.