Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

(Große Heiterkeit – Lebhafte Zurufe)

Weil Herr Hahn mich fragt, ob ich mir das zugetraut hätte, antworte ich: Sie glauben gar nicht, was ich mir zutraue.

(Heiterkeit – Axel Wintermeyer (CDU):Wir trauen Ihnen viel zu! Aber nichts Gutes!)

Dass Sie mir alles zutrauen, nehme ich einmal als Kompliment, Herr Wintermeyer.

Meine Damen und Herren, den einen Teil des Gesetzentwurfes und des Artikelgesetzes werden wir uns noch einmal anschauen. Wenn es der Verwaltungsvereinfachung dient, dann sind wir immer an Ihrer Seite. Das wissen Sie. Ob das in der Praxis so funktioniert, obwohl Sie jahrzehntelang Formularwirtschaft betrieben haben, weiß ich nicht. Wir sind aber guten Mutes. Es ist ein anspruchsvol

les Vorhaben. Wir werden Sie an der Stelle unterstützen. Ansonsten geht es um Dinge, die nachvollziehbar und aus unserer Sicht nicht zu beanstanden sind.

Ich will auf den Punkt zu sprechen kommen, den wir für politisch brisant halten. Sie haben ihn am Ende Ihrer Rede wenigstens angesprochen. Sie verlängern mit dem Artikelgesetz die Geltungsdauer in § 123 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes. Da schreiben Sie salopp: Die Zahl 2009 wird durch die Zahl 2014 ersetzt. – Das heißt, Sie wollen die Geltungsdauer des derzeit gültigen Personalvertretungsgesetzes durch eine kleine Änderung um fünf Jahre verlängern. Sie wollen damit nach unserer Auffassung völlig falsche gesetzliche Inhalte weitere fünf Jahre festschreiben, Herr Innenminister Bouffier.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich weiß ja, dass auf Ihrer Seite des Hauses das Thema und das Wort Mitbestimmung eher ungeliebt ist. Sie verfahren nach dem Motto:Wenn Mitarbeiter gute Ideen haben und diese einbringen, auch gegenüber Führungsgremien, dann stört das den Ablauf einer geordneten Verwaltung, das lassen wir lieber. – So haben Sie es in den letzten Jahren konsequent gemacht. De facto findet die Mitbestimmung in der Landesverwaltung nicht mehr statt.Wir haben es wiederholt gesagt, und mit diesem Gesetzentwurf wird es auch wahrer.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Nein, da müssten Sie die Lehrer fragen. In der Wiederholung liegt der pädagogische Erfolg, Herr Bellino. Denken Sie einmal darüber nach.

(Zurufe von der CDU)

In den letzten Jahren haben Sie die Verwaltung umstrukturiert.Die „Aktion düstere Zukunft I“ haben Sie mit vielen Veränderungen in der Landesverwaltung, z. B. der Zusammenlegung und der Auflösung von Behörden, hinter sich gebracht. Das wollten Sie machen, ohne dass sich die Mitarbeiter einbringen konnten. Deshalb haben Sie das HPVG geändert. Hessen ist im Grunde eine mitbestimmungsfreie Zone. Sie bereiten jetzt die „Aktion düstere Zukunft II“ vor. Deshalb haben Sie gar kein Interesse daran, dass sich die Mitarbeiter einbringen; denn die könnten ja gute Vorschläge machen, die das, was Sie vorlegen, konterkarieren.

Meine Damen und Herren, es ist falsch, wenn Sie diesen Weg einfach weitergehen.Wir sind der Auffassung,gerade in schwierigen Zeiten ist es sinnvoll, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen, denn wenn man unangenehme Entscheidungen treffen muss,dann macht man das nicht so, wie Sie es machen, sondern man fragt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie erreichen damit eine höhere Akzeptanz, und Sie erreichen vor allem bessere Ergebnisse in der Umsetzung. Deswegen ist das, was Sie hinsichtlich der Jahreszahl locker formuliert haben, mit politischem Inhalt und Gewicht verknüpft. Das ist leider eine Personalpolitik nach dem Motto des letzten Jahrhunderts. Das ist der alte obrigkeitsstaatliche Ansatz. Die Mitarbeiter sollen das machen, was Sie ihnen vorsetzen, Sie brauchen sie nicht einzubeziehen. Herr Bellino, Sie freuen sich darüber, dass Sie das so machen, aber es bleibt trotzdem falsch.

Deswegen werden wir weiterhin für eine Änderung des HPVG eintreten und fordern die Wiedereinführung von echten Mitbestimmungstatbeständen. Ich will das an der Stelle sehr deutlich sagen.Wir haben einen Antrag betref

fend den Rundfunkrat in der Beratung, aber unser Vorhaben gilt natürlich für die gesamte Landesverwaltung. Sie wären klug beraten – ich weiß, Sie nehmen grundsätzlich keine guten Ratschläge von der Opposition an –, auch in den schwierigen finanzpolitischen Zeiten, die uns bevorstehen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Prozess einzubeziehen.

Herr Minister, etwas per Gesetz, per Verordnung oder per Erlass auf den Weg zu bringen und zu glauben, das werde 1 : 1 umgesetzt, ist der falsche Weg. Deswegen haben Sie mit der Vorlage des heutigen Gesetzentwurfes an einem ganz wichtigen Punkt leider einen fundamentalen Fehler gemacht, nämlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht einzubeziehen. Machen Sie ruhig weiter so.Wir werden das aufgreifen. Wir werden das thematisieren. Wir sind sicher, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können etwas einbringen. Das ist auch deren Rückmeldung. Sie sollten zur Vernunft zurückkehren.Wir geben Ihnen dazu erneut eine Chance, wobei ich hinzufüge, ich bin nicht sicher, dass Sie diese Chance ergreifen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Als Nächster hat Herr Abg. Bellino für die Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute in erster Linie eine Reform des Reisekostenrechts zu besprechen, im Zuge des Artikelgesetzes auch über die Verlängerung der Geltung des HPVG zu befinden sowie weitere dienstrechtliche Vorschriften redaktioneller Art zu bearbeiten. Das ist aus unserer Sicht sinnvoll.

Ich möchte mir an dieser Stelle zu dem zuletzt Gesagten den Hinweis erlauben, dass wir neben dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren eine Dienstrechtsreform vor uns haben, die sehr intensiv vorbereitet wird, nicht nur von Politikern, sondern auch von überparteilichen Experten. Da werden wir in aller Ausführlichkeit auch mit den Betroffenen über Mitbestimmungsfragen und anderes sprechen. Wir haben aber in anderem Zusammenhang schon gesagt: Mitbestimmung und Mitwirkung ist die eine Seite der Medaille, effizientes Verwaltungshandeln ist die andere Seite. Für uns ist beides wichtig. Das eine dient den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das andere dient den Bürgern, wenn nämlich effizient gearbeitet werden kann.

Zum Reisekostenrecht gehe ich davon aus, dass es inhaltlich keine großen Diskussionen und Differenzen geben wird, da es sich aus unserer Sicht in erster Linie um die Anpassung des Reisekostenrechts an moderne Verwaltungsabläufe handelt. Ich nenne als Stichwort die elektronische Unterstützung des Antrags- und Abrechnungswesens. Ich nenne als weiteres Stichwort die Wegstreckenentschädigung. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Anpassung an die wirtschaftliche Situation und an die gestiegenen Kosten mehr als sinnvoll ist. Das betrifft erfreulicherweise nicht nur die Nutzung von Pkw, sondern auch von Zweirädern, sowohl motorisierten Zweirädern als auch – das wird die Opposition besonders freuen – Fahrrädern.

Ich darf aber auch darauf hinweisen – das sollte nicht untergehen –, dass wir bei Menschen mit Behinderungen eine entsprechende Änderung vornehmen,die dazu führt, dass sie bei Dienstreisen ab sofort die erste Klasse nutzen können.

Erfreulich ist, dass das Reisekostenrecht in diesem Zusammenhang inhaltlich vereinfacht wird. Das ist also die erste echte Reform seit 1976. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, dass sich das, was die Verwaltungsjuristen angedacht haben, in der Realität bewahrheitet. Ich bin optimistisch, dass dies gelingen wird; denn zum einen ist davon auszugehen, dass die Chance zur beleglosen Bearbeitung in die richtige Richtung weist, sodass auch hier eine entsprechende Effizienzsteigerung zu verzeichnen sein wird.

Gleiches gilt meines Erachtens für die Einführung zusätzlicher Pauschalen. Die Tatsache, dass in dem Entwicklungsprozess dieses Gesetzentwurfs die Praxisanforderungen berücksichtigt wurden, dass also das, was diejenigen,die in der Vergangenheit damit gearbeitet hatten,eingebracht haben, umgesetzt wurde, ist mit Sicherheit auch ein Hinweis darauf, dass das Ganze erfolgreich sein wird.

Die Landespersonalkommission – auch das sei an dieser Stelle erwähnt – hat zumindest Art. 1 sowie den Art. 3 bis 7 vollinhaltlich zugestimmt. Ähnliches gilt für die Gewerkschaften und die Kommunalen Spitzenverbände.

Insofern gehe ich davon aus, dass wir, zumindest was das Reisekostenrecht anbelangt, im weiteren Verfahren über sinnvolle Änderungen konstruktiv diskutieren werden und es dann gemeinsam möglichst schnell umsetzen können. Schauen wir einmal, ob sich dieser Optimismus bewahrheitet. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE begrüßt diesen Gesetzentwurf grundsätzlich. Herr Minister, revolutionäre Gesetzentwürfe begrüßen und unterstützen wir immer; das ist gar keine Frage.

(Minister Volker Bouffier: Dass ich das noch erle- ben darf!)

Insofern sage ich: Ich hätte nicht gedacht, dass Links bis auf das Beamtenrecht des Staates einwirkt. Aber ich nehme das positiv zur Kenntnis.

(Minister Volker Bouffier: Das sind Erlebnisse! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Auf zum Kampf, oder wie?)

Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass es hier im Wesentlichen um eine Veränderung des Reisekostenrechts aus dem Jahr 1976 geht. Die inhaltliche Veränderung, nämlich die Erhöhung der Wegstreckenentschädigung, wurde bereits zum 1. Januar dieses Jahres per Verordnung in Kraft gesetzt.

Wir unterstützen die Erhöhung der Wegstreckenentschädigung von 30 auf 35 Cent je Kilometer bei der Nutzung privater Fahrzeuge für dienstliche Zwecke, weil dies si

cherlich kostendeckend ist und es aufgrund der Kostenentwicklung notwendig war, dies anzuheben.

Die FDP-Fraktion hat im letzten Jahr, noch in der Opposition, einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in dem sie die Anhebung der Wegstreckenentschädigung auf 40 Cent pro Kilometer gefordert hat. Ich nehme also zur Kenntnis, dass Sie jetzt, da Sie an der Regierung sind, auf 35 Cent heruntergegangen sind. Erzählen Sie uns bitte nichts mehr vom Populismus in der Opposition. Ich werde dieses Beispiel immer gern anführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir unterstützen im Übrigen auch die Anhebung der Kilometerpauschalen bei den Zweirädern.

Nun komme ich aber zu einem Punkt, über den, wie ich denke, sicherlich noch einmal diskutiert werden muss. Dieser Punkt steht auf meinem Zettel unter dem Begriff „Ökologie“.

Herr Minister, ich glaube nicht, dass es richtig ist und dass es in ökologischer Hinsicht irgendwelche Anreize bietet, wenn Sie die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Fahrrads auf 0,06 c festsetzen. Das ist zwar eine geringfügige Erhöhung; aber wenn man das im Verhältnis zu der Nutzung eines Pkw oder eines Kraftrads sieht, stellt man fest, dass dieser Betrag niemanden dazu bringt, Fahrräder dienstlich zu nutzen.

(Minister Volker Bouffier: Das ist billiger!)

Sicherlich ist das billiger. Aber für die Verwaltung könnte es unter ökologischen Aspekten sinnvoller sein, Fahrräder zu nutzen. Ebenso könnte es sinnvoll sein, die Mitnahmeentschädigung bei der Bildung von Fahrgemeinschaften zwecks dienstlicher Nutzung zu erhöhen.

(Minister Volker Bouffier:Auf Fahrrädern!)

Ja, das wäre auch eine Überlegung.

(Minister Volker Bouffier: Vielleicht kommen Sie auf Fahrrädern, dann erhöhen wir das! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Wir haben Dienstfahrräder!)

Ja, ist in Ordnung. – Ganz besonders interessant finde ich die Begründung für die Einführung der Flugkosten als Regelreisekosten in § 5. Dort sind sie nämlich aufgenommen. In Ihrer Begründung erklären Sie, die Flugkosten seien darin aufgenommen worden, um den Veränderungen am Reisemarkt – wohlgemerkt: am Reisemarkt, also marktorientiert – Rechnung zu tragen. Ich kann das nur unter dem Gesichtspunkt nachvollziehen, dass man sagt: Wir unterstützen die Fraport durch das hessische Reisekostenrecht.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Okay, das nehmen wir zur Kenntnis. Im Ausschuss werden wir noch einmal darüber diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Volker Bouf- fier: Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekom- men!)

Ja, da sehen Sie es einmal: Das sind ganz neue, revolutionäre Ideen. Vielleicht tun wir uns zusammen und entwickeln das weiter.