(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Zum vierten Mal folgt auf Ihre vollmundigen Ankündigungen die kleinlaute Kapitulation: Nicht mehr in dieser Legislaturperiode, sondern erst 2015 soll der Haushalt ausgeglichen sein. Deswegen fragt man sich, ob es sich bei Herrn Koch um eine Person handelt, die sich permanent irrt oder die systematisch betrügt. Der Ablauf Ihrer Versprechungen vor der Landtagswahl im Januar dieses Jahres gibt Antwort auf diese Frage. Die Tiefe der Krise war seit Ende 2008 – die Pleite von Lehman Brothers ist genau ein Jahr her – längst allen bekannt.Die Auswirkungen waren sichtbar.Trotz aller Kenntnis dieser Fakten haben Sie
Wir haben immer wieder auf die Unmöglichkeit dieser Behauptung hingewiesen. Die Kollegin Ypsilanti, später der Kollege Schäfer-Gümbel und ich haben immer wieder darauf hingewiesen, dass das völlig unmöglich ist. Die Antwort war immer, unser Vorwurf sei unverschämt, wir wollten dieses Land immer nur verschulden.
Übrigens hat derselbe Herr Koch im Jahre 1994 dem Ministerpräsidenten Eichel bei einer Nettoneuverschuldung von damals 1 Milliarde DM, also 500 Millionen c, vorgeworfen, es fehle der Wille zum Sparen, es fehle die Kraft zum Sparen. Herr Koch hat aber auch in besseren Zeiten Haushalte vorgelegt, die 1 Milliarde c Nettoneuverschuldung enthalten haben, und jetzt sollen es auf Dauer deutlich über 2 Milliarden c sein. – Nicht der Regierung Eichel hat es an Kraft und Willen gefehlt. Das Gegenteil war der Fall. Dieser Regierung fehlt es an Willen und Kraft und auch an einem Gestaltungskonzept, überhaupt etwas vorzulegen, was für die Zukunft von Dauer ist.
Kaum sechs Wochen nach der Wiederwahl hat der Hessische Ministerpräsident Koch dann – das macht er ja vornehm – durch seinen Finanzminister erklären lassen, in dieser Amtszeit werde es mit der Nettoneuverschuldung von null leider nichts. Ich halte das für systematischen Betrug, für nichts anderes.
Herr Weimar, Sie haben vorhin das Stichwort „verlogen“ in die Debatte eingebracht. Ich glaube, an dieser Stelle wäre das Wort viel treffender gewesen, um das zu charakterisieren, was durch den Ministerpräsidenten vorgenommen worden ist.
Es gibt natürlich entlastende Elemente für den Ministerpräsidenten. In Ihrem dpa-Gespräch vom 2. September behaupten Sie: „Wir haben einen Haushalt, der um 1,3 % sinkt.“
Das ist natürlich falsch.Herr Ministerpräsident,der Haushalt steigt um 1,4 %, nämlich die bereinigten Gesamtausgaben nach Abzug von LFA und KFA. Da gibt es eine Steigerung von 1,4 %. Das entnehmen Sie auch der mittelfristigen Finanzplanung. Ich darf Ihnen das hier auf Ihren Platz legen, damit Sie das selbst kontrollieren können.
Das Haushaltsvolumen sinkt also nicht, sondern steigt um 1,4 %. Man könnte meinen, Sie merken schon gar nicht mehr, ob es ein Plus oder ein Minus vor diesem Haushalt gibt, ob die Einnahmen und die Ausgaben sinken oder steigen, ob Sie mehr Geld ausgeben, als Sie einnehmen. Beim Schwarzgeldskandal Ihrer Partei haben Sie uns das ja auch einreden wollen: Sie hätten nicht gemerkt, dass Millionen mehr Geld ausgegeben als eingenommen wurden. – Aber die Nummer glaube ich Ihnen nicht. So, wie Sie beim Schwarzgeldskandal die Öffentlichkeit getäuscht haben, versuchen Sie, die Öffentlichkeit beim Hessenhaushalt zu täuschen und Ihr Fehlverhalten zu kaschieren.
Auch in diesem Jahr ist der Haushalt wieder gestiegen, und zwar um 1,4 %. Herr Ministerpräsident, wenn Sie etwas anderes behaupten, ist das schlicht falsch. Sie können es aus den Zahlen, die Ihr Finanzminister genannt hat, selbst ersehen.
Die FDP war übrigens auch nicht besser.Ich denke nur an Ihre vollmundigen Versprechungen vor der Wahl hinsichtlich eines ausgeglichenen Haushalts. Ich zitiere den Herrn Kollegen Krüger,der gesagt hat:„Trotz Finanzkrise halten wir selbstverständlich daran fest,dass es 2011 einen ausgeglichenen Haushalt gibt.“ „Unser Wort gilt“- so plakatieren Sie von der FDP. Das gilt nur nicht bei solchen Nebensächlichkeiten wie dem Nachtflugverbot oder der Schuldenbegrenzung. So sind halt die Liberalen. Ihr Wort vergilbt schon nach wenigen Wochen des Regierens.
Wer – wie die FDP – Steuererleichterungen verspricht, bereitet,wie Herr Koch,systematisch den Wahlbetrug vor. Sogar Herr Schäuble hält die Versprechungen der FDP für unseriös. Quelle: „Süddeutsche Zeitung“ vom 24. August dieses Jahres. Die FDP verspricht, Unternehmen und Bürger um 35 Milliarden c zu entlasten. Wahrscheinlich wird sogar eine noch höhere Summe versprochen. Hinsichtlich der Gegenfinanzierung gibt es keine Informationen – wie es bei der FDP und bei der Linkspartei üblich ist; da sind Sie sich ja sehr ähnlich.
In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. August hat aber der Professor aus Heidelberg ganz offen ausgesprochen, wie die Gegenfinanzierung aussehen soll. Ich zitiere:
Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof hält Steuersenkungen nach der Wahl für machbar. Der Steuerexperte, der 2005 zum Wahlkampfteam Angela Merkels gehört hatte, sagte im Bayerischen Rundfunk: „Es besteht eine große Chance, natürlich unter der Voraussetzung, dass man die Staatsausgaben zurücknimmt.“
Da redet jemand Klartext; da kann man Herrn Kirchhof nichts vorwerfen.Da redet jemand Klartext,was SchwarzGelb für Deutschland bedeuten würde. Die Staatsausgaben für Soziales, für die Bildung und für die inneren Sicherheit sollen zurückgefahren werden, damit die FDP ihre Klientel entlasten kann. Darum geht es bei der ganzen Debatte.
Jetzt wird von einer „Tigerenten-Koalition“ geredet. Bei der Tigerente ist ja vorne ein Strick angebracht. Wenn man einmal die Spenden betrachtet, die CDU und FDP in diesem Bundestagswahlkampf von den großen Banken bekommen, dann weiß man, wer diese Tigerente zieht: Es sind die großen Banken in diesem Lande.
Nein, wir Sozialdemokraten wollen die Ausgaben für Bildung, für die innere Sicherheit, für die Kinderbetreuung und für Soziales nicht infrage stellen. Einen armen Staat können sich nämlich nur Reiche leisten. Dann stellt sich aber die Frage der Finanzierung, und sie beginnt damit, wer die Lasten der Krise – die sind immens, da stimme ich Ihnen zu, Herr Finanzminister – tragen soll.Wir halten es für richtig, den Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 250.000 c für Verheiratete von 45 auf 47 % anzuheben. Das bringt 3 Milliarden c. Das ist zwar keine Rie
sensumme, aber mehr als ein Symbol. Mit 3 Milliarden c könnte der hessische Finanzminister schon viel anfangen.
Wir halten es auch für richtig, eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 ‰ bis 0,5 ‰, je nach Transaktion, einzuführen, um das Komasaufen auf den Finanzmärkten endlich einzudämmen, die Steuerflucht teurer zu machen und vor allem endlich jene an der Finanzierung zu beteiligen, die uns den ganzen Schlamassel eingebrockt haben.
Immerhin würde eine solche Transaktionssteuer Einnahmen zwischen 10 und 20 Milliarden c im Jahr bringen.
Da würde übrigens auch für das Land eine nicht unerhebliche Summe abfallen, nämlich ein hoher dreistelliger Millionenbetrag.
Wir könnten uns auch gut vorstellen, die Vermögensteuer auf neuer Grundlage wieder einzuführen, wie es in vielen europäischen Ländern der Fall ist. Allein für Hessen könnte das dauerhaft fast 1 Milliarde c bringen.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Was sagt Herr Steinbrück dazu? – Hans-Jürgen Irmer (CDU):Wer entscheidet das? Machen Sie doch einmal einen Vorschlag für Hessen!)
Herr Milde, es ist seltsam. Sie wollen immer hören, wie wir unsere Vorschläge finanzieren. Wenn ich Vorschläge mache, sind Sie damit auch nicht zufrieden. Sie müssten sich schon einmal entscheiden.
Herr Kollege Irmer, Sie haben doch schon gestern dilettiert und sich blamiert. Sie sollten erst einmal nachlesen, wie die Steuerlast in diesem Lande verteilt ist.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Reden Sie keinen Stuss! Sie haben keine Ahnung, und davon eine ganze Menge!)
Die Landesregierung plant auch für die Jahre nach der Krise die Vorlage verfassungswidriger Haushalte. Das werden wir nicht hinnehmen. Unser Antrag zum Finanzplan bereitet vor, dass wir dies nicht hinnehmen werden.
Ich gebe noch einen Hinweis.Im Haushaltsgesetz wird die Höhe der Investitionen als Bruttoinvestition dargestellt. Sie haben in Ihrer Haushaltsbegründung den Begriff Investition nicht nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs – das wurde übrigens von Frau Wolski famos vorbereitet – ausgerichtet.
Da in dem Urteil nicht darüber entschieden wurde, ob man von den Brutto- oder den Nettoinvestitionen als Grenze für die Kreditaufnahme ausgeht, hat die Landesregierung in der Begründung zum Haushalt dieses Verfas
sungsproblem für sich elegant gelöst. Sie geht natürlich von dem höheren Wert aus.Das will ich an dieser Stelle sagen. Das könnte in einer Debatte in den nächsten Jahren einmal wichtig werden.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Was hätte die SPD gemacht? Wären Sie vom niedrigeren Wert ausgegangen?)
Meine Damen und Herren, Sie haben vor, in der Hessischen Verfassung das Gebot der Nullverschuldung festzuschreiben. Viel Spaß dabei, wenn Sie dieses Gebot per Volksabstimmung in der Hessischen Verfassung festschreiben wollen und gleichzeitig einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen, bei dem die Nettokreditaufnahme deutlich über den Investitionen liegt. Lassen Sie doch bei der Kommunalwahl darüber abstimmen.Wir werden Entsprechendes dazu sagen. Das gibt uns noch einmal Gelegenheit, zu thematisieren, dass die Landesregierung – Herr Finanzminister Weimar hat das heute noch einmal bestätigt – die hessischen Kommunen in nie dagewesener Weise zu Ausfallbürgen für eine verfehlte Landespolitik machen will.