Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften ist nach meiner Überzeugung nicht mehr aufzuhalten. Der Drang der Menschen nach Freiheit, nach Toleranz, gegen Diskriminierung wird sich früher oder später durchsetzen. Wir sollten von Hessen aus die Menschen dabei unterstützen und nicht weiterhin behindern und diskriminieren. – Schönen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Nächste Rednerin, auch zur Einbringung des Gesetzentwurfs, ist Frau Kollegin Hofmann für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD steht für ein weltoffenes, tolerantes und auch diskriminierungsfreies Hessen.

Das Gesetz zur Antidiskriminierung und zur Anerkennung eingetragener Lebenspartnerschaften im hessischen Landesrecht, das wir heute in erster Lesung mit Ihnen beraten wollen, steht fest in dieser Tradition. Es ist seit Jahren das feste Ziel der SPD, eingetragene Lebenspartnerschaften nicht nur hinsichtlich ihrer Rechte, sondern auch

hinsichtlich ihrer Pflichten mit der Ehe gleichzustellen. Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Dr. Jürgens gesagt hat. Es ist längst überfällig, dass in Hessen endlich etwas geschieht. Seit Jahren hinken wir anderen Bundesländern hinterher.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anknüpfend an die Landesgesetze, die es in anderen Bundesländern gibt, auch in konservativen Bundesländern, muss man daran erinnern, dass andere Landesverfassungen, unter anderem von Bremen und Thüringen, eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität oder sexuellen Orientierung gerade verbieten, uns also ein ganzes Stück voraus sind.

Meine Damen und Herren, glücklicherweise hat die eingetragene Lebenspartnerschaft in den letzten Jahren zusehends Akzeptanz in unserer Gesellschaft gefunden. Nach den Zahlen von 2007 gibt es mittlerweile 15.000 gleichgeschlechtliche Paare, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet haben. Es ist auch ein Fortschritt, dass das eine oder andere Bundesland nicht mehr beabsichtigt, dass gleichgeschlechtliche Paare ihre eingetragene Lebenspartnerschaft vor der Kfz-Zulassungsstelle gar begründen sollten, sondern das ordentlich vor dem Standesamt möglich ist.

In der Tat, dieses Rechtsinstitut ist von der rot-grünen Bundesregierung per Gesetz normiert worden; daran möchte ich auch einmal erinnern. Das war damals schon ein großer Fortschritt. Hessen hinkt mit den landesgesetzlichen Vorschriften leider weit hinterher.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Herr Dr. Jürgens hat auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen. Genau diesen Passus hätte ich auch gern zitiert; Sie sind mir leider zuvorgekommen.Ich möchte daran erinnern,dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 17. Juli 2002 ausdrücklich die Verfassungskonformität der eingetragenen Lebenspartnerschaft festgestellt und dabei klar zum Ausdruck gebracht hat:Art. 6 Grundgesetz stellt zwar die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates; aber der besondere Schutz des Staates bedeutet nicht, dass er andere Lebensformen diskriminieren muss bzw. andere Lebensformen nicht auch entsprechend ausgestaltet werden können.

An dieser Stelle muss man auch einmal daran erinnern, dass die Entwicklung weiter fortgeschritten ist, etwa auf der europäischen Ebene. Ich möchte nur an die MarukoEntscheidung vom 1. April 2008 erinnern, die ganz klar festgestellt hat, dass verpartnerten Beschäftigten aufgrund der Richtlinie des Europaparlaments 2000/78/EG eine Witwen- oder Witwerrente zustehen kann.Auch hier gab es also weitere Veränderungen und Entwicklungen. Hessen hinkt leider hinterher.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Jürgens, lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen: Wir können uns jetzt trefflich darüber streiten, welches Gesetz schöner, welches handwerklich besser ist.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Mit dem Jürgens kön- nen Sie nicht streiten, der hat immer recht!)

Fest steht natürlich, dass unseres besser ist. – Nein, die Menschen in unserem Land interessiert nur, dass es endlich eine Gleichstellung gibt, dass endlich etwas passiert. Deswegen wollen wir als SPD beide Gesetzgebungsverfahren unterstützend vorantreiben. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, dass wir trotzdem in einigen Punkten über Ihren Gesetzentwurf hinausgehen. Es ist auch gut, dass wir sehr gründlich geschaut haben:Wo können wir im gesamten Landesrecht entsprechende Gleichstellungsnormen finden und umsetzen?

Ich möchte nur einige wenige Punkte nennen. Zum Beispiel haben wir in unserem Gesetz eine klarstellende Definition im Beamtenrecht vorgesehen. Die Lebenspartnerschaftsurkunde kann vorgelegt werden. Eingetragene Lebenspartnerschaften können auch bei der Studienplatzvergabe berücksichtigt werden. Ich nenne auch die Einbeziehung der Lebenspartnerschaften in den Sexualkundeunterricht in den Schulen.

Lassen Sie mich noch einen Bereich nennen, wo wir über Ihren Gesetzentwurf hinausgehen,der von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eben nicht angesprochen worden ist. Das ist die Frage der Rückwirkung. Gemäß der EU-Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 ist eine Rückwirkung zum 03.12.2003 verpflichtend vorgesehen. Wir wollen es auch für Bereiche wie z. B. hinterbliebene Lebenspartner von Abgeordneten und Mitgliedern der Landesregierung, gegenüber der Zusatzversorgung von Arbeitern und Angestellten sowie in Bezug auf die Gewährung eines Ehrensoldes für Lebenspartner von ehrenamtlichen Bürgermeistern und Kassenleitern vorsehen: Gleichbehandlung und Gleichstellung in allen möglichen Bereichen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat angekündigt, dass sie endlich einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen wird. Wir erwarten leider einen ganz faulen Kompromiss. Sie als FDP müssen sich fragen lassen, ob Sie in diesem Bereich genauso fortschrittlich und zukunftsweisend sein werden wie die Bundes-FDP. Wir befürchten, leider nicht, sondern wir erwarten in Liaison mit der CDU einen faulen Kompromiss. Wir sind gespannt, was da kommt, wahrscheinlich eine weich gespülte Variante.

Meine Damen und Herren, unterstützen Sie deshalb unseren Gesetzentwurf, damit wir bei der Gleichstellung verschiedener Lebensentwürfe in unserer Gesellschaft ein gutes Stück vorankommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hofmann. – Nächster Redner ist Herr Kollege Müller für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Mikro klappt jetzt, wie ich selbst merke, viel besser als heute morgen, hervorragend.

Seit 2001 sind in der Bundesrepublik Deutschland die rechtlichen Grundlagen für eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften im Bundesrecht geschaffen worden. Schritt für Schritt ziehen jetzt die Bundesländer nach – es sind noch lange nicht alle Bundesländer nachgezogen; das will ich nur anmerken – und verankern entsprechende Anpassungsgrundlagen in ihren Landesgesetzen.

(Heike Habermann (SPD): Hessen vorn!)

Wie Sie wissen, haben die Fraktionen von CDU und FDP die Einbringung eines Anpassungsgesetzes im Koalitionsvertrag vereinbart.Dieses Gesetz wird auch kommen,und zwar vermutlich bereits in der nächsten Plenarwoche.

Wie Sie aber auch wissen, wurde und wird das Thema in Bevölkerungskreisen durchaus kritisch und kontrovers diskutiert. Die Bundesgesetzgebung im Jahr 2001 war ein Paukenschlag. Vor allem die rechtliche Vereinbarkeit mit Art. 6 des Grundgesetzes, dem besonderen Schutz von Ehe und Familie, war zunächst ungeklärt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit dem 17. Juli 2002 – die Entscheidung wurde schon mehrfach zitiert – ist klar: Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist verfassungsgemäß. Das war ein ganz wichtiges und entscheidendes Urteil, zum einen für diejenigen, die in einer solchen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben und Verantwortung füreinander übernehmen wollen, aber auch für diejenigen, die in den Parlamenten mit der Gesetzgebung betraut waren und betraut sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat unter anderem festgestellt – ich zitiere noch einmal aus diesem Urteil –:

Die Einführung des neuen Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft... [verstößt] weder gegen die in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Eheschließungsfreiheit noch gegen die dort normierte Institutsgarantie.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist... keine Ehe... [im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG], sondern ein Aliud...

Da sich die Institutsgarantie nur auf die Ehe bezieht, kann ihr kein Verbot entnommen werden, gleichgeschlechtlichen Partnern die Möglichkeit einer rechtlich ähnlich ausgestalteten Partnerschaft zu eröffnen.

Meine Damen und Herren, das sind nur einige Ausschnitte aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches uns als Parlamentariern damit die Möglichkeit schafft, gesetzliche Regelungen für die eingetragenen Lebenspartnerschaften zu treffen. Nach der bundesgesetzlichen Regelung haben es inzwischen schon viele Bundesländer getan. Hessen zieht jetzt nach. Sie haben es eben gesagt: Ohne die Verwirrung in der politischen Situation in Hessen wäre man vielleicht schon um einiges weiter. Wir diskutieren jetzt zum dritten Mal die eingebrachten Gesetzentwürfe von Fraktionen bzw. der Landesregierung.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Dabei werden wir uns intensiv darüber unterhalten müssen, welche Regelungen wir treffen wollen, vielleicht sogar treffen müssen und in welchen Bereichen Regelungen nicht angezeigt sind. Der Rechtsprechung zufolge kommt eine Anpassung insbesondere in denjenigen Bereichen in Betracht, die hinsichtlich der jeweiligen Regelung ihren Anknüpfungspunkt schon in der Eingehung einer Lebens- oder Verantwortungsgemeinschaft haben. Das eröffnet uns einen weiten Spielraum.

Allerdings meine ich auch,dass es nicht in allen Bereichen angezeigt ist, Regelungen zu treffen. So sehen z. B. beide vorgelegten Gesetzentwürfe vor,umfassende Regelungen bei den Versorgungswerken zu treffen. Unserer Meinung

nach handelt es sich hier um eigenständige Organisationen, die selbst entscheiden können, ob sie eine solche Regelung treffen wollen oder nicht. Die Politik muss sich nicht überall einmischen und alles regeln, vor allem nicht in den Bereichen, in denen Verbände oder Organisationen eine eigene Regelungskompetenz haben.

Über vieles andere werden wir in den kommenden Wochen mit Sicherheit in aller Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit in den Ausschusssitzungen diskutieren. Ich denke, es macht Sinn, das zu machen, wenn in der nächsten Plenarwoche unser Gesetzentwurf ebenfalls eingebracht wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Bemerkung machen, die mir persönlich am Herzen liegt. Die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen hat auch in der Gesellschaft ein Umdenken angestoßen und hat das gesellschaftliche Miteinander von bloßer Akzeptanz und Toleranz in Richtung Normalität verändert. Das ist ein ganz entscheidender Schritt.Das entspricht dem Zeitgeist im Jahr 2009.Bei aller Notwendigkeit, eine gesetzliche Regelung in diesem Hause auf den Weg zu bringen, sollte die Gestaltung eines Miteinanders in der Bevölkerung aber nicht nur eine Frage von Gesetzen sein.Ich denke,darin sind wir uns alle einig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Honka für die CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rückblick auf die Gesetzesdiskussion des vergangenen Jahres kann ich sagen, wir haben dort sehr ruhig und sachlich miteinander diskutiert. Ich denke, das sollten wir auch in diesem Jahr so halten.

Zum Wettstreit der beiden Oppositionsfraktionen werde ich gleich noch ein paar Worte sagen. Zuerst möchte ich aber noch einmal die Grundsatzposition meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, auf der wir diskutieren, im Moment zusammen mit der FDP, um unseren gemeinsamen Gesetzentwurf fertigzustellen.

Ich denke, ich habe es schon im vergangenen Jahr gemacht. Es ist nicht schlecht, wenn man sich manchmal ein bisschen auf die Grundsätze zurückbesinnt. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Grundsatzprogramm der CDU Deutschlands:

Das christliche Menschenbild leitet uns auch in Zukunft... Jeder trägt aber auch Verantwortung für seinen Mitmenschen.

Weiter heißt es:

Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen. Wir erkennen an, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gilt nicht nur für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

So viel zu der Grundlage unserer Diskussionskultur, zu der Basis, auf der wir innerhalb unserer Koalition diskutieren.Wir haben uns den Auftrag selbst in unserem Koalitionsvertrag gesteckt, einen eigenen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen. Kollege Müller hat darauf hingewiesen, dass wir auf diesem Weg sind. Ich denke, wir sind gut auf diesem Weg, wir sind weit auf diesem Weg.

Jetzt könnte ich sagen, da sind wir wieder beim Thema Wettlauf. Wir hatten gerade einen Redewettstreit zwischen Herrn Kollegen Jürgens und Frau Hofmann,welche der beiden Fraktionen den inhaltlich und formal schöneren Gesetzentwurf eingebracht hat. Man hat gemerkt, dass allein schon inhaltliche Differenzen bestehen, weil die SPD noch ein paar Gesetze mehr gefunden hat, die sie gerne ändern möchte.