Ich habe mich zu Ihrem grundsätzlichen Verständnis der Hochschulbildung gemeldet. In „Phaidros“, einem sokratischen Dialog von Platon, wird das Bild, das meines Erachtens auch heute noch für das europäische Bild der Hochschule prägend ist, geschaffen, nämlich das des Lehrers und Schülers im dialogischen Prozess, der beide bereichert.
Wenn Sie mehr Selbstständigkeit der Hochschulen wollen, worüber man reden kann, und anschließend die Hochschule, die selbstständig sein soll, auf das Präsidium und einen vom Ministerium eingesetzten Hochschulrat reduzieren,dann werfen Sie zweieinhalbtausend Jahre europäischer Geistesgeschichte mit einem Federstrich über Bord.
Ich würde noch einmal einen Moment innehalten und darüber nachdenken, ob denn nicht vielleicht der Prozess der Bildung an einer Hochschule etwas anderes ist, als Waren zu kaufen, und eines anderen Zugangs bedarf.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Geln- hausen) (CDU))
Lieber Herr Dr. Spies, offensichtlich kennen Sie mich noch nicht, aber vielleicht werden Sie mich kennenlernen.
Zu dem Punkt Lehrer und Schüler im Dialog. Selbstverständlich. Ich habe diesen Dialog selbst in studentischen Gremien erlebt.Wir haben früher bei uns Berufungslisten unter Mitwirkung aller Beteiligten erstellt. Die Folge war, dass wir eine Liste ausgearbeitet haben. Diese Liste ging an das Ministerium. Dem Ministerium war es völlig egal, wer an welcher Stelle stand. Man konnte die dritte Stelle berufen, die zweite Stelle – völlig egal.
Was wir nun tun, ist, all diese Aufgaben, insbesondere die Aufgabe der Berufung, an die Hochschulen zu geben.
Wir nehmen das Ministerium zurück. Früher hat diese Aufgaben zu 100 % das Ministerium durchgeführt. Jetzt ist es ein Hochschulrat, bei dem die Hälfte der Mitglieder ausschließlich von der Universität vorgeschlagen wird,die andere Hälfte sogar im Benehmen mit der Universität. Weiter kann man sich an dieser Stelle gar nicht zurücknehmen. Ich halte das für sinnvoll. Das ist gelebte Autonomie. Deswegen gehen Ihre Vorwürfe völlig ins Leere. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Hochschullandschaft ist im Umbruch, allerdings in die falsche Richtung. Die aktuellen Debatten handeln ausschließlich von Wettbewerb, Standortsicherung und Exzellenzförderung. Die Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes muss sich aber am Leitbild einer sozialen und demokratischen Hochschule mit guten Lehr-, Lern-, Forschungs- und Arbeitsbedingungen orientieren.
Dazu müssen die Verschlechterungen aus zehn Jahren Koch-Regierung zurückgenommen werden, was der vorliegende Gesetzentwurf natürlich nicht tut. Das Hessische Hochschulgesetz wurde entschlackt, mit der Tendenz, mehr über Erlasse und Verordnungen zu regeln und damit den Ermessensspielraum des Ministeriums an einigen Stellen zu erweitern. Das halten wir für falsch.Wir wollen klare gesetzliche Regelungen, die den Hochschulen Planungssicherheit geben.
Herr Büger, so viel sei gesagt: Nur weil der Gesetzentwurf fünf Seiten kürzer ist als das bisherige Gesetz, ist das noch lange kein Bürokratieabbau.
Ich will mich heute auf ein paar wenige zentrale Punkte zum Hessischen Hochschulgesetz beschränken. Das heißt nicht, dass ich mit den anderen einverstanden bin. Mit dem TUD-Gesetz bin ich auch nicht einverstanden.
Als LINKE wenden wir uns gegen die Entdemokratisierung und Kommerzialisierung der Hochschulen. Die CDU-Landesregierung hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Regelungen eingeführt, die das Engagement von Studierenden an den Hochschulen erschwert und die Rechte der verfassten Studierendenschaft geschwächt haben. Sie marschieren weiter mit Sieben-Meilen-Stiefeln in die falsche Richtung. Der Gesetzentwurf schwächt die rechtliche Verankerung der Studierendenvertretung. Sie wollen die ASten langfristig aushebeln und damit den Studierenden die Strukturen nehmen, die sie brauchen, um sich zu organisieren und gemeinsam zu handeln, beispielsweise gegen Studiengebühren.
Das ist Ihre Lehre, die Sie aus der breiten Bewegung gegen Studiengebühren gezogen haben, nämlich ein konservatives Rollback an den Hochschulen.
Ein Irrsinn bleibt die sogenannte 25-%-Hürde, die das Budget der ASten an die Wahlbeteiligung koppelt. Man stelle sich das einmal für die Haushalte von Land und Kommunen vor. Die Beiträge sind natürlich nach der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben zu bemessen und nicht nach der Wahlbeteiligung. Die studentischen Vertreter fordern deshalb völlig zu Recht die vollständige Abschaffung dieses Paragrafen.
Auch der sogenannte Ordnungsparagraf muss weg, der politisch aktive Studierende einschüchtern soll. Der verwendete Gewaltbegriff ist höchst fraglich. Danach kann nämlich exmatrikuliert werden, wer den Hochschulbetrieb oder eine Hochschulveranstaltung stört. Das heißt, dass jeder, der sich an einem Universitätsstreik beteiligt, deshalb exmatrikuliert werden könnte.
Das Präsidium ist sogar befugt, nicht näher definierte Ordnungsmaßnahmen anzuordnen. Meines Wissens hat davon bisher keine hessische Hochschule Gebrauch gemacht. Ich frage mich auch, was zum Teufel das für Ordnungsmaßnahmen sein sollen. Ist das dann Campuskehren oder Tafelwischen? Oder was bitte soll das sein?
Es gibt ein Hausrecht, und es gibt ein Strafrecht. Das ist ausreichend. Weitere Sanktionsmöglichkeiten gegen Studierende lehnen wir ab.
Wir wollen die Rechte der verfassten Studierendenschaft um ein politisches Mandat erweitern und die Mitbestimmung an den Hochschulen ausbauen.Bei allen Fragen,die sich nicht unmittelbar auf Forschung und Lehre beziehen, ist eine paritätische Besetzung der Gremien rechtlich möglich und politisch notwendig. Es hilft aber wenig, wenn die Gremien immer weniger zu sagen haben, weil eine Kompetenzverlagerung hin zu den Präsidien und Hochschulräten stattfindet.
Die Mitglieder der Hochschulräte gehören nicht der Universität an. Sie müssen keine Wissenschaftler sein. Und vor allem sind sie nicht demokratisch legitimiert. Bei der Besetzung überwiegt in der Praxis eine einseitige wirtschaftsorientierte Besetzung. Durch die Novelle des HHG sollen die Entscheidungsbefugnisse des Hochschulrates auf die Entwicklungsplanung, auf Berufungsverfahren und auch auf interne Abläufe, wie z. B. die Wahl und die Abwahl des Präsidenten, ausgeweitet werden. Es macht wenig Sinn, wenn sich Präsidium und Hochschulrat zukünftig gegenseitig einsetzen.
Ihr Gesetzentwurf sieht auch vor, dass die Mitglieder des Hochschulrates nicht mehr ausdrücklich ehrenamtlich tätig sind und dass die Legislaturperiode aller Hochschulräte Ende 2010 endet. Da liegt der Verdacht natürlich nahe, dass hier womöglich gut dotierte Posten geschaffen werden sollen. Ich sage Ihnen: Wenn die Hochschulen in Hessen eines nicht brauchen, dann sind das bezahlte Hochschulräte.
Hochschulräte sollen eine beratende Funktion haben.Die Entscheidungskompetenz muss bei den demokratisch legitimierten Gremien, in erster Linie beim Senat, bleiben. Die Entscheidungsspielräume, die sich durch die Erweite
rung der Hochschulautonomie ergeben, müssen der akademischen Selbstverwaltung übertragen werden. Grundsätzlich sind wir aber der Meinung, dass Rahmenbedingungen landesweit einheitlich über das Hochschulgesetz geregelt werden müssen und nicht dem Belieben der einzelnen Satzungen der Hochschulen überlassen werden dürfen. Herr Büger, ich empfehle einen Blick in die Hessische Verfassung,Art. 60.
Der freie Hochschulzugang ist eine soziale Errungenschaft. Deshalb war die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen so wichtig. Aber auch der Verwaltungskostenbeitrag, der im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ eingeführt wurde, ist nichts anderes als eine Studiengebühr, und zwar ohne Darlehensmöglichkeit. Nach Art.59 der Hessischen Verfassung und auch nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs ist diese Gebühr nicht zulässig und muss abgeschafft werden.
Wir wenden uns gegen alle Formen der schleichenden Privatisierung im Hochschulbereich. Als einzige Fraktion dieses Hauses lehnen wir die Stiftungsuniversität ab und sprechen uns dafür aus, die Umwandlung rückgängig zu machen.
Wir lehnen auch Teilprivatisierungen in Form von Ausgliederungen ab, wie Ihr Gesetzentwurf es in § 3 möglich machen will. Sie führen einen Drittmittelzwang ein und verpflichten die Hochschulen, Drittmittel einzuwerben. Aber die Hochschulfinanzierung ist eine öffentliche Aufgabe.Wir wollen nicht, dass Sponsoren Einfluss auf Lehre und Forschung bekommen; denn Bildung ist keine Ware, und die Hochschulen sind kein Markt.
Wir setzen uns auch für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein.Denn gerade an den Hochschulen arbeiten immer mehr junge Wissenschaftler in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Reguläre unbefristete Vollzeitstellen sind an den Universitäten eine Ausnahme. Die Entwicklung ist fatal, denn Lehre und Forschung brauchen Kontinuität. Das heißt auch, dass der Anteil der Dauerstellen erhöht werden muss.
Das sind einige Kritikpunkte am Gesetzentwurf.Das Hessische Hochschulgesetz muss gemeinsam mit den Betroffenen, nämlich den Studierenden als größte Statusgruppe an den Hochschulen, aber auch mit den Gewerkschaften entwickelt werden und nicht gegen sie. Wir wollen keine Hochschulen, an denen Eliten stromlinienförmig und eindimensional ausgebildet werden. Im Gegenteil: Die kritischen Wissenschaften müssen an den hessischen Universitäten und Hochschulen gestärkt werden, damit die gute Tradition beispielsweise Wolfgang Abendroths oder der Frankfurter Schule in Hessen auch fortgesetzt wird. In diesem Sinne: für Solidarität, für freie Bildung und für offene und demokratische Hochschulen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat Frau Abg. Sarah Sorge, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Lieber Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf des Hessischen Hochschulgesetzes zeigt, dass die Landesregierung überhaupt kein Konzept hat, wohin sich die Hochschulen entwickeln sollen.
Der Gesetzentwurf blendet einen Großteil der Entwicklungen aus, die zurzeit im Wissenschaftssystem ohnehin passieren, aber durch ein Gesetz, mindestens aber durch ein schlüssiges Konzept gestaltet werden müssten. Die Ministerin redet – das hat sie hier eben auch getan – immer wieder von Autonomie.Sie behauptet,die Entlassung der Hochschulen in Freiheit sei ihr Konzept. Aber, Frau Ministerin, in Wirklichkeit machen Sie sich keinerlei Gedanken, was nötig ist, damit Autonomie an den Hochschulen dann auch wirklich funktioniert.