Zunächst der Entschließungsantrag von CDU und FDP betreffend Hessen vorn im Kampf gegen Lebensmittelimitate, Drucks. 18/1064. Wer diesem Entschließungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU, SPD und FDP. Gegenstimmen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Damit ist dieser Entschließungsantrag angenommen.
Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend besserer Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Betrügereien im Lebensmittelbereich, Drucks. 18/1158, die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gegenstimmen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – SPD. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Jetzt kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend gefälschte Lebensmittel kenntlich machen,Drucks.18/1168.Hier gab es den mündlichen Antrag der Frau Kollegin Müller, im Titel „gefälschte Lebensmittel“ in „Lebensmittelimitate“ zu ändern. – Das wird so aufrechterhalten. Dann müssen wir darüber abstimmen.
Wer zunächst einmal dieser Änderung zustimmt,den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus.
Nun lasse ich über den Entschließungsantrag in der geänderten Form abstimmen. Wer diesem Entschließungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Auch das ist das gesamte Haus. Damit ist dieser Entschließungsantrag angenommen.
Jetzt treten wir – passend zum Thema – in die Mittagspause ein. Um 14:15 Uhr fangen wir wieder an. Bis dahin unterbreche ich die Sitzung.
Bevor wir wieder in die Tagesordnung eintreten, begrüßen wir ganz herzlich einen ehemaligen Kollegen auf der Besuchertribüne, Herrn Willi Rausch. Herzlich willkommen hier im Landtag.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Finanz- und Wirtschaftskrise bekämpfen – Reichtum solidarisch umverteilen – Drucks. 18/1070 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Steuereinnahmen sichern – Steuersystem modernisieren – Drucks. 18/1191 –
Die hier vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles lebt davon – das ist eine alte pädagogische Erfahrung –, dass man etwas durch Wiederholung in die Köpfe hineinbekommt.
Bereits im Bundestagswahlkampf wurde von der CDU der Eindruck zu erwecken versucht, die Finanz- und Wirtschaftskrise sei beendet, das Schlimmste überstanden.
Aber nach allen vorliegenden Berechnungen von Wirtschaftsforschungsinstituten, Internationalem Währungsfonds, Weltbank oder OECD kann bestenfalls von einem sehr langwierigen Weg aus der Krise mit niedrigen Wachstumsraten in den kommenden Jahren ausgegangen werden. Sollte es gelingen, die Wachstumsraten der Wirtschaftsleistung in Deutschland in den kommenden Jahren auf einen Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte zu bringen, dauert das bis 2018, bis die Wirtschaftsleistung des Jahres 2005 wieder erreicht wird.
Andererseits halten es viele Ökonomen für keineswegs ausgemacht, dass diese Krise überhaupt zu Ende geht.
In den letzten Monaten hat sich bestenfalls der rasante und historisch einmalige Absturz der Wirtschaftsleistung seit dem Herbst 2008 abgeschwächt. Durch den zu erwartenden Anstieg der Arbeitslosigkeit droht insbesondere die Binnennachfrage in der Europäischen Union – ähnlich wie in den USA – deutlich einzubrechen.
Norbert Walter – kein Vertreter der LINKEN –, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, geht zwar für die Bundesrepublik davon aus, dass die Konjunkturpakete das Wachstum im nächsten Jahr stärken, dass sie aber nicht ausreichen werden, ein sich selbst tragendes Wachstum anzuschieben.
Liest man den jüngsten Finanzstabilitätsbericht des IWF, so kann man erfahren, dass von den zu erwartenden 560 Milliarden c Verlusten aus Kreditausfällen und Wertpapierabschreibungen bei den Banken lediglich 40 % bereits realisiert sind. Nimmt man die Stresstests bei den Banken ernst,fehlen US-Banken rund 104 Milliarden USDollar Eigenkapital, europäischen Banken ungefähr 92 Milliarden US-Dollar. Das ist der IWF-Bericht vom Oktober 2009, also ganz aktuell.
Hier ist die in Pittsburgh beim G-20-Gipfel vereinbarte höhere Eigenkapitaldeckung bei den Banken noch gar nicht eingerechnet.
Für das kommende Jahr rechnet der IWF mit einer Verringerung des Kreditangebots, und das wird nicht ausrei
chen, einen auch nur schwachen Aufschwung zu tragen. Die Kreditklemme greift und behindert die ohnehin schwache und bedrohte Erholung.
Es gibt unterschiedliche Berechnungen der zu erwartenden Arbeitslosigkeit für das kommende Jahr. Von 4,1 Millionen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bis zu 4,5 Millionen, wie es die Deutsche Bank errechnet hat, werden uns noch ins Haus stehen.
Ein solcher Anstieg der Arbeitslosigkeit führt zu sinkender Kaufkraft der Haushalte und nachlassender Binnennachfrage, die bislang noch – wenn auch auf international vergleichsweise niedrigem Niveau – die Krise bisher relativ stabil überstanden hat.
Auch die Systeme der sozialen Sicherheit sind durch die Krise und weitere Belastungen bereits in diesem Jahr unter erheblichen Druck geraten. In der Krise hatten sie eine starke stabilisierende Wirkung auf die Konjunktur; bei steigender Arbeitslosigkeit wird sich aber die Kassenlage dort weiter verschlechtern. Bereits jetzt hat die Arbeitslosenversicherung gegenüber dem ursprünglichen Plan für 2009 ein Defizit von 16,3 Milliarden c. Dabei handelt es sich hauptsächlich um deutlich höhere Leistungen beim Arbeitslosengeld I und natürlich beim Kurzarbeitergeld; aber darauf kommen wir noch einmal zurück.
Nach der derzeitigen Finanzplanung können bis zum Jahr 2013 rund 50 Milliarden c Defizit aufgehäuft werden, die nicht durch eine staatliche Verpflichtung gedeckt sind. Noch nie in ihrer Geschichte ist die Arbeitslosenversicherung so dramatisch in die roten Zahlen gerutscht.Von der Kapitalseite wird der politische Druck zunehmen, die Leistungen weiter zu kürzen. Wir hören, was sich da am Rande der Koalitionsverhandlungen abspielt.
Seit gestern wissen wir,dass der gesetzlichen Krankenversicherung infolge sinkender Beitragseinnahmen in diesem Jahr rund 2,3 Milliarden c fehlen. Dieser Betrag ist nicht durch ein Darlehen des Bundes gedeckt.
Für das kommende Jahr hat der Schätzkreis beim Bundesversicherungsamt ein Defizit von rund 7,8 Milliarden c, bei geplanten 11,7 Milliarden c Bundeszuschuss, ermittelt. Neben den sinkenden Beitragseinnahmen weisen die deutlich gestiegenen Kosten auf ein strukturelles Problem des Gesundheitsfonds hin.Von der FDP wird bereits Druck gemacht, die Deckelung der Beitragssätze auf maximal 1 % Zusatzbeiträge aufzuheben. Dann kämen auf die Beitragszahlerinnen und -zahler weitere höhere Belastungen zu.
Bei den Steuereinnahmen sieht die Entwicklung für das laufende Jahr wie für die kommenden Jahre, vor allem aufgrund der zu erwartenden, bestenfalls langsamen Konjunkturerholung, noch dramatischer aus. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen geht bislang von Mindereinnahmen von 45 Milliarden c im Jahr 2009 aus. Davon entfallen 16,5 Milliarden c auf Änderungen des Steuerrechts; und 28,5 Milliarden c sind dann konjunkturbedingt. Die gesamten Steuerausfälle bis 2012 bei Bund, Ländern und Kommunen werden auf 316 Milliarden c steigen.
Der Entwurf des Landeshaushalts Hessen sieht für 2010 eine nie da gewesene Neuverschuldung vor. Wir hatten das schon heute Morgen;da streiten wir uns,ob es 3,3 oder 3,4 Milliarden c sind, aber in dieser Größenordnung ist die Landesverschuldung zusätzlich angehäuft worden. Nimmt man jetzt noch die notwendigen Mittel hinzu, die für die Konsolidierung der Haushalte von Bund und Ländern aufgebracht werden müssen,um ab 2012 das zur Gel
tung kommende verfassungsmäßige Verschuldungsverbot einzuleiten, wird der ganze Irrsinn des Konzepts deutlich.
Wo hier Spielräume für eine Steuerreform mit Einahmeausfällen bei Bund und Ländern in der Größenordnung von 89 Milliarden c, so die Berechnungen des RWI für das FDP-Steuerkonzept,für weitere Einschränkungen bei der Steuererhebung in Höhe von 89 Milliarden c, bestehen, diese Erklärung sind uns CDU und FDP schuldig geblieben.
Es gibt natürlich auch keine Spielräume. Eine Gegenfinanzierung dieser Steuergeschenke fehlt völlig. Das ist abstrus. Was hier gemacht werden soll, ist reine Klientelpolitik, ist eiskalter Klassenkampf von oben. Die seit Jahren stattfindende Umverteilung – –
(Dr.Walter Arnold (CDU): Das war eine Rede von vor 20 Jahren! Das Manuskript ist auch schon 20 Jahre alt!)
Ach so, das wurde beibehalten. Da hat sich nichts geändert. – Die seit Jahren stattfindende Umverteilung von unten nach oben in völliger Verkehrung jedes Begriffs von Gerechtigkeit soll fortgesetzt werden. Nun wollen uns die neuen Koalitionäre in Berlin weismachen, diese Steuersenkungen seien gut für die Konjunktur und einen schnelleren Anschub des Wirtschaftswachstums mit erwünschten Effekten wie der Zunahme von Beschäftigung, Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Steuersenkungen – so das wider alle Erfahrungen vorgetragene Credo – finanzierten sich von selbst.