Herr Schaus, ich bin sehr froh, dass Sie hier anders geredet haben, als der Antrag gestellt ist, weil er so, wie Sie jetzt formuliert haben, sicherlich auch die Zustimmung findet, aber nicht so, wie der Antrag im Text formuliert ist, denn es greift viel zu kurz. Jugendgewalt ist sehr viel mehr als nur Rechtsextremismus. Das belegt schließlich auch die Studie, auf die Sie Bezug nehmen, nämlich des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, die gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium erstellt wurde.
Diese Studie ist eine deutschlandweite repräsentative Schülerbefragung aus den Jahren 2007 und 2008. In der Studie selbst gibt es neun Thesen. Davon ist in der These
neun auch auf den Rechtsextremismus als eine der Ursachen Bezug genommen. Die ist wichtig und richtig und muss auch untersucht werden, aber nicht nur die.
Es wird in dem Zusammenhang – Sie haben es erwähnt – auch auf Alkoholismus verwiesen, auf Präventionsmöglichkeiten, auch auf den Zusammenhang mit Computerspielen. Insofern können wir uns auch darauf beziehen.
Meine Damen und Herren, der Rechtsextremismus hat in Hessen – ich sage das ganz ausdrücklich – auch eine besondere Bedeutung leider auch in jüngerer Vergangenheit im Schwalm-Eder-Kreis erfahren.Auch dort gab es leider wieder gewaltsame Auseinandersetzungen gegen Jugendliche und, was man sehr aufmerksam wahrnehmen muss, Schießübungen, die regelmäßig von Rechtsextremisten stattfinden.Hier besteht Handlungsbedarf,gerade auch in Hessen.
Aber ich habe es Ihnen gesagt: Ihr Kontext ist zu kurz. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag gestellt, weil wir es für dringend erforderlich halten, das ganze Spektrum zu untersuchen und hier die Ursachen und Wirkungen zu diskutieren. Herr Innenminister, bei diesem Thema sollten gerade Sie als hessischer Innenminister zuhören,
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das wäre schon angemessen! – Minister Volker Bouffier: Ich höre zu!)
weil ich schon glaube, dass dieses Thema in Hessen eine besondere Bedeutung hat. Das haben wir schließlich im Wahlkampf 2008 sehr eindrucksvoll belegt bekommen, wie hier die Spitze der Landesregierung mit diesem Thema umgegangen ist. Meine Damen und Herren, in unsäglicher Weise haben Sie nämlich Ähnliches wie heute die Linkspartei getan. Sie haben die Jugendgewalt auf eine Gruppe reduziert und hervorgehoben, dass diejenigen mit Migrationshintergrund die Hauptursache in dem Bereich darstellen. Das war menschenverachtend, was da passiert ist. Das darf in Hessen nicht wieder passieren.
Deswegen halte ich es für erforderlich, dass der Innenminister dieser Debatte an der Stelle auch zuhört; denn wir haben damals sehr eindrucksvoll im Wahlkampf belegt bekommen, wie viele Defizite wir in Hessen in dem Bereich haben. Wir hatten zu wenige Jugendarreststellen. Wir hatten leider durch die „Operation düstere Zukunft“ massive Kürzungen in der Jugendhilfe, der Familienhilfe.
Wir haben diese Woche über ein wesentliches Thema geredet, das damit ganz unmittelbar zusammenhängt, nämlich die Schulsozialarbeit. Es wird in diesem Zusammenhang viel zu wenig bearbeitet. Es ist einer der Kernpunkte in der Präventionstätigkeit, dass Schulsozialarbeit auch geleistet wird. Da hätte es gerade diesem Land gut angestanden, wenn in einem einheitlichen Antrag die Schulsozialarbeit auch finanzielle Unterstützung vom Land erhalten hätte.
Wir müssen Jugendkriminalität umfassend und nachhaltig bekämpfen, uns alle Ursachen und Wirkungen anschauen und deshalb eine sehr breit aufgestellte wissenschaftliche
Untersuchung vorlegen.Wir wissen – Herr Innenminister, Sie werden sicherlich darauf eingehen –, dass die letzte Innenministerkonferenz in Bremerhaven sich damit beschäftigt hat. Sie kennen den Beschluss. Ich denke, das reicht aber nicht aus. Ich will nicht, dass Sie sich darauf zurückziehen, sondern ich will, dass Sie hier in Hessen etwas Eigenes vorlegen und wir unsere eigenen Schlüsse daraus ziehen; denn wir sind hier in Hessen. Wir müssen uns um die hessischen Verhältnisse kümmern.
Ich hoffe auf Unterstützung unseres Antrages und mache eine Anregung. Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist wieder beim Innenausschuss und beim Rechtsausschuss ressortiert. Jugendkriminalität und Jugendgewalt bekämpft man aber nicht erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sondern im Vorfeld, wenn man präventiv noch etwas tun kann.
Deswegen habe ich die dringende Anregung – ich hoffe, dass das Haus an der Stelle folgt –, dass der Kulturpolitische Ausschuss und der Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit beteiligt werden, spätestens bei der Vorlage einer solchen Studie. Ich halte es für dringend erforderlich.Wir müssen das als gesamtgesellschaftliches Problem ansehen und dagegen etwas tun.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN thematisiert ein ernstes Problem in unserem Land, ohne Frage. Die Gewaltdelikte, gerade unter Jugendlichen, nehmen zu. Einer erfreulicherweise sinkenden Gesamtkriminalitätsrate steht ein Anstieg der Gewaltkriminalität gegenüber.
Um das einmal einzuordnen: Solche Extremtaten kommen zwar nicht so häufig vor, aber da sie so brutal sind, müssen sie uns umso mehr beunruhigen, ebenso die Tatsache ihrer Zunahme.
Um auf den Antrag der LINKEN zu kommen: Auch rechte Gewalt ist trotz des erfreulichen Rückgangs der Delikte insgesamt natürlich ein ernst zu nehmendes Problem. Es ist die Pflicht aller demokratischen Kräfte, gemeinsam entschieden dagegen vorzugehen.
Meine Damen und Herren, Gewalt kommt natürlich von rechts, aber auch von links; und es gibt gänzlich unpoliti
sche Gewalt – das ist bereits angesprochen worden: die Taten in der Münchner und in der Frankfurter U-Bahn.
Herr Schaus, vielen Dank. Das, was Sie hier gerade mündlich vorgetragen haben, war vollkommen richtig – aber das steht leider nicht in Ihrem Antrag.
Deswegen kann ich auch direkt zu Ihrem Antragstext kommen, denn darum geht es ja. Ihr Antrag ist einseitig und lückenhaft – auch wenn er in einigen Punkten gut gemeint ist, keine Frage.
In der Überschrift Ihres Antrags benennen Sie die Jugendgewalt, im Antragstext aber beziehen Sie sich doch wieder nur einseitig auf rechte Gewalt.Was aber die Thematik rechter Gewalt angeht, so ist Ihre Initiative in Hessen größtenteils entbehrlich.
Die angeführte Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen führt in ihren Kernaussagen zu keinen neuen Erkenntnissen, da in Hessen zum Thema rechte Jugendcliquen bereits aktuelle empirische Befunde des Innenministeriums vorliegen. Die werden derzeit ausgewertet. Da gab es schon eine Studie.
Außerdem fokussiert sich die KFN-Studie,was das Thema rechte Gewalt insgesamt angeht, nur auf Jugendliche, während die Studie des hessischen Innenministeriums das Thema Rechtsextremismus in der gesamtgesellschaftlichen Form thematisiert – also auch auf den verschiedenen Ebenen: Schule, Verein, Kommune usw. Das Thema Rechtsextremismus wird da als ein gesamtgesellschaftliches Problem wahrgenommen, nicht nur als ein Jugendproblem.
Was die Jugendgewalt insgesamt angeht, so führt die Landesregierung dazu auch einige Studien durch. Beispielsweise wurde in Vorbereitung der Häuser des Jugendrechts vom Justizministerium eine groß angelegte Studie zum Thema Jugendgewalt herausgegeben.
Einige weitere Maßnahmen – Frau Kollegin Faeser hat es angesprochen – wurden durchgeführt: Die Zahl der Arrestplätze wurde erhöht, damit die jugendlichen Delinquenten auch sofort die repressiven Konsequenzen ihrer Taten zu spüren bekommen. Da ist einiges getan worden. In Hessen haben wir ein klares Bild von Gewalt, und wir gehen auch entschieden gegen diese Gewalt vor.
Insofern ist dieser Antrag der LINKEN entbehrlich, und deswegen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Der Antrag der SPD ist sehr konstruktiv. Ich denke, darüber werden wir im Ausschuss noch des Längeren und Breiteren diskutieren. Das ist kein Thema, bei dem man populistisch argumentieren sollte. Ich denke, hier gibt es eine große Einigkeit im Haus.Aber eine allgemeinere Bemerkung zu diesem Thema kann ich mir dennoch nicht verkneifen.
Herr Schaus, Sie haben das eben sehr schön ausgeführt. Ich muss wirklich sagen: Den größten Teil Ihrer Rede konnte ich unterschreiben.Aber gestern haben wir es bei der Debatte um die Gewalt gegenüber Polizeibeamten gesehen – und auch Herr Kollege Frömmrich hat das ange
sprochen –: Die Linkspartei ist unglaubwürdig, was die Gewaltprävention und die Distanzierung von Gewalt angeht. Hier ist die Linkspartei unglaubwürdig. Gestern haben Sie wieder Gewalt gegen Polizeibeamte relativiert.