Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Da die Zeitung des IHK-Präsidenten Südhessens, des Herrn Dr. Bach, in der gesamten Region Südhessen ein Meinungsmonopol besitzt, wird die Öffentlichkeit über diesen skandalösen Vorgang nicht informiert.Deshalb hat die Gewerkschaft ver.di in einer groß angelegten Aktion 50.000 Informationsschriften an sämtliche Haushalte in Darmstadt verteilt. Merke: Wer die Mediendominanz in der Region Südhessen besitzt, kann sich fast alles erlauben, und niemand bekommt es mit.Auch deshalb bringen wir dem Landtag diesen skandalösen Vorgang zur Kenntnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Zwischenzeitlich hat sich sogar der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck mit einem Schreiben an beide Verlage gewandt, in dem er an die Unternehmer appelliert, die gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und im neuen Druckzentrum Rüsselsheim die Tarifverträge der Druckindustrie anzuwenden. Mit Blick auf die Funktion des „Darmstädter Echo“-Verlegers Dr. Bach als IHK-Präsident Südhessens schreibt Ministerpräsident Beck – wie ver.di berichtet –, Mitbestimmung und Flächentarifverträge seien wichtige wirtschafts- und sozialpolitische Errungenschaften, die zum sozialen Frieden beitragen, und fordert die Übernahme möglichst vieler Beschäftigter aus den bisherigen Druckereien.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Gu- ter Mann, der Beck!)

Von der Hessischen Landesregierung wünscht sich ver.di genau wie wir eine ebenso deutliche Haltung zur Tarifbindung und zur Übernahme der Beschäftigten, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind.

Deswegen haben wir den vorliegenden Dringlichen Entschließungsantrag eingebracht, in dem der Verleger und IHK-Präsident Dr. Bach aufgefordert wird, seiner wichtigen Funktion als hoher Repräsentant der Arbeitgeber endlich gerecht zu werden.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen:Wir alle sollten uns an die Seite der Betroffenen stellen, und wir sollten diesen

Antrag einmütig beschließen, damit nicht wieder nur die Beschäftigten die Zeche zahlen, während der Unternehmer den Reibach macht.

(Beifall bei der LINKEN Vizepräsident Frank Lortz: Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Das Wort hat Herr Abg. Lenders, FDP-Fraktion. Jürgen Lenders (FDP):

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst einmal auf den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD eingehen. Denn er ist wenigstens nicht ganz so ideologisch überfrachtet, wie es das ist, was hier gerade wieder von der LINKEN inszeniert wurde.

Die SPD-Fraktion geht in ihrem Dringlichen Entschließungsantrag auch auf die Situation in Darmstadt und in Rüsselsheim ein. Aber man muss zu diesem Dringlichen Entschließungsantrag eines sagen. Auch die SPD-Fraktion macht den gleichen Fehler. Sie geht auf die spezielle unternehmerische und wirtschaftliche Situation eines Unternehmens in Hessen ein.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir hatten diese grundsätzliche Diskussion schon einmal im Zusammenhang mit Federal Mogul. Der Hessische Landtag hat sich in unternehmerische Entscheidungen nicht einzumischen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich finde das, was die SPD-Fraktion in den ersten Absatz hineingeschrieben hat, schon sehr bemerkenswert. Ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass sich ver.di für den Sozialplan feiern lässt. Es ist davon die Rede, dass es da um über 23 Millionen c geht, wenn der Sozialplan vollkommen ausgeschöpft wird. Das ist wirklich eine Leistung der Gewerkschaft ver.di. In der öffentlichen Wahrnehmung findet das auch die Unterstützung des Betriebsrats.

Dazu kann ich nur sagen: Respekt. In der Situation, in der sich diese Druckerei befindet, hat man wahrscheinlich einen großen Erfolg für die Beschäftigten dieses Unternehmens erzielt.

(Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): 400 Arbeitslose, das ist der große Erfolg! Herr Lenders, was Sie sagen, ist zynisch!)

Herr Schaus, das mag in Ihren Augen zynisch sein. Ich kann Ihnen aber sagen: Sie betreiben doch Folgendes. Sie picken sich einzelne Unternehmen heraus, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden.

Sie sollten sich einmal mit der wirtschaftlichen Situation in der Druckindustrie beschäftigen. Diese Unternehmen müssen die Kapazitäten bündeln, um überhaupt noch wirtschaftlich arbeiten zu können.Wenn sie das nicht tun, gefährden sie jeden Arbeitsplatz in dieser Branche in diesem Bundesland. Genau das tun sie.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren der LINKEN, Sie gehen noch einen Schritt weiter. Das ist eigentlich nur noch unver

schämt. Sie picken sich einzelne Unternehmer heraus und stellen sie hier an den Pranger. Das geht nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist eines deutschen Parlaments nicht würdig. Das ist auch nicht seine Aufgabe.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Er ist IHK-Präsident!)

Es bleibt dabei: Es darf keine Einmischung in unternehmerische Entscheidungen geben. Es darf nicht sein, dass wir uns einzelne Unternehmer herauspicken.

Ich will das grundsätzliche Problem aber gar nicht kleinreden. Das wurde hier in Zusammenhang mit der Firma Schlecker diskutiert und angesprochen. Dass sich ein Unternehmen aus der Tarifverantwortung herausstiehlt, ist kein guter Zustand.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Janine Wissler (DIE LINKE): „Kein guter Zustand“!)

Da muss man sich wirklich ansehen, worin die Ursachen bestehen. Liegt das vielleicht auch daran, dass die Tarifverträge nicht mehr auf die wirtschaftliche Situation der einzelnen Unternehmen eingehen?

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sind vielleicht die Flächentarifverträge das Problem?

(Zurufe von der LINKEN)

Sie können hier aufheulen. Das haben wir alles verstanden. Ich will das alles auch gar nicht wegdiskutieren. Man muss sich natürlich auch mit der Situation auseinandersetzen. Meine Damen und Herren, in der Form, wie Sie das jetzt gemacht haben, geht das aber überhaupt nicht.

Es bleibt dabei: Die wirtschaftliche Situation einzelner Branchen führt eben dazu, dass sich Unternehmen aus den Tarifverträgen herausnehmen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist ganz dünn!)

Zuletzt möchte ich noch auf das eingehen, was Sie fordern. Da wird es besonders spannend. Sie wollen die Bedeutung des § 613a Bürgerliches Gesetzbuch ausweiten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, wenn das wirklich Gesetz werden sollte, dann müssten Sie mir Folgendes erklären. Wenn ein Unternehmen seinen Betrieb von Hessen nach Thüringen oder von Hessen nach Polen verlagert – ich weiß, das ist alles nicht besonders vergnügungsteuerpflichtig –, wollen Sie es dann zwingen, die Arbeitnehmer dorthin zu übernehmen? Wollen Sie das Unternehmen dazu bringen, die Arbeitsplätze mit denen zu besetzen, die hier beschäftigt sind und die hier einen guten Sozialplan bekommen? Wollen Sie, dass die dann quasi par ordre du mufti nach Polen oder sonst wohin umziehen müssen? Wollen Sie das allen Ernstes?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn das Gesetz werden sollte, dann würden Sie damit wirklich jegliche Investitionsbereitschaft eines neuen Unternehmens, eines bestehenden Unternehmens oder eines Unternehmens abwürgen, das im Ausland ist und überlegt, ob es hier in Hessen investieren will. So kann man keine Wirtschaftspolitik machen. Das wäre Staatswirtschaft. Das wäre Sozialismus pur. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Burghardt für die CDU-Fraktion.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Burghardt, ich erinnere Sie an Opel! Da haben wir das geschafft!)

Ich denke Tag und Nacht an Opel.– Herr Präsident,meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir das Thema der Aktuellen Stunde der Fraktion DIE LINKE auf den Tisch gelegt bekommen haben, haben wir erst einmal überlegen müssen, was Sie damit überhaupt meinen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das glaube ich, dass Sie das nicht wissen!)

Wir mussten da erst einmal nachfragen. Dann fiel das Stichwort Schlecker.Zum Glück ist Ihnen dann auch noch das Thema „Darmstädter Echo“ vor die Füße gefallen. Das konnten Sie heute dann auch noch einmal bringen.

Ich würde jetzt gerne auf die Themen eingehen. Herr Schaus,Ihre Einwürfe in Richtung der CDU bezüglich der Gewerkschaften und der Arbeitnehmervertretung halte ich nicht für fair. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen. Ich komme aus einer Gewerkschaftsfamilie. Mein Vater ist freigestellter Betriebsrat. Wir sind uns also der Themen Arbeitnehmerrechte und Arbeitnehmerpflichten sehr bewusst. Das sind auch in der CDU-Fraktion immer wieder groß diskutierte Themen. Das sind nicht nur Themen der linken Seite dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Interessant finde ich auch, dass Sie 60 Jahre nach Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes dieses Thema und die Kompetenz der Gewerkschaften immer wieder auf das Tableau bringen. Ich bin der Meinung: Die Tarifautonomie ist eines der höchsten Güter, die wir haben. Wir, die wir aus der Politik kommen, sollten uns nicht immer in die Geschäfte der Gewerkschaften, der Betriebsräte, aber auch der Unternehmen einmischen. Das ist nicht unsere Aufgabe.Wir schaffen den Rahmen. Für den Rest sind die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer im Rahmen der Tarifautonomie zuständig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich auf die Situation bei Schlecker, dem „Darmstädter Echo“ und der „Rhein-Main-Presse“ eingehen. Die Situation bei Schlecker ist ein sehr schwieriges Thema.Wir reden hier über 12.000 Arbeitsplätze.Das sind alles Zahlen, die ver.di geschätzt hat. Wir haben von Schlecker keine offiziellen Zahlen. Das muss man dazusagen. Insgesamt arbeiten da 55.000 Menschen.

Sie reden nur über die Arbeitsplätze, die eventuell wegfallen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie sind schon weg!)