Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Das Christentum ist mehr als Christean Wagner: Gott sei Dank) – Drucks. 18/1185 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion hat in der letzten Woche gefordert, die Union müsse künftig ihr C wieder mehr betonen, sie müsse ihr christliches Wertefundament deutlicher machen.
Als der CDU-Fraktion Außenstehender kann man das eigentlich nur begrüßen: keine unchristlichen Wahlkämpfe mehr auf Kosten von Minderheiten,
keine Lügen mehr über erfundene jüdische Vermächtnisse – nichts anderes als ein Verstoß gegen das achte Gebot – und keine Zerschlagung der sozialen Infrastruktur wie in der „Operation düstere Zukunft“. Dies alles müsste dann endgültig der Vergangenheit angehören.
Zur Besinnung auf die christlichen Wurzeln würde eine Aufarbeitung dieser und vieler anderer Sünden der Vergangenheit sicherlich beitragen. Ich kann da nur zuraten.
Er redet von christlichen Werten, meint aber eine rechtskonservative Neuausrichtung. Als Beispiel für christliche Politik fordert er ausgerechnet die Beibehaltung der Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe. Also nicht Nächstenliebe ist sein Anliegen, sondern Ablehnung von Andersartigen; nicht Barmherzigkeit, sondern unbarmherzige Ausgrenzung; nicht Toleranz, sondern Fortsetzung der Intoleranz hält er für christliche Werte.
An dieser Stelle muss ich sagen: Mit meiner christlichen Überzeugung und mit derjenigen vieler Christen in diesem Lande und mit Sicherheit auch in der CDU-Fraktion steht dies nicht in Übereinstimmung.
Nun hat es in der Geschichte natürlich immer Christen gegeben, die sich nicht an diese Botschaft gehalten haben und meinten, der christliche Glaube könne nur bestehen, wenn Andersgläubige oder Abweichler in den eigenen Reihen bekämpft werden, notfalls auch mit Feuer und Schwert. Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Inquisition, die Verfolgung großer Denker und Forscher sind die schlimmsten Auswüchse dieses militant-aggressiven Fundamentalismus.
Das aufgeklärte, das moderne Christentum aber schöpft die Kraft des Glaubens nicht aus der Ablehnung anderer Menschen.
Der Stellenwert der eigenen Überzeugung wird nicht dadurch größer, dass andere herabgewürdigt und ausgegrenzt werden. Im Verständnis der Christen sind alle Menschen ein Geschenk Gottes an die Welt. Die Achtung Gottes gebietet auch die Achtung aller Menschen.
„Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“, sagt Jesus und meint damit alle Menschen. Deswegen hat für Christen auch jeder Mensch in seiner einzigartigen Individualität den gleichen Anspruch auf Achtung und Würde.
Dies gilt für alle – Frauen und Männer, Junge und Alte, Weiße und Schwarze, Arme und Reiche, Menschen mit und ohne Behinderungen, Schlaue und Dumme – und ich sage: auch für heterosexuelle und homosexuelle Men
Wer Menschen wegen eines persönlichen Merkmals – sei es das Geschlecht, die Herkunft, das Alter oder eben auch die sexuelle Identität – ausgrenzt, diskriminiert oder schlechter behandelt als andere, handelt nicht christlich, sondern unchristlich. Nicht die Abwertung anderer, sondern die Akzeptanz des menschlichen Lebens in allen seinen Erscheinungsformen entspricht dem christlichen Menschenbild.
Deshalb ist auch der Schutz der Ehe nicht davon abhängig, andere Lebensformen zu benachteiligen. Die Eheleute brauchen für ihr Eheglück nicht die Zurücksetzung homosexueller Lebenspartnerschaften. Und die Anerkennung der Lebenspartnerschaften beeinträchtigt auch nicht die Ehe.Ich zitiere aus einer Stellungnahme des Kirchenamtes der EKD zur Verbesserung des Rechtsschutzes für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften vom Jahr 2000. Dies ist auf der Homepage der EKD nachzulesen – Zitat –:
Weder die einzigartige Bedeutung von Ehe und Familie noch das christliche Leitbild für Ehe und Familie werden davon berührt,... dass es gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gibt und für sie gesonderte Regelungen existieren.
Das deckt sich im Übrigen mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Institution der Ehe durch die Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften nicht beeinträchtigt werde. Der Schutz des Staats, wie er im Grundgesetz für Ehe und Familie verankert ist, werde nicht dadurch geschmälert, dass der Schutz auch anderen Lebensformen zur Verfügung gestellt werde.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenn Sie künftig christliche Werte wieder stärker betonen wollen, sage ich Ihnen: nur zu. Dann müssen Sie sich aber auch ein bisschen von Ihrem Vorsitzenden emanzipieren. Lassen Sie nicht zu, dass der christliche Glaube auf einen evangelikalen Fundamentalismus reduziert wird. Denn das Christentum – –
Aus diesem Grunde haben wir den Titel unserer Aktuellen Stunde gewählt: „Das Christentum ist mehr als Christean Wagner: Gott sei Dank“.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Horst Klee (CDU): Das war geschmacklos! – Gegenruf von der SPD: Wie bitte?)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Jürgens, ich hoffe, dass Sie,solange Sie zurückdenken können,in jeder Phase Ihres Denkens und Handelns immer im Geiste der Bergpredigt gehandelt haben. Mit dieser Rede haben Sie das jedenfalls heute nicht getan.
Ich glaube,wir sollten es Ihnen auch nicht durchgehen lassen, dass Sie unter dem Mantel einer scheinbaren Toleranz sehr intolerant gegenüber Andersdenkenden sind.
Man könnte das humoristisch aufnehmen und fragen:Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn Christean Wagner Wilhelm heißen würde? Denn dann hätte dieser Spruch keine Gültigkeit gehabt. Ich will es aber ganz bewusst ernsthaft sehen.
Sie haben offensichtlich – ich komme noch auf andere Zitate – selbst ein großes Problem mit dem Christentum und dem Gottesbegriff, denn das ist eine Verhöhnung. Als gläubiger Christ fühle ich mich verhöhnt, wenn Sie sagen: „Das Christentum ist mehr als Christean Wagner: Gott sei Dank“. Sie sollten wirklich einmal Ihre Wortwahl überdenken.