Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass der Antrag, den die SPD-Fraktion hier vorgelegt hat – Arbeitsplätze sichern, Medienstandorte erhalten –, im Sinne der Wahrung der Tarifautonomie und im Sinne eines sinnvollen und, wie ich finde, auch kraftvollen Appells an die Unternehmensleitung, der leider vom Hessischen Ministerpräsidenten nicht ausgegangen ist, ein guter und breit zustimmungsfähiger Antrag ist. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Keine Tarifflucht in hessischen Betrieben“, hat die LINKE diese Aktuelle Stunde betitelt. Dahinter könnten wir uns vermutlich sogar fast alle versammeln.Allerdings sollten wir gerade im Interesse aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufpassen, hier nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.Tarifflucht in der Bundesrepublik Deutschland trägt vor allem einen Namen – er ist bereits gefallen –: Anton Schlecker.
Schlecker bezahlt schlecht. Schlecker unterdrückt sein Personal. Das Ehepaar Schlecker wurde sogar verurteilt, weil es Hunderten Verkäuferinnen die Zahlung von Tariflohn vorgegaukelt hat, ihn aber de facto nie zahlte. Das ist Anton Schlecker, wie er leibt und lebt. Meine Damen und Herren, ich hoffe doch sehr, wir sind uns einig, dass ein solches Geschäftsgebaren in unserer sozialen Marktwirtschaft keinen Platz hat.
Möglicherweise sehen das auch immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher so,denn Schlecker ist auf dem absteigenden Ast. Aktuelle Marktforschungsergebnisse belegen, das bekannt miese Image führt dazu, dass dort keiner mehr einkaufen will. Kundinnen und Kunden gehen nämlich lieber zur Konkurrenz, von der sie z. B. wissen,
Diese Reaktion ist auch Ergebnis konsequenter Verbraucheraufklärung und Mündigkeit. Wir begrüßen das ausdrücklich.
Wie aber reagiert Schlecker auf diesen Marktdruck? – Statt die erfolgreichen Konzepte der Konkurrenz zu übernehmen, schließt er bestehende Filialen gerade auch in Hessen und entlässt das Personal, um wenige Meter entfernt einen neuen Laden zu eröffnen, in dem neues Personal zu schlechteren Bedingungen eingestellt wird. Das ist Tarifflucht pur. „Knüppeln, knausern, kontrollieren“ – genau so hat das „Manager-Magazin“,beileibe kein linkes Kampfblatt, 2003 einen Artikel über Schlecker betitelt, und daran hat sich nichts geändert.
Meine Damen und Herren, im Übrigen – um den Kampfbegriff einzuführen – wäre die Einführung eines Mindestlohnes ein ganz hervorragendes marktwirtschaftliches Instrument, um einem Schlecker das Handwerk zu legen. Das sei hier auch einmal gesagt.
Verehrter Herr Schaus, die Situation des Medienhauses Südhessen unterscheidet sich nun doch von einem Unbelehrbaren wie Schlecker. Das Medienhaus Südhessen will gemeinsam mit der Verlagsgruppe Rhein-Main ein neues modernes Druckhaus bauen, das technisch up to date ist und beiden Verlagen ermöglicht, auch zukünftig im Wettbewerb zu bestehen.
Solche Investitionen zu verurteilen – wie wir das in Ihrem Antrag finden –, ist in der jetzigen wirtschaftlichen Lage schlicht und einfach falsch.
Selbstverständlich muss für die Beschäftigten beider früherer Druckhäuser ein guter Übergang gefunden werden.
Selbstverständlich. – Nach den Aussagen der Betriebsräte geht es um 150 Beschäftigte in Mainz, für die inzwischen eine Transfergesellschaft und ein Sozialplan beschlossen wurden.
Wir wünschen uns – und das wäre vollkommen richtig –, dass für alle Beschäftigten des zukünftigen Druckzentrums Rhein-Main Tariflöhne gezahlt werden. Jawohl, das wünschen wir uns, das wollen wir.
Aber es ist doch – gerade im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nicht zweckdienlich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Zwischen einem Ausbeuter wie Schlecker und den Druckhäusern besteht doch ein deutlicher Unterschied, wenn selbst der Betriebsratsvorsitzende des Medienhauses Südhessen sagt, von Dumping
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der LINKEN, wir können für die Beschäftigten keinen Mehrwert darin erkennen, wenn jede Tarifverhandlung im Lande mit einer Debatte im Hessischen Landtag begleitet wird.
Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Wir wissen sie bei Ihren früheren Kolleginnen und Kollegen – auch von Ihnen, Herr Schaus –, unter anderen auch bei ver.di, in guten Händen. Deshalb werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten und dem der SPD zustimmen, weil der im Kern die richtigen Nuancen setzt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich hat der Landtag das Recht, ja sehr wahrscheinlich sogar die Aufgabe, viele wichtige, eigentlich alle wichtigen politischen Fragen, die dieses Land betreffen, zu diskutieren.
Deswegen ist es sicherlich berechtigt, auch über solche Fragen, über die wir heute in dieser Aktuellen Stunde reden, zu sprechen. Ich glaube, Fragen der Tariftreue, der Koalitionsfreiheit – darum geht es auf der anderen Seite auch – sind Grundelemente der sozialen Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft wiederum ist Voraussetzung für Freiheit. Deswegen müssen wir bei jeder Diskussion, in der es um diese Grundelemente unserer Marktwirtschaft geht, mit hoher Sensibilität reden.Wir müssen darauf achten, dass wir als Landtag dabei nicht unsere Kompetenzen überschreiten.
Ich glaube, der Versuch, den die LINKEN hier mit diesem Antrag unternehmen, ist in seiner Ausrichtung freiheitsgefährdend.
Wer in dieser Weise in Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern eingreifen will, wer mit Urteilen und Verurteilen bei der Hand ist, der nimmt in freiheitsgefährdenden Weise Einfluss auf unsere Wirtschaftsordnung.
Da ist der Akzent, den die SPD gewählt hat, schon differenzierter. Da werden keine abschließenden Entscheidungen gefordert, darin sind keine Verurteilungen. Ich sage auch: Ich teile die Intention, die in diesem Antrag zum Ausdruck kommt.
Trotzdem bin ich dagegen, dass sich der Landtag mit Beschlüssen in einer Gesamtdiskussion festlegt, die nicht in diesen Landtag als Entscheidungsstruktur gehört. Wir sollten diese sensible Situation der Tarifautonomie wah
ren und wissen, dass es in der Druckindustrie gewaltige Umbrüche gibt, existenzielle Gefährdungen. Die Gewerkschaften sind genauso wie die Arbeitgeber in beachtlicher Weise aufgefordert, mehr Elastizitäten in die Tarifverträge hineinzubringen – sonst wird das noch ein ganz schreckliches Ende finden.
Es gibt dort so viel an neuen Effizienzen, Rationalisierungen und Herausforderungen. Ich brauche mir nur die in diesem Saal aufgestellten Laptops anzusehen. Nicht, dass Sie alle damit diesen Tarifkonflikt befeuern, aber irgendwo hat er damit zu tun.
Herr Kollege, Sie dürfen ruhig weiter arbeiten, ich wollte Sie jetzt nicht beunruhigen. – Aber das findet zur gleichen Zeit statt. An dieser Stelle mit Beschlüssen hineinzugehen und zu sagen, wir stehen da für diese Position, das halte ich für nicht der Sache dienlich.
Ich hoffe, der Tarifkonflikt kommt zu einem guten Ende. Ich glaube nicht, dass der Landtag richtig beraten ist, dazu Beschlüsse zu fassen.
Vielen Dank, Herr Minister Banzer. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung über die beiden Anträge.
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Übernahme der Beschäftigten zu tariflichen Bedingungen in das neue Druckzentrum in Rüsselsheim, Drucks. 18/1199. Wer stimmt zu? – Das ist DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 70, Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 18/1203. Wer stimmt zu? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE. Dagegen? – CDU und FDP. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.