Protokoll der Sitzung vom 17.11.2009

Klar ist aber auch, dass wir nicht damit rechnen konnten – Herr Kollege Spies, da teile ich Ihre Auffassung nicht –, dass es beim Saatvirus, der den Impfstoff produzieren sollte, zu technischen Schwierigkeiten kommen würde. Das war von vornherein nicht abzusehen, aber ist jetzt ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Kollege Dr. Spies, da spreche ich Sie auch als Arzt an. Da wäre ich für Hinweise und Vorschläge dankbar gewesen, wie wir denn mit einer solchen Situation umzugehen haben. Wir müssen doch ein gemeinsames Interesse an der Position haben, dass wir mit der Aufklärung über die Schweinegrippe richtig umgehen, dass der Landtag seine aufklärende Funktion richtig annimmt,aber auch gemeinsam dafür sorgen, dass es vor Ort richtig abläuft. Ich

würde mich freuen, wenn Sie ein bisschen konstruktiv zu dieser Debatte beitragen würden. Das würde allen Menschen in unserem Bundesland helfen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Land hat aus meiner Sicht sehr viel unternommen, um optimal gewappnet zu sein. Das war auch nicht unumstritten. Wer sich an die Diskussion im Sommer zurückerinnert, ob es überhaupt richtig ist, so viel Impfstoff zu bestellen, ob man da nicht falsch liegt, ob wir nicht zu viel Geld ausgeben,der kann sich doch jetzt bestätigt fühlen,dass die Vorsorgeplanung, die das Ministerium gemacht hat und die dort Mitarbeiter machen, die eine langjährige Erfahrung haben, richtig war.

Meine Damen und Herren, ein zweiter Punkt, wo ich glaube, dass wir einen anderen Weg einschlagen müssen, ist die Frage, wie wir vor Ort impfen. Ich will das hier explizit sagen: Ich halte es für falsch, dass die Betriebsärzte bis jetzt nicht in die Impfung eingebunden sind. Ich halte das deshalb für falsch, weil die Betriebsärzte die Möglichkeit haben, große Menschenmassen zu impfen. Das ist ein richtiger Schritt. In Betrieben sind viele Menschen nun einmal da. Da hat man kein Problem, zehn Leute für einen Impfgang zu finden.Deshalb wäre es aus meiner Sicht jetzt schon richtig, das Thema Betriebsärzte vorzuziehen und nicht zu warten, bis es weiterläuft.Wir sollten jetzt alles tun, damit die Menschen in Hessen optimal versorgt sind.

(Beifall bei der FDP)

Der „Impfgipfel“ in Berlin, der eine koordinierende Funktion hatte, war ein richtiger Schritt von Gesundheitsminister Rösler: die Länder abzufragen und zu versuchen, bei dem, was der Bund machen kann, Probleme zu eruieren und diese zu lösen. Da hat der Bund nur eine beratende Funktion.Trotzdem war es richtig,hier die Initiative zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, es ist ganz wichtig, dass die Bundesländer hier in einem Konzert handeln, dass es nicht Unterschiede zwischen den Bundesländern in der Frage gibt, wie geimpft werden kann, dass es gerade in dieser Frage keine Schlechterstellung von anderen Bundesländern gibt. Ich bin dankbar, dass das Bundesland Hessen hier mit gutem Beispiel vorangegangen ist und sich konstruktiv einbindet. So muss es sein, so muss sich ein Bundesland auch verhalten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen. Das, was in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, es gäbe eine Besserbehandlung von Politikern, muss von diesem Pult aus dringend zurückgewiesen werden. Keiner von uns, der hier sitzt, hat sich in irgendeiner Form anders behandeln lassen. Jeder von uns geht, wenn er sich impfen lassen will, den normalen Weg wie jeder Bürger in unserem Land. Er geht zum Arzt und lässt sich einen Termin geben.Nichts anderes passiert hier.

(Dr.Thomas Spies (SPD):Außer,er hat eine Eiweißallergie!)

Kollege Spies, ich halte es für dringend erforderlich, dass wir zeigen:Wir haben in keiner Weise eine Besserstellung verdient oder benötigen sie. Wir sind Bürgerinnen und Bürger wie jeder in diesem Land, und wir stehen auch dazu. Eine Besserbehandlung gibt es nicht und wird es auch nicht geben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweiter Punkt. Ich kann nur allen Kolleginnen und Kollegen den Rat geben, dass wir versuchen, das, was wir in der Praxis erfahren, an das Gesundheitsministerium zu melden. Denn es gibt teilweise auch in Hessen sehr unterschiedliche Situationen. Frau Fuhrmann hat auf ein Problem hingewiesen, das ich aus meiner Bekanntschaft kenne, nämlich die Frage der Unverträglichkeit des Impfstoffes. Das ist ein Punkt, mit dem man umgehen muss; denn darunter sind auch Menschen in Risikogruppen, denen man helfen muss. Die fühlen sich besonders vernachlässigt. Vielleicht kann Herr Banzer noch etwas dazu sagen. Das halte ich für ein wichtiges Thema, wo wir als öffentliche Hand eine Antwort geben müssen.

Meine Damen und Herren, ein allerletzter Punkt. Das Profanste, wie man sich gegen diese Schweinegrippe schützen kann,ist,wie man sich vor jeder Grippe schützen kann. Das fängt bei normalen Hygienemaßnahmen an, dass man sich z. B. zurzeit nicht die Hand gibt. Das hat nichts mit Unhöflichkeit zu tun, sondern damit, sich die Hände richtig zu waschen, sich zu desinfizieren und zu versuchen, große Menschenmengen zu meiden. Das ist in der Woche einer Landtagssitzung besonders schwierig. Nichtsdestotrotz versuchen Sie es einmal mit einfachen Maßnahmen. Ich habe z. B. in meiner Fraktion heute nur ganz selten die Hand gegeben – nicht aus Unhöflichkeit, sondern weil ich nicht unbedingt möchte,dass dieser Virus weiterverbreitet wird. Das sollte jeder so machen. Es gibt Fraktionen, die sich sowieso nicht mehr die Hand geben. Das hat damit nichts zu tun. Hier geht es um die Frage, dass es aus gesundheitlichen Gründen angebracht ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir diese Maßnahmen beherzigen und diese Grippe mit sehr viel Ruhe angegangen wird, werden wir es auch schaffen, diese Pandemie richtig zu beherrschen. Wir alle gemeinsam sollten vermeiden, dass eine Panik in diesem Land ausbricht, die in keiner Weise gerechtfertigt wäre. Es ist unser Job auch als Landtagsabgeordnete, die Menschen zu informieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Es gibt jetzt zwei Kurzinterventionen. Zuerst Frau Kollegin Sorge, bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, Sie haben das erste Drittel Ihrer Rede dazu genutzt, zu etwas ganz anderem Stellung zu beziehen, nämlich zu den protestierenden Studierenden und Schülerinnen und Schülern draußen. Sie haben mir aber nicht die Gelegenheit gegeben,darauf einzugehen.Deswegen muss ich es jetzt in Form einer Kurzintervention machen, auch wenn ich weiß, dass es eigentlich „Thema verfehlt“ ist. Aber Sie haben damit angefangen.

Sie haben es hier so dargestellt, als würden wir als Opposition den Bruch der Bannmeile begrüßen, gutheißen, tolerieren, was auch immer. Herr Kollege Rentsch, das ist wirklich eine Unverschämtheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich möchte gerne von Ihnen wissen, worauf das fußt. Selbstverständlich, das sei hier auch gesagt, unterstützen wir GRÜNE, aber auch SPD und LINKE, einen Großteil der Ziele der Studierenden und der Schülerinnen und Schüler draußen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Aber dass Sie hier eine Rede zu einem vollkommen anderen Tagesordnungspunkt missbrauchen, um uns in die Ecke zu schieben, wir würden den Bruch der Bannmeile tolerieren oder gar begrüßen, und dann mir als Zwischenfragerin, wo Sie gerade auf das Rederecht des Parlaments abgehoben haben, noch nicht einmal die Möglichkeit geben, dazu eine Zwischenfrage zu stellen, das fand ich einen nicht besonders schönen Stil, Herr Kollege Rentsch. Deshalb wollte ich es hier noch einmal klarstellen.– Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Wollen Sie direkt dazu Stellung nehmen, und dann Herr Dr. Spies?

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, normalerweise wird gesammelt und dann geantwortet. Aber ich gehe davon aus, es sind zwei unterschiedliche Themen.

(Zurufe von der SPD: Nein! – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Ganz sicher nicht!)

Nein, es sind nicht zwei unterschiedliche Themen. – Dann bitte ich Sie, Herr Kollege Rentsch, dass wir Herrn Dr. Spies noch dazunehmen. Dann können Sie auf beide antworten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Es gibt Sachen, die lassen wir nicht durchgehen!)

Herr Kollege Rentsch, auch ich habe mich auf Ihre Bemerkung zur Bannmeile gemeldet. Ich erlaube mir, Folgendes klarzustellen:

Erstens. Selbstverständlich ist für Sozialdemokraten – ich vermute, das gilt für GRÜNE und LINKE ganz genauso – das Bannmeilengesetz ein geltendes, zu respektierendes Recht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens.Als bekannt wurde, dass dieser Zustand auf der Straße eingetreten ist, sind drei Sozialdemokraten hinuntergegangen,nämlich Frau Faeser,Herr Grumbach und Herr Siebel, und haben unten dafür gesorgt, dass die ganze Geschichte sich beruhigt und friedlich abläuft.Herr Rentsch, das ist der angemessene Umgang mit einem solchen Vorgang.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Herr Kollege Rentsch, die ganze Angelegenheit hat sich nicht zuletzt dadurch inzwischen entspannt und

legitimiert, dass, während Sie hier oben die Bannmeilenverletzung geißeln,der Abg.Reißer,CDU,der Abg.Blum, FDP, und der Abg. Siebel, SPD, unten mit diesen Studierenden diskutieren. Ganz offenkundig geht von denen keine Gefährdung des Landtags aus. Ich bin sicher, Sie möchten diese Fehleinschätzung korrigieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir einen letzten Punkt, den ich nur am Rande erwähne, weil Sie mich im Verlauf Ihrer Rede persönlich aufgefordert haben, zu medizinischen Fragen hier Stellung zu nehmen. Ich tue das ausdrücklich nicht.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Kostenfrage!)

Ich würde es begrüßen, wenn der neue Bundesoberarzt Dr. Rösler sich auch auf das beschränken würde, was die Aufgabe des Ministers ist, nämlich sich mit den grundsätzlichen, den politischen, den verwaltungsmäßigen Dimensionen zu beschäftigen, und darauf verzichtete, medizinische Ratschläge zu geben.Dafür gibt es Leute,z.B.am Robert Koch-Institut, die das besser können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, bitte.

Frau Kollegin und Herr Kollege, verehrter Herr Präsident! Ich darf mich bedanken.Wie viel Redezeit habe ich jetzt? Bei zwei ist es verlängert, ich glaube, auf drei Minuten. Zwei Minuten sind es nicht, sonst müsste man ja einzeln antworten.

Zunächst ist es doch ein sehr positiver Umstand, dass wir alle die Meinung haben – von den LINKEN habe ich zu dem Thema nichts gehört –, dass es sehr wichtig ist, und deshalb bedanke ich mich für Ihre Äußerung, dass die Frage der Bannmeile, der Schutzzone der Sitzorte der Parlamente, von allen hier so uneingeschränkt befürwortet wird. Ich habe mich vorhin, als ich das sagte, gewundert, weil es auf Ihrer Seite ein relativ langes Schweigen gab.Aber das ist jetzt klargestellt, vielen Dank dafür.Wir haben da ein gemeinsames Interesse.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie jetzt um eines bitten:Die künstliche Aufregung schlägt sich irgendwann auf die Lebenszeit nieder. Das heißt, die Lebenserwartung sinkt.Versuchen Sie es doch einfach einmal auf eine etwas gesündere Weise, statt sich immer künstlich aufzuregen. Sie haben jetzt Ihre Position dargestellt; dafür bin ich dankbar. Aber alles andere kann man doch etwas entspannter sehen. Man braucht sich nicht immer gleich künstlich aufzuplustern, wenn man da unten sitzt.

Ich will Ihnen sagen, dass ich ein Stück weit ein gebranntes Kind der Entwicklung in den letzten Monaten bin, wenn es um das Thema geht.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)