Protokoll der Sitzung vom 17.11.2009

Lassen Sie mich aber auch anmerken, dass es natürlich wichtig ist, die Transparenz der Entscheidung des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts – bei der Ständigen Impfkommission muss das sowieso gegeben sein – erkennen zu können. Solche Entscheidungen müssen auch kritisch begleitet werden. Zum Beispiel müssen die Mitglieder der Ständigen Impfkommission ständig mitteilen, welche Interessenkollisionen vorliegen könnten.Das muss veröffentlicht werden.Sicherlich kann es da aber noch mehr Transparenz geben.Ich finde es auch richtig, dass da mehr Transparenz eingefordert wird.

Wir haben die kritische Begleitung solcher Organisationen z. B. durch das „arznei-telegramm“ und die Sendung „Frontal21“ aus der letzten Woche. Das alles ist richtig. Aber wir haben auch diese Empfehlung für eine Infektionskrankheit. Ich glaube, an diese sollte man sich weitestgehend halten.

Eines muss ich Ihnen ehrlich sagen. Ich habe während meiner Tätigkeit im HIV-Aids-Bereich gute Erfahrungen mit beiden Institutionen gemacht. – Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich dem Robert Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut bei Weitem mehr glaube als dem Inhalt der Massen-E-Mails, Twitter-Meldungen und sonstigen selbst ernannten Experten. Ich finde, wir alle sollten da einheitlich auftreten und solche E-Mails nicht weiterverbreiten.

Das möchte ich noch einmal extra betonen: Gestern hatten wir eine E-Mail, in der die Sorge verbreitet wurde, dass das Adjuvans im Impfstoff von Pandemrix, das Squalen, zum Golfkriegssyndrom führen könnte. Wer sich auf

die Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts begibt,findet dort schon die Antwort. Gerade Squalen-Antikörper sind bei einem Großteil der Bevölkerung ohnehin schon aufgrund anderer Impfungen vorhanden. Es gibt gar keinen Beleg dafür, dass es tatsächlich einen Zusammenhang mit dem Golfkriegssyndrom gibt.

Ich habe keine einzige Information, aus der geschlussfolgert werden könnte, dass man dieser Mitteilung des PaulEhrlich-Institutes nicht glauben könnte. Wir alle sollten versuchen, ungeprüfte Informationen möglichst nicht weiterzuverbreiten.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen. Ich hatte gesagt: Wir müssen aus dem bisherigen Umgang mit der Schweinegrippe lernen.

Die Impfungen werden bei uns aufgrund einer Vereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem Ministerium durchgeführt. Dadurch sind im Prinzip für alle gesetzlich Versicherten die Impfkosten abgedeckt.Wenn wir sagen: „Eine Impfung ist im öffentlichen Interesse“, dann dürfen wir das nächste Mal nicht erst im Verfahren bemerken, dass es auch Privatpatienten gibt. Zumindest dem Herrn Rentsch hätte auffallen müssen, dass der gesamte Bereich der gesetzlich Versicherten abgedeckt ist, dass aber in diesem Fall die von ihm so geliebten privat Krankenversicherten überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Wenn wir tatsächlich das Interesse haben, dass es zu öffentlich gesteuerten Impfungen kommt,dann hätten wir früher daran denken müssen, dass natürlich auch die Privatpatienten hätten einbezogen werden müssen.

Herr Kollege Rentsch, Sie haben vorgeschlagen, die Betriebsärzte sollen impfen. „Warum denn nicht?“, kann ich da nur sagen.

Ich habe das schon vorgelesen:Die meisten Mitarbeiter in den Unternehmen – ausgenommen diejenigen,die mit Patienten zusammenarbeiten – gehören überhaupt nicht in die prioritären Gruppen. Deswegen finde ich es auch falsch,wieder die Argumentation zu benutzen,man könne da ganz schnell impfen. Ich finde, wir sollten uns im Moment tatsächlich auf die prioritären Gruppen konzentrieren, und zwar so lange, bis der Impfstoff in ausreichendem Maße vorhanden ist. Ich glaube, wir täten damit allen einen Gefallen.Wir würden damit keine zusätzliche Verunsicherung schaffen.Vielmehr wäre das tatsächlich ein vernünftiger Umgang, der zeigen würde, dass wir aus den bisherigen Erfahrungen gelernt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Es gibt auch eine Strategie des Landes. Herr Minister Banzer ist darauf und auf den Pandemieplan ausführlich eingegangen. Ich glaube, man muss dann auch noch einmal genau auswerten, inwieweit die Empfehlungen stringent umgesetzt wurden. Das gilt insbesondere auch deswegen, weil, wie sich in diesem Fall herausstellt, nicht genügend Impfstoff zur Verfügung steht.

Ich möchte aber an dieser Stelle das bisherige Vorgehen noch einmal ausdrücklich loben. Bisher wurde der Pandemieplan – zumindest von Ministeriumsseite – weitgehend eingehalten. Der Minister hat mehrfach an die Haus- und Kinderärzte appelliert, zu impfen. Er hat an die Bevölkerung appelliert, sich impfen zu lassen. Er hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es Gruppen gibt, die vorrangig zu impfen sind. Das betrifft das Gesundheitspersonal,die Polizei,die Feuerwehr und die chronisch Kranken.

Umso erstaunlicher ist der Brief der Kultusministerin Henzler vom 5. November 2009, der an alle Lehrkräfte und nachgeordneten Behörden gerichtet ist. Offensichtlich nicht in Absprache mit dem Gesundheitsministerium wurden in diesem Brief Lehrern kostenlose Impfungen bei den Gesundheitsämtern angeboten.

Dieser aktionistische Plan von Frau Henzler platzte mitten in die Impfaktionen der Feuerwehren in den Landkreisen hinein. Die Gesundheitsämter wussten von nichts. Das Personal in den Kindertagesstätten fragte sich zu Recht: Warum die Lehrer und nicht wir? – Ausreichende Impfstoffe für eine so große Aktion waren zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht vorhanden. Ich möchte an der Stelle als Kritik hinzufügen: Ich hätte hier zumindest eine nachträgliche Erläuterung dieses Vorgangs in der Regierungserklärung erwartet.Auch das gehört dazu, wenn man sagt, man will aus Fehlern lernen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es geht im Moment sicher nicht darum, an Kleinigkeiten herumzumeckern. Aber die Abstimmung der Ressorts untereinander ist ein ganz wesentlicher Punkt einer vernünftigen Pandemieplanung. Hier haben wir ein Zeichen, dass offensichtlich das in dem Fall zumindest nicht funktioniert hat.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Vielleicht sagen Sie dazu noch einmal etwas. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Sie vielleicht noch einmal spontan auf diese Problematik eingehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich abschließend ganz herzlich bei den hessischen Gesundheitsämtern bedanken, die, soweit ich das überblicke, sehr besonnen und tatkräftig auf die Epidemie reagiert haben und reagieren, und allen anderen Beteiligten, die in der letzten Zeit versucht haben, der Panik entgegenzuwirken, damit vernünftig umzugehen, vernünftig zu informieren.

Die Stadt Frankfurt hat in der letzten Woche ihren eigenen Pandemieplan aktiviert und empfiehlt erstens, dass man in Betrieben direkte Kontakte mit Mitarbeitern möglichst reduzieren sollte, soweit das geht. Kranke sollten auf jeden Fall zu Hause bleiben. Der Frankfurter Pandemieplan sieht auch vor und empfiehlt Bürgerinnen und Bürgern, sich häufig und gründlich die Hände zu waschen – das ist bereits gesagt worden –, Abstand zu offensichtlich erkälteten Personen zu halten und sich einen Impftermin bei einem Hausarzt zu besorgen.

Meine Damen und Herren, diesen Empfehlungen werde ich folgen und mich impfen lassen, wenn alle prioritären Gruppen geimpft sind und ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Als Nächste darf ich Frau Schott für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

(Heiterkeit)

für die Fraktion DIE LINKE ans Mikrofon bitten.

Herr Vorsitzender, Herr Minister Banzer, meine Damen und Herren! Auch ich habe keine von all diesen wild in der Gegend herumschwirrenden E-Mails, die ich massenweise bekommen habe, weitergeschickt.Trotzdem bin ich ein bisschen erstaunt, wie heute hier mit all den Dingen, die da öffentlich auf der Straße, in den Kaffees, im Netz diskutiert werden, umgegangen worden ist. Es ist für mich so eine Art Nichtumgang. Das finde ich schon mindestens merkwürdig.

Das spiegelt sich auch in der Rede des Ministers wider.Sie ist geprägt von Auslassungen. Sie sagt z. B. nichts darüber, warum die WHO in diesem Jahr die Kriterien für Pandemie geändert hat und das Kriterium enorm hohe Zahlen von Toten und Kranken nicht mehr auftaucht. Nach diesem Kriterium würde es sich bei der angeblich neuen Grippewelle nicht um eine Pandemie handeln. Ohne Pandemie gäbe es aber keine flächendeckende Impfung.

Sie sagt nichts über Wirkstoffverstärker und deren Nebenwirkungen. Ja, es ist nicht eindeutig nachgewiesen, dass die Erkrankungen von diesen Wirkstoffverstärkern kommen.Auch das Gegenteil ist nicht eindeutig belegt.Es ist nach wie vor sehr umstritten.

Auch wenn das Paul-Ehrlich-Institut jetzt in so einer Klarheit sagt, dass das alles nicht stimmt, gibt es trotzdem die Diskussion in der Bevölkerung, warum der eine Teil mit Impfstoff mit Verstärkern geimpft werden soll und der andere ohne und warum dann in den USA nur Impfstoffe ohne Verstärker verwendet werden.

Wenn Dr. Montgomery als Vizepräsident der Bundesärztekammer dazu sagt, problematisch sei darüber hinaus das mangelnde Wissen über die Sicherheit des Impfstoffes,man wisse nichts über langfristige Schäden,die erst bei einer Massenimpfung ins Gewicht fallen würden, dann ist das ganz sicher keine Panikmache, aber auch nicht Meinung eines Ahnungslosen.

Herr Minister,ich frage Sie:Ist es wahr – auch das wird öffentlich diskutiert –, dass der Impfstoff durch die Wirkstoffverstärker erheblich verteuert wird?

Sie haben auch nichts über Quecksilber im Impfstoff gesagt. Das Quecksilber soll angeblich die Haltbarkeit des Impfstoffes erhöhen. Bezeichnenderweise kommen aber alle amerikanischen Impfstoffe ohne Quecksilber aus. Ich kann mir hier ersparen, über die Gesundheitsrisiken von Quecksilber zu sprechen.

Sie sagen auch nichts über den Vertrag, den die Landesregierung mit der Firma Glaxo hat. Herr Minister, ist es zutreffend, dass in diesem Vertrag die Firma von Regressansprüchen befreit wird? Sind Sie bereit, den Vertrag offenzulegen?

Sie sprechen davon, dass nach Schätzungen die aktuelle Epidemie bis zu 80.000 Todesfälle haben könnte.Sie sagen uns nicht, wer geschätzt hat, und auch nicht, dass diese Zahl mit nichts belegt ist. Aktuell kann davon ausgegangen werden, dass die Mortalität bei dieser neuen Grippe deutlich geringer als bei den üblichen saisonal bedingten Grippewellen ist.

In Australien gab es laut „Tagesspiegel“ vom 01.11. während der vergangenen Wintersaison 118 Opfer der Schweinegrippe, während mit mehr als 1.000 Todesfällen aufgrund der saisonalen Grippewelle gerechnet wird. Ich will gar nicht über all die anderen Diskussionen reden, dass sogar die klassische Grippe verdrängt wird.

Herr Banzer, Sie sagen uns, die Ständige Impfkommission habe die Impfung empfohlen. Auf der Seite des Robert Koch-Instituts ist nachzulesen:

Die Ständige Impfkommission beim Robert KochInstitut gibt gemäß § 20... des Infektionsschutzgesetzes Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten beim Menschen...Aufgrund der Bedeutung ihrer Impfempfehlungen wurde sie im Jahre 2001 mit dem Infektionsschutzgesetz... gesetzlich verankert.

Ich möchte gerne die Zusammenhänge zwischen unabhängiger Information, unabhängiger Forschung, politischer Entscheidung und Lobbyarbeit deutlich machen. Ich habe mir die Mühe gemacht,auf der Website der Ständigen Impfkommission nachzusehen, was die Mitglieder der Kommission unter der Selbstauskunft für Angaben machen. Dort liest sich das wie das „Who is Who“ der Pharmaindustrie.

Wenn Mitglieder einer unabhängigen Kommission mehrheitlich an Forschungsprojekten arbeiten, die durch Pharmakonzerne finanziert werden, ihre Bücher mit Mitteln von Pharmakonzernen veröffentlicht werden, ihre Vorträge von Pharmakonzernen bezahlt werden, Zulassungsstudien für Pharmakonzerne betreiben,sich Fortbildungsveranstaltungen von Pharmakonzernen bezahlen lassen und dann auch noch als Gutachter tätig sind, stellen sich nicht nur bei mir Zweifel ein, wie es mit der Unabhängig bestellt ist.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die beiden Impfstoffe gegen die Schweinegrippe haben vom Ausschuss für Humanmedizin bei der europäischen Arzneimittelagentur EMEA eine Positivzulassungsempfehlung erhalten. Das war die Voraussetzung für ihre Zulassung. Nach meinem Kenntnisstand wird auch die EMEA mit erheblichen Mitteln aus der Pharmaindustrie ausgestattet.

Frau Schott, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Schulz-Asche?

(Marjana Schott (DIE LINKE): Ja!)

Frau Schott, sind Ihnen konkrete Belege dafür bekannt, dass Mitglieder der Ständigen Impfkommission die Entscheidung zum Teil aufgrund der – wie gesagt – bekannten Finanzierung aus der Pharmaindustrie getroffen haben? Darunter sind auch angesehene Hochschulwissenschafter in öffentlichen Einrichtungen. Sind Ihnen da z. B. konkrete Korruptionsvorwürfe oder Beeinflussungen bekannt?

Wenn Konkretes vorliegen würde, würde ich hier sicherlich nicht in dieser Weise sprechen. Dann wäre anderes Handeln erforderlich.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich habe auch nur darauf hingewiesen, dass es nicht abwegig ist. Wir haben immer wieder die Diskussion. Besonders die grüne Fraktion fordert immer wieder die Offenlegung aller Einkünfte aller Abgeordneten ein, um genau sehen zu können, wo Abhängigkeitsverhältnisse bestehen.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nach dieser Liste ist doch wohl nicht mehr infrage zu stellen, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten bestehen.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))