Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Energiewende schaffen wir auch und gerade für die ländlichen Räume neue Möglichkeiten. Warum verlassen Menschen die ländlichen Räume? Weil schlechtere Perspektiven für Arbeit, Einkommen und Sicherheit existieren. Mit der Energiewende entsteht gerade hier neue Wertschöpfung, neue Chancen, Arbeit und Einkommen zu sichern.

Georg August Zinn hat von einer sozialen Aufrüstung der Dörfer gesprochen und hat mit dem Hessenplan neue Chancen für den ländlichen Raum geschaffen. Die soziale Aufrüstung des Dorfes war erfolgreich. Diese soziale Aufrüstung muss neu belebt werden. Dazu braucht es heute eine wirtschaftliche Aufrüstung des Dorfes, die nachhaltig ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energiewende ist ebenso wie die Breitbandversorgung die elementare Voraussetzung dafür, dass das funktioniert.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Antwort – ich nenne einmal den Vogelsbergkreis als Beispiel: 180 Ortsteile, 120 davon mit weniger als 500 Einwohnern –:Aussetzen der einfachen Stadterneuerung.

Ich sage Ihnen, ich will weder für Waldeck-Frankenberg noch für Werra-Meißner, noch für den Vogelsberg, noch für den Odenwald chinesische Lösungen sehen. Ich will, dass die Menschen auch im ländlichen Raum, unter schwierigeren Bedingungen, eine Chance haben. Aber dazu liefern Sie überhaupt keine Antworten.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist doch nicht wahr!)

Sie wollen in Zeiten wie diesen um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Zumindest haben Sie das gesagt. Sie kämpfen bestenfalls um Ihren eigenen, aber ein Plan, eine Idee, wie Sie die Breite des Landes entwickeln, davon ist weit und breit nichts in Sicht. Deswegen leisten Sie mit diesem Haushalt erneut einen Offenbarungseid.

Leben und Arbeit. Wie wir zukünftig leben und arbeiten wollen, diese Frage ist auch auf das Engste mit der Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden verbunden. Das habe ich am Beispiel der erneuerbaren Energien und ihrer Zukunftschancen ausgeführt. Das ist aber nur ein Teil. Man kann nicht in Sonntagsreden über den Gesundheitszustand, die Zunahme von Fettleibigkeit oder den Umstand, dass immer weniger Kinder schwimmen können, reden und gleichzeitig zusehen, wie entweder Schwimmbäder und andere Sporteinrichtungen zugemacht werden oder die Familien sich den Eintritt nicht mehr leisten können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Mick, für ein Kind ist ein Schwimmbad in der Nähe wichtiger als ein Nintendo als Geschenk. Für ein Kind ist es auch wichtiger,dass es in der Nähe eine Ganztagsschule besuchen kann, wo es Mittagessen bekommt, als die Erhöhung von Kinderfreibeträgen – in aller Klarheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Erhard Eppler hat am Wochenende gesagt:

Steuern zahlen wir für das, was wir privat gar nicht bezahlen können. Daher sind die Steuern nicht mehr und nicht weniger eine Last als die Rechnung, die wir an der Tankstelle bekommen. Das eine zahlen wir privat, und das andere zahlen wir nicht privat.Wir müssen da wirklich umdenken.Wir müssen aus den Köpfen kriegen, was uns die Marktradikalen in 20 Jahren eingebläut haben. Was hilft es, die Steuern zu senken, wenn den Kindern in der Schule der Gips von der Decke auf die Köpfe rieselt?

Weniger ist nichts. Die Städte und Gemeinden stehen mit dem Rücken an der Wand – Herr Bouffier, da können Sie Ihre Kommunalaufsicht fragen – und sind an vielen Orten auch schon durch die Wand durch. Die geplanten Steuersenkungen, die Geschenke für Lobbyisten werden die Länder und Städte tragen.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Wer hat denn in der Vergangenheit die Steuergesetze gemacht?)

Das Geld fehlt an den Schulen, an den Kitas, an den Bibliotheken, für die Renovierung von Schulen.Wir sind gespannt, wie Sie sich angesichts dieser Situation im Bundesrat verhalten wollen.

Wie wir leben und arbeiten, entscheidet sich vor allem in den Städten und Gemeinden. Deshalb müssen sie handlungsfähig sein. Die Hinweise auf mehr Ehrenamtlichkeit sind da auch nichts wert. Die Landesregierung wird nicht müde, bei allen Veranstaltungen, wo ich im Moment bin – egal, ob es der Ministerpräsident oder Innenminister ist –, zu erzählen: Das muss jetzt über das Ehrenamt kommen. – Aber das mit der Ehrenamtlichkeit ist schwieriger geworden. Die Lebenswirklichkeit ist doch, dass einerseits Menschen mit immer mehr Arbeitsverdichtung und Leistungsdruck konfrontiert sind und auf der anderen Seite Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen und herausgedrängt sind.

Deswegen ist es richtig, dass die Integrationspolitik auch in diesem Hessischen Landtag wieder ins Zentrum rückt. Ich sage, wir brauchen eine Integrationsoffensive. Die FDP ist da zumindest guten Willens,aber andere Teile von Irmer bis Koch stehen wie immer auf der Bremse.Wessen geistiges Kind die Union im Kern immer noch ist, zeigt sich doch am deutlichsten am verzweifelten Festhalten an Frau Steinbach. Sie verstehen von Integration so viel wie ich vom Golfspielen. Ich weiß, wie man den Schläger hält und dass es anstrengend ist.

(Beifall bei der SPD)

Leben und Arbeit in den Städten heißt auch Wohnen. Wohnungspolitik und Stadtentwicklungspolitik finden nicht mehr statt. Ihr Programmsatz lautet:Wenn jeder für sich selbst sorgt, ist für alle gesorgt. – Egal, ob bei der Gesundheitspolitik oder der Kinderkrippenverhinderungsprämie, Sie machen nicht den gestaltenden Sozialstaat.

Ihre neoliberale Marktwirtschaft kommt gut ohne das aus.

Ich will Sie mit einem extremen Beispiel konfrontieren.

(Zuruf des Abg. Norbert Kartmann (CDU))

Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt vor, Herr Kartmann,dass der Deutsche Schäferhund am Tag eine Stunde an die frische Luft muss. Würde man dies auf die Menschen in Alten- und Pflegeheimen übertragen, dann bräche bei den heutigen Bedingungen das System sofort zusammen, weil niemand das leisten kann, weil es zu wenig Personal, zu wenig Finanzen, zu wenig Familie gibt. Deswegen wird die Magensonde gelegt. Statt dem Gang zur Toilette kommt die Großwindel, die über 4 l fasst.

Das ist nicht Ihre Schuld, das ist unsere gemeinsame Schuld. Aber wir müssen es angehen und dürfen davor nicht die Augen verschließen. Die Würde – der Pflegenden wie der zu Pflegenden – des Menschen wird damit ganz sicher nicht angemessen berücksichtigt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen brauchen wir eine handlungsfähige Partnerschaft aus Bürgerinnen und Bürgern, Menschen, die ehrenamtlich tätig sind, eine solidarische Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Sozialpartner in Wirtschaft und Gewerkschaften und der Politik, die diese Kräfte bündeln, unterstützen, fördern, damit wir zeigen, dass es sich in dieser Gesellschaft zu leben lohnt. So viel Patriotismus sollten wir uns gönnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von Wespen und anderen Tieren. Nun gelten Tiervergleiche als nicht besonders vornehm. Aber ich lasse Ihnen eine Tigerentenkoalition nicht mehr durchgehen,

(Florian Rentsch (FDP): Die Vergleiche scheitern auch meistens!)

obwohl es durchaus treffende Bezüge gibt, Herr Rentsch. Die Tigerente hat zwar Räder, aber keinen eigenen Antrieb.Sie muss gezogen oder geschoben werden – ganz wie diese antriebsarme Koalition. Trotzdem ist dieses Bild allzu beschaulich, weil Sie nicht das Opfer von irgendjemandem sind, sondern Sie sind selbst diejenigen, die das gestalten. Deswegen ist das mit der Tigerentenkoalition nicht mehr in Ordnung.

Die gemeine Wespe baut ihr Nest hingegen auf morschem und verfallendem Holz. Das liegt schon sehr viel näher an der Substanz Ihrer Koalition.

(Beifall bei der SPD – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Sehr bemühte Bilder!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihre Vorstellung von Politik versagt in alledem, weil Sie die Gestaltungsaufgaben verneinen. Deshalb sind Sie bestenfalls noch Insolvenzverwalter. Insolvenz ist eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit. Sie haben Hessen in die Insolvenz getrieben. Sie waren schon bei der „Operation düstere Zukunft“ nicht in der Lage und nicht willens, Ihrer sozialen Zahlungsverpflichtung und -verantwortung nachzukommen. Sie sind es bei der Bildung nicht, Sie sind es bei der Arbeit nicht, Sie sind es bei Energie nicht, Sie sind es bei den großen Zukunftsaufgaben nicht.

Verantwortung ist ein Fremdwort für Sie. Ihre Politik ist durchzogen von blindem Egoismus und Ellbogen.

(Florian Rentsch (FDP): Großer Gott!)

Da sind selbst viele Wirtschaftsverbände weiter als Sie, Herr Rentsch, da sie inzwischen über soziale Kompetenzen und eine bessere Schule nachdenken.

(Beifall bei der SPD)

Sie werden am Freitag Ihre Eröffnungsbilanz vorlegen. Nach vielen verfassungswidrigen Haushalten bin ich gespannt, welches Märchen Sie uns diesmal auftischen. Offenbarungseid eines Schuldenkönigs, der sich gerne zum Zaunkönig macht. Egal, ob Sie Ihre nächste Karrierestufe als Roland der Erste, hessischer Baron zu Münchhausen, oder als Roland Potemkin am Freitag starten, wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie die Grundrechenarten nicht beherrschen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Das können Sie nicht selbst gewesen sein, denn so schlecht sind Sie nicht!)

Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie die Zukunft dieses Landes bei Bildung, Arbeit und Energie verspielen. Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie links blinken und rechts abbiegen. Das Reden auf einer IG-Metall-Kundgebung macht Sie noch nicht zum Arbeiterführer.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, hier im Landtag zu jammern und in Berlin bestenfalls die Klappe zu halten. Begreifen Sie endlich, dass Sie in Berlin kein Mensch braucht und will. Machen Sie Ihren Job hier mit Einsatz, Leidenschaft und Engagement. Das haben Sie auf die Verfassung geschworen.

Den Insolvenzverwalter, Herrn Pfeil von der FDP, haben Sie als Treuhänder bei Opel rausgeschmissen. Ich sage: zu Recht.

Apropos Opel. Das muss am Ende doch noch gesagt werden.

Herr Schäfer-Gümbel, ein Hinweis: Die vorgegebene Redezeit haben Sie überschritten.

Ich bin auch nahezu durch. Aber Opel muss noch kurz sein.

(Zurufe von der CDU)

Das denke ich mir,Herr Koch.Es würde mich sehr überraschen, wenn das anders wäre.

Was ist bei Opel passiert? Herr Pfeil ist als Treuhänder eingesetzt worden und hat danach alles gemacht, um das, was Politik eigentlich wollte, nicht zu tun. Er hatte einen Sekundanten, das war der stellvertretende Ministerpräsident.

Herr Hahn, Ihr Verhalten in dieser Debatte erinnert mich sehr an – –