Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, dieser Entwicklung stellen Sie sich nicht entgegen. Sie befördern sie. Sie haben sie mit Ihren Sozialkürzungen im Zuge der „Operation sichere Zukunft“ befördert, als Sie unzähligen sozialen Projekten die Mittel gekürzt haben oder ihnen gar ganz den Garaus gemacht haben. Wie viele Projektträger standen vor der Aufgabe, zu entscheiden, ob sie jetzt ihre Angebote zulasten ihrer Klienten kürzen oder ob sie die Löhne zulasten ihrer Beschäftigten kürzen sollten, und das sind überwiegend Frauen gewesen, da im Sozialbereich nun einmal sehr viele Frauen arbeiten.
Sie haben das Gleiche mit dem Ausstieg aus dem TdL gemacht und in dem Zusammenhang mit der Arbeitszeitverlängerung eine Umverteilung von Arbeit auf weniger Schultern vorgenommen. Sie haben die Anzahl der Stellen reduziert und tun es weiter. Angebracht wäre und ist mehr denn je das Gegenteil – planmäßige, politisch gesteuerte und sozial verträglich gestaltete Arbeitszeitverkürzung, und zwar an erster Stelle dort, wo die Politik steuerungsfähig ist:
bei der öffentlich finanzierten und der zumindest öffentlich geförderten Beschäftigung.Aber auch hier kürzen Sie immer weiter. Den Folgen dieser Sparmaßnahmen werden wir im Sozialhaushalt wieder begegnen. Sie machen aus Erwerbstätigen erst Erwerbslose, dann Hartz-IVEmpfänger. Rechnen Sie doch bitte einmal nach, was Sie unter dem Strich mit solchen Maßnahmen volkswirtschaftlich sparen. Hier argumentiere ich doch vollständig in Ihrer Gewinn- und Verwertungslogik. Wenn es um Menschlichkeit ginge,hätten Sie unserem Antrag auf Aussetzung der Sanktionen bei Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern zustimmen müssen. Das wäre nicht mehr als ein kleiner Schritt gewesen, den Druck zu mildern, geringfügige oder untertariflich bezahlte Beschäftigung anzunehmen.
Auf der anderen Seite ist zwischen Juni 2008 und Juni 2009 die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen um 6,7 % gestiegen. Die weitere Gruppe von Menschen, die ganz hart betroffen sind, sind die über 55-Jährigen. Hier ist die Arbeitslosigkeit sogar um 18 % gestiegen.
Im Haushalt gab es genau ein Projekt, mit dem man sich um letztere Gruppe gekümmert hat. Jetzt stellen wir fest, dass es kein Folgeprojekt gibt. Es gibt keine richtige Begründung dafür, warum das so ist. Allerdings sagen Sie selbst, dass Ihr Projekt gescheitert ist. Es hat nicht funktioniert. Man muss aber auch anschauen, weshalb es nicht funktioniert hat.
Sie hatten sich einen Partner in der freien Wirtschaft gesucht, der diese Zielgruppe im Rahmen des Projekts in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln sollte. Der Partner, von dem Sie sagten, er hätte die notwendige Erfahrung dafür, hat jedoch gleich zu Anfang die Segel gestrichen, weil man Menschen mit Vermittlungshemmnissen nicht so einfach vermitteln kann. Nicht der einzelne Erwerbslose ist schuld an dieser Misere. Das zeigt das Projekt sehr deutlich; denn der überwiegende Teil der Teilnehmer hat die Maßnahme vollständig zu Ende gebracht. Außerdem waren die Schulen sehr zufrieden. Die Schulen und die Teilnehmer wollten eine Verstetigung des Projekts. Dafür war aber kein Geld mehr da.
Im Prinzip haben Sie mit diesem Projekt den Nachweis angetreten, dass die Rente mit 67 vollkommener Unsinn ist und nur der weiteren Verarmung dient.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wir haben knapp 100.000 Menschen, die derzeit in Hessen in Kurzarbeit sind. Ein erheblicher Teil dieser Menschen wird seine Arbeit sicherlich verlieren. Mit welchem Konzept wollen Sie dieser beispiellosen Entwicklung begegnen? Sie haben keines. Es gibt kein einziges Programm, mit dem das
Ganze auch nur ein bisschen aufgefangen werden könnte. Die Betroffenen werden schnurstracks mit allen Konsequenzen in die Arbeitslosigkeit marschieren.
Was wird passieren, wenn die Folgen der Krise auf die ohnehin schon finanzschwachen Kommunen treffen? Einige Kommunen haben jetzt schon angekündigt, dass sie dann ihre freiwilligen sozialen Leistungen einschränken oder ganz einstellen müssen. Das wird einen weiteren Arbeitsplatzabbau und weitere soziale Kälte zur Folge haben.
Projekte und Angebote für Jugendliche, Suchtkranke, bei den Frauenhäusern oder bei der Kinderbetreuung werden zurückgehen oder eingestellt werden. Die Angebote für Sozialberatung im Bereich Sport und Kultur werden ausgedünnt. Die Liste ließe sich bis in den späten Abend hinein fortsetzen. – Noch ist es der frühe, würde ich sagen.
Wir beraten gerade das Hessische Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Ich hätte erwartet, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine wirkliche Gleichstellung behinderter Menschen geschaffen werden. Gleichstellung gibt es nicht zum Nulltarif. Sie aber tun das, was Sie an ganz vielen Stellen tun. Sie schieben die Kosten auf die Kommunen ab. Wie diese dann damit klarkommen, ist deren Problem.
Für einen größeren Teil der Menschen wird Hessen weniger lebenswert sein. Es mag sein, dass, rein verkehrstechnisch gesehen,nicht alle Wege an Hessen vorbeiführen.Es führen aber auch viele Wege aus Hessen hinaus. Das gilt vor allem für die jetzt schon strukturschwachen Gebiete, in denen sich ein Bevölkerungsrückgang abzeichnet und die jungen Menschen immer weiter abwandern. Wo sind die Angebote und das Programm? Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Flughafen, der alles retten soll.
Wahrscheinlich werden die Kommunen versuchen, zumindest einen Teil der Aufgaben, für den kein Geld mehr da sein wird, auf die zunehmende Zahl von Hartz-IVEmpfängern zu verteilen – vielleicht mit Ein-Euro-Jobs, vielleicht aber auch ohne Ein-Euro-Jobs.
Wir erinnern uns an die kochsche Vision aus dem OFFENSIV-Gesetz aus dem Jahr 2002: Wer Unterstützung bekommt, muss etwas dafür tun.
Frau Lautenschläger hat noch dazu kommentiert, jedwede Arbeit – man beachte: uneingeschränkt „jede Arbeit“ – sei für einen arbeitsfähigen Menschen würdiger als die Entgegennahme einer finanziellen Unterstützung ohne Gegenleistung. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wären wahrscheinlich überrascht, wenn sie hörten, aus welcher Ecke fortgesetzt Angriffe auf die Menschenwürde geführt werden.
Wir fordern deshalb, die Streichung der „Aktion düstere Zukunft“ rückgängig zu machen und den damals eingesparten Betrag wieder in soziale Projekte fließen zu lassen.
Selbstverständlich muss man dabei berücksichtigen, dass Löhne und auch andere Kosten gestiegen sind. Deshalb gehen wir von einem Haushaltsposten von 40 Millionen c aus.
Damit kann man nicht 1 : 1 wieder an die Vergangenheit anknüpfen. Es ist sicher notwendig, zu prüfen, in welchen
Bereichen wieder Angebote entstehen müssen. Selbstverständlich gehört für mich eine flächendeckende Schuldnerberatung genauso dazu wie eine Suchtberatung. Außerdem muss die Arbeit in sozialen Brennpunkten gestärkt werden und vieles mehr.
Wenn wir der Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Armut wirklich begegnen wollen, müssen wir Stellen im öffentlichen Dienst schaffen, aber nicht abschaffen.
Deshalb schlagen wir vor, die knapp 10.000 Ein-EuroJobs in Hessen durch ein öffentliches Beschäftigungsprogramm in sozialversicherungspflichtige Normalarbeitsverhältnisse umzuwandeln. Das ist das Gebot der Stunde, um einer weiteren rasanten Ausdehnung prekärer und niedrig entlohnter Beschäftigung Einhalt zu gebieten.
In einem Flächenland wie Hessen sind die materiellen bzw. finanziellen Voraussetzungen für Bewegungsfreiheit eine Minimalbedingung für die Teilnahme am gesellschaftlichen sowie am Arbeitsleben. Aufgrund ihres niedrigen Einkommens haben aber viele Menschen – wegen der niedrigen Hartz-IV-Regelsätze vor allem Kinder – Schwierigkeiten, die Preise für den ÖPNV zu bezahlen. Wir beantragen deshalb die Bereitstellung der entsprechenden Mittel für eine sogenannte Hessenkarte. Diese Karte kann man noch ausbauen, indem man mit ihr den Zugang zu Sporteinrichtungen, zu kulturellen Aktivitäten und anderen Dingen ermöglicht.
Immer wieder hören wir, wie wichtig die Kinder sind. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass mehr Mittel für Kinderbetreuung in den Haushalt eingestellt wurden. Seien Sie aber doch bitte ehrlich: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und reicht bei Weitem nicht aus. Wenn wir wirklich wollen, dass all das, was in unseren Kitas geschehen soll und zum Teil sogar schon geschieht, auf Dauer und in der Fläche abgesichert werden soll, brauchen wir deutlich mehr Personal. Dieses muss auch deutlich besser bezahlt werden.
Ich möchte ausdrücklich die gute Arbeit loben, die die Erzieherinnen und Erzieher jeden Tag in den Kitas leisten. Wenn wir sagen,dass wir eine andere Qualifizierung brauchen, dann ist das keine Kritik an der Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas. Was diese jeden Tag schaffen, ist unglaublich.
Auch den Mittagessenfonds will ich nicht unerwähnt lassen. Es ist schön, dass hierfür Mittel eingestellt wurden. Wir haben bereits im vergangenen Jahr kritisiert, wie dieses Geld an das Kind kommt. Die Praxis hat gezeigt, dass Ihr Modell des Zufalls nicht funktioniert. Ich fordere Sie deshalb nochmals auf: Schaffen Sie ein Modell, mit dem alle bedürftigen Kinder ein kostenloses Mittagessen bekommen.
Ich würde mich freuen,wenn die Landesregierung die Alltagsprobleme der Menschen wichtiger nehmen würde als Leuchtturmprojekte.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redezeit der Regierung ist verbraucht. Deswegen werde ich meine Rede zu Protokoll geben.
Bitte gestatten Sie mir dennoch einige Sätze; denn es ist ohnehin schwierig, in der kurzen Zeit zu den aufgeworfenen Fragestellungen so differenziert Stellung zu nehmen, wie Sie es natürlich zu Recht erwarten.
Ich halte den Vorschlag nicht für realistisch, 10.000 EinEuro-Verhältnisse in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umzuwandeln. Das ist ein Ansatz, der von einem blinden Vertrauen in die Möglichkeiten und Ressourcen des Staates zeugt.
Meiner Meinung nach ist es Aufgabe des Einzelplans 08, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das kann nicht nur durch Geld geschehen, sondern das muss auch durch kreative Politik geschehen. Ich glaube, dass das, was in schwierigen Zeiten durch einen Haushalt geleistet werden kann, sich in diesem Haushalt widerspiegelt. In einer schweren Wirtschaftskrise ist es richtig, nicht mit sehr individuellen Arbeitsmarktprogrammen zu agieren. Vielmehr ist das Konjunkturprogramm, das Teil der Haushaltswirtschaft Hessens in den vergangenen Jahren und in diesem Jahr ist, die richtige und kraftvolle Antwort, um den Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu helfen.
Es zeugt von einem beachtlichen Engagement, dass die Mittel für Familien- und Kindergartenförderung von 2003 bis heute von rund 75 Millionen c auf über 320 Millionen c erhöht wurden. Dieser Teil des Haushalts macht inzwischen die Hälfte des Einzelplans 08 aus und zeigt, dass hier bewusst ein Schwerpunkt gebildet wird.
Drittens. Ich glaube, dass es richtig ist, dass man im Bereich der Gesundheitspolitik kraftvoll dort investiert, wo die Aufgabenstellung unbestritten den Ländern verblieben ist. Wir werden – auch in schwierigen Zeiten – die Krankenhäuser weiterhin mit Investitionen in Höhe von 120 Millionen c fördern.