Deswegen fordern wir Sie auf: Stoppen Sie diese Geisterfahrt, diesen arbeitsmarktpolitischen Amoklauf im Inter
esse der Beschäftigten in Hessen, im Interesse der Langzeitarbeitslosen,im Interesse all derjenigen,die darauf angewiesen sind, dass sie Hilfen aus einer Hand bekommen, z. B. kluge Integrationshilfen und Fort- und Weiterbildung, und hören Sie auf mit der Zerschlagung der Jobcenter. Das ist der absolute Irrweg. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Prinzip reden wir heute über genau die gleichen Fragen,über die wir im März dieses Jahres bereits gesprochen haben, als wir den SPD-Antrag diskutiert haben, der die Umsetzung des einstimmigen Beschlusses der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister zur Neuorganisation des SGB II verlangt hat. Die Frage lautete damals und lautet heute: Wie geht es weiter mit der Betreuung der Langzeitarbeitslosen? Das ist nach wie vor ein drängendes Problem,und mit der Koalitionsvereinbarung – da stimme ich mit Herrn Bocklet ausnahmsweise zu 100 % überein – ist jetzt sozusagen das Chaos vorprogrammiert.
Sie fahren mit dieser Koalitionsvereinbarung, wenn sie so durchgesetzt wird, die Arbeitsvermittlung mit voller Wucht gegen die Wand. Das ist schlecht für Hessen,das ist schlecht für Deutschland und vor allem ganz besonders schlecht für die betroffenen Menschen.
Dabei gilt es, die Kompetenz und Erfahrung der Länder und der Kommunen vor Ort sowie der Bundesagentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung für die Betreuung und Vermittlung der Langzeitarbeitslosen zu nutzen.
Ich frage mich wirklich: Warum sind so viele Mitglieder der Hessischen Landesregierung nach Berlin gefahren und haben an Koalitionsverhandlungen teilgenommen?
Was hier als Lösung vorgeschlagen wird, ist der Rückfall in alte Zeiten, ist absolut absurd, ist verantwortungslos und verheerend. Getrennte Aufgabenwahrnehmung ist ein Euphemismus und eine beschönigende Umschreibung für das Wort, das hier eigentlich stehen müsste: die Zerschlagung der Arbeitsgemeinschaften. Nichts anderes ist es, und das, wo die Krise jetzt auf den Arbeitsmarkt übergreift und die Lage dort verschärft. Damit werden Arbeitsvermittler und Arbeitsuchende verunsichert. Es gibt doppelte Bürokratie. Das hat der Kollege Bocklet am Beispiel Frankfurt sehr richtig gesagt. Es ist ein Rückfall in uralte Zeiten, was hier passieren soll.
Wir werden eine Verschlechterung der Vermittlung haben. Wir werden weniger passgenaue Hilfen haben. Wir werden weniger individuelle Förderung haben. Die Menschen werden nicht mehr einen, sondern wieder zwei oder mehr Ansprechpartner haben. Das Wort „Hilfe aus einer Hand“ wird mit dieser Koalitionsvereinbarung ad absurdum geführt. Die Leute werden wieder von Pontius zu Pilatus geschickt. Ich finde es wirklich unglaublich in der heutigen Zeit,Menschen von einem Amt zum nächsten zu schicken, um sie dann mit zwei Bescheiden nach Hause zu schicken. Das ist unglaublich, und diese Vorschläge sind unsäglich.
Getrennte Aufgabenwahrnehmung heißt zusätzliche Bürokratie, Stichwort: Kopien. Das bedeutet auch unglaublich hohe Mehrkosten.
Wir alle wissen, dass die Rechtsgrundlage für die Arbeitsgemeinschaften Ende des nächsten Jahres einfach ausläuft. Wir haben ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, das ganz klar aufgegeben hat, diese Mischverwaltung verfassungsfest neu zu regeln.
Wir haben das in der Großen Koalition lange diskutiert. Es gab dann einstimmige Beschlüsse der Arbeits- und Sozialminister. Es gab eine einhellige Meinung der Fraktionen, dass nun das Grundgesetz geändert werden solle, um die Arbeitsgemeinschaften auf verfassungsfeste Füße zu stellen, bis es plötzlich einigen in der CDU-Bundestagsfraktion einfiel, einen Torpedo nach dem anderen in die Richtung zu schießen. Insofern kann ich nur sagen: Ich frage mich wirklich, wo die Zustimmung Hessens zu dem Konzept der Absicherung über eine Grundgesetzänderung ist. Wo bitte ist die Zustimmung des Landes Hessen durchgesetzt worden? – Überhaupt nicht. Da frage ich: Herr Banzer, was haben Sie eigentlich in Berlin gemacht?
Aber man hat die neue Zurückhaltung der Landesregierung auch schon bei der Diskussion im März bemerkt, als Herr Banzer versucht hat, eher die Torpedierung der Einigung zu rechtfertigen, statt weiter auf den Beschluss zu bauen, dem vermutlich seine Vorgängerin im Amt – ich weiß nicht mehr genau, ob das noch Frau Lautenschläger war – in der ASMK zugestimmt hat.
Nein, es kommt nicht auf das Wörtliche an. Es kommt darauf an, dass Herr Banzer im Nachhinein versucht hat, zu rechtfertigen, dass zwar ein einstimmiger ASMK-Beschluss vorlag, aber die Bundestagsfraktion diese Einigung torpediert hat.
Getrennte Aufgabenwahrnehmung ist – das sagen alle Menschen, die damit in der Arbeitsmarktpolitik befasst sind, und das sagen auch die betroffenen Menschen – ein Rückfall ins Vorgestern, was hier passieren soll. Das wird jetzt so nett formuliert, es werde eine freiwillige Zusammenarbeit angestrebt. Das wird von vielen jedenfalls so verstanden, als ginge es hier um eine Unterwerfung unter die alten zentralistischen Strukturen der Bundesagentur und eine zentralistische Steuerung,der Tür und Tor geöffnet werden soll.
Es steht viel auf dem Spiel. Es stehen rund 370 Jobcenter bundesweit auf dem Spiel. Es stehen knapp 7 Millionen Menschen – Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV
sowie Sozialgeldbezieher – und die Existenz von gut 60.000 Menschen auf dem Spiel, die in den Jobcentern arbeiten. Sie haben sich seit fünf Jahren engagiert und sehr gut um die betroffenen Menschen gekümmert. Bei allen anfänglichen Anlaufschwierigkeiten, die es ohne Zweifel auch gegeben hat, ist jetzt, so glaube ich, alles auf einem guten Weg. Es geht aber gerade wieder 100 % rückwärts. Herr Bocklet hat zu Recht gefragt, was eigentlich mit Ihrem Herrn Niebel passiert ist. Erst schreit er, die Bundesagentur müsse aufgelöst werden, und jetzt bekommt sie eine Steuerungsfunktion, von der sie überhaupt nicht mehr zu träumen gewagt hat.
Herr Niebel war auch dafür, das Bundesentwicklungshilfeministerium abzuschaffen. Jetzt ist er der dortige Minister. Irgendwie ist die FDP wirklich der Wackeldackel.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen:Wir haben jetzt auch noch einen Minister an der Spitze des Bundesarbeitsministeriums,der – das möchte ich schon festhalten – bisher nicht dadurch aufgefallen ist, dass das sein Arbeitsschwerpunkt wäre, um das einmal ganz vorsichtig zu umschreiben.
Er war wohl eine Verlegenheitslösung. Das Bundesarbeitsministerium war dann wahrscheinlich sozusagen der Trostpreis, der für Hessen noch abgefallen ist, als alle anderen wichtigen Ressorts weg waren. Ich denke, das ist schon Proporz.
Herr Präsident, Sie wollen doch nicht ernsthaft sagen, dass Herr Dr. Jung ein Fachmann in der Arbeitsmarktpolitik wäre. Das wäre mir zumindest neu.
(Norbert Kartmann (CDU): Das haben Sie doch schon früher gesagt! Er war sehr gut als Verteidigungsminister!)
Na gut, als Verteidigungsminister war er – auch das würde ich einmal vorsichtig formulieren – glücklos. Glücklos ist vielleicht noch geschönt.Aber ich betone hier einen Begriff, den ich sehr schön finde. Diesen Begriff hat die „Süddeutsche Zeitung“ geschrieben. Er ist eben auch ein Diener,der schon seit Jahren klaglos das macht,womit ihn seine Chefs betrauen – ob es die Unterschriftenkampagne in Hessen oder die Spendenaffäre ist. Er ist der Mann fürs Grobe.Wir dürfen sehr gespannt sein, wie sich Herr Dr.Jung in diesem neuen Job als Minister für Arbeit, eines nach meiner Meinung der wesentlichsten Ressorts, einarbeiten und bewähren wird. Ich sehe, ehrlich gesagt, ziemlich schwarz. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Fuhrmann, ich wollte eigentlich nicht mit Ihnen anfangen. Aber wenn Sie den Namen Franz Josef Jung in den Mund nehmen und ihn so kritisieren, treffen Sie bei mir einen wunden Punkt.
Ich behaupte einfach einmal, dass Sie einen Moment abwarten müssen. Dann werden Sie auch erleben, dass in seiner Vita auch durchaus die Kompetenz des Arbeitsministers niedergelegt ist, und Sie werden merken, dass auch bei diesem Thema seine Kompetenz durchkommen wird.
Ich erinnere nur einmal an Sigmar Gabriel, der zufälligerweise kein Ministerpräsident war, und dann ist er eben Umweltminister geworden. Das kommt bei der SPD auch vor. Ich sage nicht, dass er ein schlechter Umweltminister war. Aber lassen Sie hier Ihre Vorurteile bezüglich unserer Ministerernennungen aus dem Spiel.
(Beifall bei der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also Jung als „Siggy Pop“ der CDU! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kollegen von den GRÜNEN,ich muss hier wirklich sagen – und das werden Sie gleich merken –:Wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Das liegt einfach nur daran, dass Sie den Koalitionsvertrag immer so zitieren, wie es Ihnen passt.
Genauso ist es in Ihrer Pressemitteilung. Dort haben Sie einen kleinen Absatz aus dem Koalitionsvertrag zum Thema Optionskommunen herausgenommen, der nicht all das wiedergibt,was wirklich drinsteht.Ich darf zitieren: