Genauso ist es in Ihrer Pressemitteilung. Dort haben Sie einen kleinen Absatz aus dem Koalitionsvertrag zum Thema Optionskommunen herausgenommen, der nicht all das wiedergibt,was wirklich drinsteht.Ich darf zitieren:
Die Bundesagentur für Arbeit erhält die Aufgabe, den Kommunen attraktive Angebote zur freiwilligen Zusammenarbeit zu unterbreiten.
Dazu wird das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung einen „Mustervertrag“ ausarbeiten, der die Zusammenarbeit regelt und kommunale Selbstverwaltung achtet.
Interessant ist auch, dass Sie, Frau Fuhrmann, am Samstag noch auf einem Parteitag waren und eine Kommission bestimmt haben, die über die Hartz-IV-Regelung spricht, während Sie sich hierhin stellen und einen wichtigen Teil der Hartz-IV-Neugesetzgebung kritisieren, bzw. Sie kritisieren die Hartz-IV-Gesetzgebung. Das, was hier passiert ist, loben Sie über den roten Klee. Das darf so eigentlich auch nicht sein. Sie müssten sich also einmal überlegen, was Sie wollen. Wollen Sie die Hartz-IV-Gesetzgebung? Stehen Sie zu dem, was Sie 2005 eingeführt haben? Oder wollen Sie einen neuen Weg gehen? – Ich glaube, wir werden gemeinsam noch eine spannende Zeit verbringen. Denn die SPD wird noch eine Zeit lang brauchen, den Weg zu finden, den sie gehen möchte.
Seit 2005 haben wir die Regelungen der Optionskommunen und der Argen in der Bundesrepublik Deutschland verfestigt, und sie haben in der Zeit eine hervorragende Arbeit geleistet. Wer sich die Optionskommunen und die Argen hier in Hessen, aber auch im Bundesgebiet anschaut, der weiß, dass das der richtige Weg war und auch in Zukunft der richtige Weg ist.
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt unheimlich wichtig, Perspektiven zu schaffen. Herr Bocklet, da hatten Sie vollkommen recht, wenn Sie sagten, dass die Zukunftsvisionen momentan für die Mitarbeiter sehr schwierig sind. Sie wissen noch nicht,wie es weitergeht.2010 läuft das Modell in der Form, wie es jetzt ist, aus. Die Planung für die Zukunft ist sehr wichtig. Das ist auch das, was uns berichtet wird. Deswegen ist es unglaublich wichtig,dass wir jetzt so schnell wie möglich einen Weg finden, um den Optionskommunen und den Argen über 2010 hinaus eine sichere Zukunft zu geben.Das Motto bzw.die wichtige Forderung „Fördern und Fordern“ darf nicht aus dem Fokus geraten, sondern das muss weiterhin im Fokus stehen.
Frau Fuhrmann, ich habe Ihnen jetzt zehn Minuten zugehört. Ich habe kein Wort gesagt. Tun Sie mir einen Gefallen, und essen Sie den Apfel. Darin sind Vitamine, und Sie sind beim Essen auch noch ruhig. Das würde uns allen hier helfen.
Herr Bocklet, wir sind bei Ihnen: Wir müssen die Betreuung aus einer Hand hinbekommen.Wir müssen die Kommunen bei dem Entscheidungsprozess mitnehmen, und wir müssen die Erfahrungen der Kommunen nutzen. Nichts anderes sagen wird. Nichts anderes steht im Koalitionsvertrag.
(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, Sie beschließen genau das Gegenteil! – Petra Fuhrmann (SPD): Sie haben das Gegenteil beschlossen! – Anhaltende Zurufe von der SPD)
Wir werden jetzt auf das Angebot des Bundes warten müssen. Sie gackern, bevor die Eier gelegt worden sind. Das lohnt sich nicht. Das macht mir gerade Sorgen. Das heißt, wir müssen warten, bis aus Berlin etwas kommt.
Nein, dann ist es nicht zu spät. Wir müssen bis Ende des Jahres bzw. bis Anfang nächsten Jahres einen Weg und eine Konzeption finden, wie wir genau das erreichen, was wir alle eigentlich wollen. Wir wollen eine Betreuung aus einer Hand, wir wollen eine Betreuung vor Ort – nicht zentralisiert. Wir wollen nicht, dass der Arbeitslose in Rüsselsheim von Nürnberg aus betreut wird. Wir wollen, dass der Arbeitslose weiterhin vor Ort von einer Optionskommune oder von einem Jobcenter betreut wird.
Frau Fuhrmann, lassen Sie mich doch einmal ausreden. Es nützt doch nichts. Man hört Sie sowieso nicht.
Herr Bocklet, da muss auch ich die Frage stellen, die Sie gestellt haben: Gibt es Möglichkeiten, dass es mehr als 69 Optionskommunen werden? Es gibt einige Kommunen, die diese Aufgabe gerne übernehmen wollen. Ich erinnere an den Kreis Groß-Gerau, wo ich herkomme. Groß-Gerau war schon im Programm, bis irgendein Kreisverband – ich will das gar nicht abwerten – auf das ihm nach dem Proporz zustehende Recht gepocht hat, und dann ist Groß-Gerau aus dem Programm herausgefallen. Es ist immer noch so, dass Groß-Gerau gern eine Optionskommune werden würde. Warum soll man denen diese Möglichkeit nicht geben? Wir müssen eben einen Weg finden, wie wir die Zahl der Optionskommunen in Hessen erhöhen.
Herr Bocklet, lassen Sie mich ganz kurz etwas zu Ihrem Antrag sagen. Sie sprechen hier immer von Kommunalisierung.Das Wort Optionskommune kommt in Ihrem Antrag aber nicht ein einziges Mal vor. Die Hälfte der Landkreise in Hessen sind aber Optionskommunen. Die kommen in Ihrem Antrag gar nicht vor. Was ist denn mit den Optionskommunen? Für die haben Sie überhaupt keine Forderungen?
Die sind gesichert, das ist richtig. Trotzdem gehören die Optionskommunen zu dem Gesamtpaket. Man kann sie nicht hinten runterfallen lassen und sich nur auf einen Teil des Ganzen versteifen.
Ich sage es noch einmal: Lassen Sie der Bundesregierung ein wenig Zeit.Wenn das Ei gelegt ist,können wir gern gemeinsam gackern, wenn es uns nicht gefällt. Dazu lade ich Sie gerne ein. Aber warten Sie bitte ab, bis etwas da ist. Dann können wir darüber diskutieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat es uns zur Aufgabe gemacht, bis 2010 ein Problem zu lösen, nämlich das, was heute zur Debatte steht: Wie regeln wir die Verwaltung von Arbeitslosigkeit, die Gewährung von Arbeitslosengeld und die Möglichkeiten, Menschen wieder in Arbeit zu bringen?
Das einzig Gescheite an Hartz IV war aus unserer Sicht, dass die Erwerbslosen nun aus einer Hand betreut werden und nicht mehr mindestens zwei Ämter zuständig sind. Das Gesetz war aber handwerklich so schlecht gemacht, dass seine Halbwertszeit äußerst gering war. Langsam wird es brisant.Die Zeit drängt.Es geht immerhin um die Zukunft von ungefähr 60.000 Beschäftigten und von 6 Millionen Leistungsbeziehern nach dem SGB II sowie um rund 40 Milliarden c. Das ist eine ganze Menge. Da muss man sich ernsthaft und ausführlich Gedanken machen.
Wir haben aktuell eine Art Tauziehen zwischen denen, die die Kommunalisierung wollen, und denen, die die Bundesagentur stärken wollen. Der Antrag der GRÜNEN versucht, das Tauziehen zugunsten der Kommunalisierung zu entscheiden, und zwar bei Beibehaltung bzw. Herstellung des Prinzips Leistung aus einer Hand per Grundgesetzänderung.Das wird im Wesentlichen mit drei Argumenten begründet. Es geht um möglichst wenig Bürokratie. Lokale Entscheidungen seien gut – ohne dass erklärt wird, warum lokale Entscheidungen gut seien. Es wird negativ begründet, indem man sagt, wenn es die Bundesagentur mache, sei das zentralistisch. Dieses Wort ist irgendwie negativ besetzt.
Die Kompetenz sitze in den Kommunen, wird gesagt, und müsse daher gestärkt werden. Schließlich taucht ein vierter Punkt auf:Die Reduktion von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten müsse verhindert werden. – Da bin ich ganz und gar bei Ihnen.
Bevor auf ich die einzelnen Punkte näher eingehe: Der Antrag erweckt den Eindruck, als sei das alles richtig dramatisch. In der Pressemitteilung ist die Rede von einer Katastrophe für die betroffenen Arbeitslosen. Ich kann Ihnen versichern, wenn die Pläne von Schwarz-Gelb umgesetzt würden, wäre das nicht die erste Katastrophe für die Arbeitslosen. Die Katastrophe bei Hartz IV ist, dass nach Abzug der Fixkosten täglich 10 c zur Verfügung stehen, von denen die Menschen alles kaufen müssen: Essen, Trinken, Kleidung, Hausrat, Bildung, Mobilität usw. Das ist die eigentliche Katastrophe.
Zu Ihrem Antrag. Erwerbslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es kann nicht einfach auf die Kommunen abgewälzt werden. Diesbezüglich steht deshalb aus unserer Sicht der Bund in der Pflicht. Wenn wir das Problem immer mehr auf die Kommunen abwälzen, dann bedeutet das, dass diese gesamtgesellschaftliche Problematik tatsächlich auf die kleinsten und schwächsten der Einrichtungen abgewälzt wird und so irgendwann auch finanziell dahin geschoben wird. Das sehen wir an verschiedenen Beispielen bereits jetzt.Wir erleben das gerade bei den Bestrebungen, was die KdU angeht.
Im Übrigen deutete sich im Koalitionsvertrag schon an: Nach der in Ihrem Antrag zitierten Stelle, dass man die Vielzahl der bestehenden Arbeitsmarktinstrumente deutlich reduzieren will, folgt nämlich:
Unser Ziel ist es, vor Ort ein hohes Maß an Ermessensspielraum – kombiniert mit einem wirksamen Controlling – zu erreichen und durch die Integration in den Arbeitsmarkt entsprechend den regionalen Bedingungen deutlich zu verbessern.
Die Reduktion der Arbeitsmarktinstrumente und die Kommunalisierung gehen ja Hand in Hand, stehen aber nicht im Einklang mit dem Regierungshandeln.
Wir von der LINKEN haben die möglichen Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bundesweit mit vielen lokalen Akteuren diskutiert. Wir haben immer wieder den Eindruck gewonnen, dass die Entscheidung zwischen der real existierenden Optionskommune und der real existierenden Bundesagentur für viele eine Wahl zwischen Pest und Cholera sein könnte. Wenn wir eine Stärkung der Kompetenz des Bundes erreichen wollen,dann muss sich die Bundesagentur zuallererst wieder darauf besinnen, dass sie vor allem einen sozialpolitischen Auftrag hat. Diesem sozialpolitischen Auftrag muss sie sich wieder verstärkt stellen.
Sie sagen, vor Ort könne man immer alles besser machen. Ich finde, die grünen Abgeordneten aus Kassel sollten wissen, dass das so nicht stimmt. In den letzten Jahren wurden von der Arge in Kassel Jahr für Jahr Millionenbeträge zurückgegeben, sodass in der Summe ein zweistelliger Millionenbetrag verloren ging – und zwar für die betroffenen arbeitslosen Menschen und auch für den regionalen Wirtschaftskreislauf. Die Leute vor Ort machen nicht immer automatisch alles besser.Von dem,was sie gerade mit der Pauschalierung und dergleichen machen, möchte ich überhaupt sprechen.
Eine moderne Sozialpolitik sollte von dem Bewusstsein geprägt sein, dass auf beiden Seiten des Tisches Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sitzen und dass es sich auch auf der anderen Seite des Tisches um Menschen mit Rechten handelt. Ich füge mit Blick auf die zu erwartenden vielen Tausend Entlassungen in den nächsten Wochen und Monaten hinzu: In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich um Menschen, die gänzlich ohne eigenes Verschulden in diese Situation geraten sind.
Nein, ich möchte zum Ende kommen. – Ob die Krise, die zum jeweiligen Jobverlust geführt hat, Resultat des Kapitalismus, seiner Märkte oder der Politik von Rot-Grün, Rot-Schwarz, Schwarz-Gelb oder eine Mischung aus alledem ist, ist dabei völlig egal.
Wir meinen, dass sich die künftige Organisation des SGB II aus der Sicht der Erwerbslosen und der Hilfebedürftigen an folgenden Prämissen messen lassen muss.Alle Erwerbslosen, nicht nur die Arbeitslosen, werden gefördert. Die ihnen zustehenden Leistungen sind schnell, unbürokratisch, aus einer Hand, und ohne dass dauernd Widerspruch eingelegt werden muss, zu erbringen. Die Betroffenen müssen ständig einen kompetenten und direkt erreichbaren Ansprechpartner haben. Die Arbeitsvermittlung muss nach individuellen Merkmalen erfolgen. Dazu sind auf die Personen zugeschnittene Integrations- bzw. Beschäftigungsangebote auf dem örtlichen, zumindest aber auf dem regionalen Arbeitsmarkt zu unterbreiten – aber auch überregional.