Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Ja.

Herr Minister, ich wollte Sie nicht bei der Ausführung eines Gedankens stören. Sie hatten vorhin ausgeführt, dass Ihnen als Vertreter der CDU diese sechs Zeilen nicht gefallen. Herr Kollege Rock hat für die FDP deutlich gemacht, dass ihm diese sechs Zeilen nicht gefallen. Ich frage Sie: Können Sie uns einen Hinweis darauf geben, wer sie da hineingeschrieben hat?

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Florian Rentsch (FDP): Wir beide wahrscheinlich nicht!)

Herr Wagner, ich glaube, dass Sie politisch so erfahren sind, dass Sie wissen, dass an Koalitionsverhandlungen sehr viele Menschen und sehr viele Gruppen teilnehmen, die sehr unterschiedliche Interessen haben. Bei diesen 0,1 % der Koalitionsvereinbarung – das war jetzt einmal quantitativ – haben die Hessen eben nicht so erfolgreich mitgewirkt.

(Zuruf:Wer war es?)

Ich weiß es nicht.

Diese 69 Optionen sind „zufällig“ an der Zahl der Stimmen im Bundesrat festgemacht, damit man nämlich nachher die Zuteilung für die verschiedenen Bundesländer hatte, weil das der nächste Streitpunkt gewesen wäre. Das konnte leider nicht mehr werden, weil Rot und Grün es verweigert haben. Herr Bocklet, regen Sie sich deswegen nur weiter so auf. Aber ich muss Sie daran erinnern: Den ganzen Schlamassel hätten Sie uns früher ersparen können, wenn Sie Ihre grünen Minister in Berlin auf die richtige Linie gebracht hätten.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Optionskommunen sind noch nicht verfassungskonform! Das ist auch noch nicht geklärt!)

Mal langsam. Die sind schon verfassungskonform und bleiben es auch. Sie können nur nicht die Mehrheit der Modelle bilden. Das ist zumindest bisher die eindeutige Meinung aller Rechtsgelehrten. Ich gebe zu, über Juristerei kann man natürlich immer streiten. Auch darüber kann man daher streiten. Aber ich will das erst einmal festhalten.

Zweitens. Man darf dieser Koalitionsvereinbarung – deswegen lege ich so Wert auf diese sechs Zeilen – auch nicht unrecht tun; denn im Umfeld dieser sechs Zeilen stehen Dinge, die die ganze Sache für uns auch sehr viel akzeptabler machen. Ich teile z. B. nicht die Kritik der GRÜNEN an der Reform der Arbeitsmarktinstrumente. Ich bin sehr froh, dass in der Koalitionsvereinbarung steht, dass die Zahl der Maßnahmen und Instrumente reduziert wird, weil mit dem Reduzieren von Instrumenten auch diese zu große Bürokratisierung und Präzisierung der Instrumente der Vergangenheit angehören wird.

(Petra Fuhrmann (SPD): Aber die Passgenauigkeit sinkt!)

Wenn dann darin noch als Interpretationshilfe steht, dass wir das Ermessen vor Ort erweitern wollen, dann ist das exakt das Richtige. Das ist nämlich der Punkt.Auch darüber haben wir in diesem Landtag schon einmal gesprochen, dass sehr viel Geld wegen der Komplexität der Instrumente nicht eingesetzt werden konnte. Das ist positiv.

Es ist positiv, dass die Zuverdienstrate erhöht wurde. Es ist positiv, dass das Anrechnungsvermögen verdreifacht wurde. Es ist positiv, dass die Immobilien herausgenommen wurden. Es gibt eine ganze Anzahl von Punkten, die das gesamte Thema der Grundsicherung wesentlich erleichtern werden.

Wir müssen auch bewerten, wenn wir die Zukunft der Argen bewerten, ob dadurch, dass wir die Kosten der Unterkunft verändern werden – dazu steht auch etwas in der Koalitionsvereinbarung –, ein Teil des Ärgernisses möglicherweise reduziert wird. Dann müssen wir darüber reden, wie wir die neue Lage organisieren.

(Petra Fuhrmann (SPD): Beispiel!)

Es ist z. B. ein Modell denkbar, über das zu reden sein wird, ob wir das sogenannte Südmodell umsetzen, das natürlich weiterhin die Möglichkeit gäbe, einen Bescheid zu erteilen und damit einen großen Teil der angesprochenen Ärgernisse zu reduzieren.Wir müssen darüber reden, wie viele Argen es in Zukunft geben wird. Es ist in der Koalitionsvereinbarung nicht entschieden, dass es nur 69 Optionskommunen geben soll.Wir müssen auch noch einmal darüber reden. Hessen wird sich dafür einsetzen, dass die Zahl der Optionskommunen erweitert wird. Es gibt eine ganze Anzahl, sodass ich glaube, dass wir dieses Thema

sehr positiv gestalten können, dass wir Rahmenbedingungen haben, die sehr positiv sind.

Es wäre mir lieber gewesen, wir hätten diese prinzipielle Diskussion über die Zukunft der Argen nicht gehabt. Aber ich kann nur sagen: So ein Koalitionsvertrag ist kein Wunschkonzert.An der Stelle haben wir uns nicht mit unseren Interessen durchsetzen können. Aber Politik bedeutet eben auch, pragmatisch das zu verwirklichen, was machbar ist. Ich bin ganz sicher, dass es genug Möglichkeiten gibt, die Situation derer, die Grundsicherung benötigen, so zu organisieren, dass insgesamt eine Verbesserung gegenüber der bisher sehr unklaren, ungeklärten, sehr bürokratische Struktur herauskommt.

(Beifall bei der CDU)

Schönen Dank, Herr Minister Banzer. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Gehe ich recht in der Annahme, dass alle drei Anträge an den Ausschuss gehen sollen? – Das wird signalisiert.Dann überweisen wir das.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 58 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem 37.Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (Drucks. 18/106); hierzu: Stellungnahme der Landesregierung betreffend den 37. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (Drucks. 18/1014), Vorlage der Landesregierung betreffend den Zweiundzwanzigsten Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden (Drucks. 18/1015) – Drucks. 18/1365 zu Drucks. 18/106, zu Drucks. 18/1014 und zu Drucks. 18/1015 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Siebel. Erst begrüßen wir den Hessischen Datenschutzbeauftragten Herrn Ronellenfitsch in unserer Mitte.

(Allgemeiner Beifall)

Zunächst haben wir die Berichterstattung und dann, Herr Prof. Ronellenfitsch, haben Sie das Wort.

Ich berichte über die Beschlussempfehlung. Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum einstimmig, den Tätigkeitsbericht zur Kenntnis zu nehmen und darüber eine Aussprache zu führen.

Der 37. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten war dem Innenausschuss am 21.April 2009 und die Stellungnahme der Landesregierung sowie die Vorlage der Landesregierung am 1. September überwiesen worden.

Der Innenausschuss hat den 37. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten sowie die Stellungnahme und die Vorlage der Landesregierung in seiner Sitzung am 5. November 2009 behandelt und einstimmig die von mir genannte Beschlussempfehlung an das Plenum ausgesprochen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Schönen Dank, Herr Kollege Siebel. – Damit gebe ich Ihnen, Herr Ronellenfitsch, die Möglichkeit, zu uns zu sprechen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank, dass Sie mir in diesem Jahr Gelegenheit geben, den Tätigkeitsbericht ohne Verschiebung einigermaßen zeitgerecht vorzustellen.Als Gegenleistung werde ich mich kurz fassen oder jedenfalls annähernd so schnell sprechen wie Herr Siebel.

(Allgemeine Heiterkeit)

Gestatten Sie mir gleichwohl eine persönliche Vorbemerkung. Wer häufig Reden halten muss, erzeugt eine bestimmte Erwartung, der entsprochen werden muss. Von mir werden erwartet professoral ernsthafte Ausführungen in ironischer Verpackung mit populär musikalischer Parallelwertung, und das alles noch juristisch abgesichert. Missverständnisse lassen sich bei solchen Ansprüchen nicht vermeiden. Ironie ist immer riskant.Wer Bodenhaftung mit Tiefgang gleichsetzt, ist in der Regel für Ironie unempfänglich. Da ist natürlich niemand hier anwesend.

(Allgemeine Heiterkeit)

Die Botschaft stößt dann ins Leere. Ich begreife mich bei der Präsentation meiner Tätigkeitsberichte aber gerade als Botschafter des Datenschutzes. Mir kommt es darauf an, inhaltliche Botschaften zu übermitteln. Wie das letztlich klappt, ist mir im Grunde gleichgültig.Wenn ich dazu ab und zu etwas provokant werde, dient das der Botschaft als solcher.

Diese kann man in der Zeit des Datenexhibitionismus nur überspitzt vortragen, sonst werden die Botschaften nicht wahrgenommen. Ich muss also provozieren. Da zudem juristische Botschaften beim „gemeinen Volk“, dem Juristen nur lästig sind, Wahrnehmungsblockaden auslösen, versuche ich, meine Botschaften mit Formulierungen aus dem Musikgeschehen anschaulicher zu machen. Ob meine Beispiele immer noch weiterführen, bin ich mir nicht sicher.

Die Musik, die zu meiner Sozialisation beigetragen hat, hat mit zunehmender Verjüngung dieses Parlaments keinen Wiedererkennungswert,

(Allgemeine Heiterkeit)

erklärt aber immer mein Selbst- und Amtsverständnis. Dieses entwickelte sich in den Fünfzigerjahren. 1957 war hier in Deutschland ein Schlager der Renner: Warum strahlen heute Nacht die Sterne so hell? – Die Rückseite hieß: „Junge Liebe“ mit dem Refrain: Geliebt zu werden, ist das höchste Glück auf Erden. – Darum geht es mir nicht.

(Allgemeine Heiterkeit)

Für mich war das Lied, schlicht gesagt, unerträglich. Mich hat zur gleichen Zeit „Jailhouse Rock“ von Elvis Presley mehr beeindruckt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als der klassische Rock and Roll schon gestorben war und stattdessen die 68er – jetzt klatschen Sie nicht mehr – ihre Protestlieder abträllerten, kam an Weihnachten 1968

der King zurück und sang: If you’re looking for trouble you came to the right place – wenn du Ärger suchst, bist du richtig. Weiter heißt es: I’ve never looked for trouble but I’ve never ran – ich habe nie Ärger gesucht, aber ich bin ihm auch nie davongelaufen.

Das war es, und das ist es. Mein höchstes Glück auf Erden als Datenschutzbeauftragter ist nicht, von allen geliebt zu werden. Wenn es Ärger gibt, scheue ich nicht vor deutlichen Worten zurück. Ich bitte, mir das nachzusehen. Das gilt auch für die Tätigkeitsberichte, deren schriftliche Fassung allerdings durch den Sachverstand meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine moderate Form gebracht werden konnte. Für mich persönlich hätte es etwas krasser ausfallen können.

(Allgemeiner Beifall)

Ausschließlich allein verantwortlich bin ich lediglich für die Einführung.Wie dem auch sei – mit Rücksicht auf die grassierende Schweinegrippe sehe ich davon ab, heute die Sau rauszulassen,

(Allgemeine Heiterkeit)

und begnüge mich mit einigen Bemerkungen zu konzeptionellen und ereignisbezogenen Teilen meines Tätigkeitsberichts.

Den konzeptionellen Teil des Tätigkeitsberichts, die Einführung, möchte ich professoral-juristisch angehen. Denn offensichtlich bestehen hier selbst in der gängigen Materie des Polizeirechts Verständnisschwierigkeiten. Das hat mit Allein- und Allzuständigkeitsgelüsten und Bevormundungsambitionen nichts zu tun, sondern folgt daraus, dass der Datenschutz eine Querschnittsaufgabe ist. Auch datenschutzrechtliche Vorschriften werden nur im Gesamtzusammenhang, in dem sie stehen, verständlich.