Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Danke, Herr von Ooyen. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Staatsminister Weimar.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube – jetzt einmal abgesehen von den Ritualen einer solchen Diskussion –, die bisherige Beratung über den Landeshaushalt hat ergeben, dass die drei Leitlinien, die ich bei der Einbringung des Haushaltsplanentwurfs vorgestellt habe, vom Grundsatz her nicht infrage stehen.

Angesichts der Tatsache, dass das Bruttoinlandsprodukt innerhalb einer Jahres in einem Ausmaß zurückgegangen ist, wie wir es bisher nicht gekannt haben, müssen wir mit dem Haushaltsplan 2010 und mit der Politik insgesamt einen aktiven und entschlossenen Beitrag zum Wachstum und zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise leisten. Wir dürfen die Krise nicht durch einen rigiden Sparkurs zusätzlich verschärfen. Ich glaube, auch darin bestand weitgehende Übereinstimmung. Gleichzeitig müssen wir einen behutsamen und konjunkturgerechten Schwenk hin zu einem Konsolidierungsprozess vollziehen.Allein durch die Formulierung wird klar, wie schwierig die Gratwanderung zwischen den einzelnen Punkten ist.

Ich glaube, dass wir das in Hessen bisher sehr gut gemeistert haben und dass der Haushaltsplan 2010 einen beachtlichen Beitrag dazu leisten kann, dass die Ziele erreicht werden. Als ich den Haushaltsplanentwurf hier eingebracht habe, sind wir davon ausgegangen, dass wir in diesem Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um etwa 6 % haben würden. Die Zahlen, mit denen wir gerechnet haben, sind in der Zwischenzeit Gott sei Dank

deutlich korrigiert worden.Wir gehen jetzt von einem Betrag aus, der unter 5 % liegt. Das ist allein deshalb wichtig, weil es bedeutet, dass der Sockel deutlich niedriger ist, von dem aus wir in den nächsten Jahren aufholen müssen. Von daher haben wir bessere Perspektiven.

Noch im Sommer sind wir davon ausgegangen,dass wir im nächsten Jahr mit lediglich 0,5 % Wachstum zu rechnen hätten. Aber wir stellen fest, dass es sich jetzt doch bei deutlich über 1 % einpendelt, was insgesamt Anlass zu einer gewissen Hoffnung gibt, dass wir den Boden erreicht und jetzt, wenn wir alles richtig machen, die Chance auf eine positive Entwicklung haben.

Lassen Sie mich das als Erstes sagen:Wir diskutieren hier ständig über Verteilungsfragen. Das ist gut. Das ist auch in Ordnung.Aber die erste Diskussion, die wir zu führen haben, betrifft die Frage: Wie erwirtschaften wir etwas in diesem Land, damit wir überhaupt etwas zu verteilen haben? – Der Haushalt, den man vorstellt, ist auch ein Zeichen dafür, wie man mit diesem Problem umgeht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch das habe ich schon vorgetragen:Man muss natürlich auch sehen,dass Hessen schon im vierten Quartal des Jahres 2008 das Bundesland war – es war damit das Erste –, in dem die Steuereinnahmen deutlich nach unten gegangen sind. Das liegt an der Steuerstruktur, die wir hier haben.

Im Oktober und November 2009 sieht die Situation so aus, dass wir zwar nicht dramatisch, aber doch schlechtere Eingänge hatten, als wir uns vorgestellt hatten.Von daher kann das Steuersoll, das wir uns für das Jahr 2009 vorgenommen haben, möglicherweise nicht mehr ganz erreicht werden. Auf der anderen Seite stehen aber auch Einsparungen beim Vollzug des Haushalts. Wir werden also schauen müssen, wo wir herauskommen.

Auf jeden Fall können wir heute schon eines sagen: Mit dem Konjunkturprogramm, das wir aufgelegt haben, stellen wir 1,7 Milliarden c zur Verfügung.Damit machen wir etwas anderes als die anderen Bundesländer.Das habe ich auch schon einmal gesagt. Andere Bundesländer müssen für ihre Landesbanken bezahlen. Wir können das Geld aufwenden, um Konjunkturprogramme zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben 1,7 Milliarden c aus eigenen Landesmitteln aufgebracht. Hinzu kommen die Bundesmittel, die wir ergänzen. Dadurch kommen wir auf über 2,6 Milliarden c. Mit dem, was wir heute wissen, was die Kommunen und diejenigen, die an dem Konjunkturprogramm beteiligt sind, zusätzlich investieren, werden wir auf einen Betrag von über 3 Milliarden c kommen.

An der Stelle soll auch das einmal gesagt werden: Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die wir dabei bekommen haben. Hier gab es dafür eine sehr breite Mehrheit. Auch die SPD und die GRÜNEN haben dafür gestimmt.

Aber eines muss doch im Nachgang gesagt werden. Wir haben eine gewaltige Leistung erbracht, um dieses Programm so schnell umsetzen zu können, wie es derzeit läuft. Wir haben damit einen beachtlichen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Konjunktur in Hessen deutlich gut entwickelt.

An der Stelle sei noch etwas gesagt. Ich finde eigentlich, dass es die Hessen und das Land Hessen nicht verdient haben, dass die Rednerinnen und Redner der Opposition, und insbesondere die der Sozialdemokraten, in ihren Re

den immer so tun, als ob Hessen das Jammerland Deutschlands sei und Hessen irgendwo ganz hinten stehe. Wir stehen beim Bruttoinlandsprodukt unter den Flächenländern mit weitem Abstand an der Spitze.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben im Land eine außergewöhnlich gute Entwicklung. Von daher kann man eigentlich nur sagen: Wir müssen für das dankbar sein, was die Hessinnen und Hessen insgesamt leisten. Insgesamt kann man sagen, dass sich dieses Land auf einem hervorragenden Weg befindet.

In der Summe ist das,was wir im Moment tun,nämlich auf der einen Seite einen Konsolidierungsprozess einzuleiten, aber auf der anderen Seite kräftig zu investieren, die einzig richtige Antwort in dieser Zeit.

Damit auch das klar ist, möchte ich Folgendes sagen. Wir haben mit Festlegung der Koalitionsvereinbarung beschlossen, dass die konsumtiven Ausgaben des Landeshaushalts nur um 0,5 % pro Jahr wachsen dürfen. Das ist ein außergewöhnlich ambitioniertes Ziel, weil durch eine hohe Zahl der Vorbindungen, die wir durch Gesetze verschiedenster Art und durch Verträge, die abgeschlossen wurden,haben,dieser Betrag automatisch weit über 0,5 % Zuwachs ansteigt, bevor wir überhaupt angefangen haben, über den Haushalt zu diskutieren. Durch Einsparungen in Höhe von insgesamt 120 Millionen c ist es uns nicht nur gelungen, diese 0,5-%-Grenze einzuhalten.Vielmehr konnten wir das Wachstum auf 0,2 % herunterdrücken.

Das ist eine herausragende Leistung. Wenn hier jemand behauptet, in Hessen würde nicht gespart und wir würden uns nicht anstrengen, dann muss ich ihn auf diese Zahlen verweisen.

Das ist die richtige Antwort.Auf der einen Seite investieren wir. Auf der anderen Seite steuern wir aber auch mit Blick auf eine stärkere Konsolidierung und Entlastung des Haushalts in der Zukunft um.

Ich möchte auf einen zweiten Punkt im Hinblick auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu sprechen kommen. Mir wird hier viel zu pauschal diskutiert. Herr Kollege Milde hat das dargestellt: Mittlerweile gibt es zu Einzelfragen ganz andere Haltungen, die mit Herzblut hier vertreten werden. Man muss dann auch einmal selbst zurückschauen und sehen, wie man sich in der Angelegenheit verhalten hat. Dazu möchte ich zweierlei sagen.

Erstens. 60 % des Programms, also von den 8,5 Milliarden c 5 Milliarden c, sind für Familien vorgesehen. Ich erinnere an die vielen Reden, die hier gehalten wurden. Wer das schlecht findet, der muss eigentlich einmal erklären, wieso er jetzt plötzlich bei dieser Frage seine Meinung wechselt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist doch der genau richtige Adressat. Diese Familien sollen sich etwas leisten können. Sie sollen sich für ihre Kinder etwas leisten können. Über den Umweg, dass sie sich das leisten können, leisten sie tatsächlich auch einen Beitrag zum Wachsen des Bruttosozialprodukts und des Bruttoinlandsprodukts.

Zweiter Punkt. Er betrifft die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen. Ich will Sie jetzt nicht mit den einzelnen Punkten langweilen. Aber die Erhaltung der Verluste bei konzerninternen Umgliederungen, die Erhaltung der Verluste in Höhe der

stillen Reserven und die Erstattung der Verluste bei Unternehmenssanierung sind Themen, zu denen wir Hessen schon vor der Wirtschaftskrise erkannt haben, dass man da das Gesetz vernünftig ausgestalten muss. In der Krise sind die Symptome doch zutage getreten. Jetzt haben wir doch die Situation, dass viele Firmen in Schwierigkeiten kommen. Es ist leider zu erwarten, dass es im Aufschwung noch mehr Firmen sein werden, die in Schwierigkeiten kommen.

Da müssen wir doch die steuerlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass andere diese Unternehmen übernehmen können, dass die Chance besteht, Fortführungskonzepte durchzuführen, und dass kein volkswirtschaftliches Vermögen zerstört wird und keine Arbeitsplätze zerstört werden. Unter Fachleuten ist es doch völlig unstreitig, dass wir da etwas tun müssen.

Ich brauche in Hessen gar nicht die großen Fälle zu nennen,bei denen wir durchaus das Problem hatten,fragen zu müssen: Wenn andere diese Firma übernehmen oder bei ihr einsteigen, wie sieht es dann mit den steuerlichen Verlusten aus?

Gerade diese dritte Regelung, nämlich die Erhaltung der Verluste bei Unternehmenssanierungen, die gekoppelt ist an die Beibehaltung von 80 % der Lohnsumme über fünf Jahre oder an eine Zuführung an das Betriebsvermögen in Höhe von 25 % des Aktivvermögens bei einem Anteil von 100 % – bei einem geringeren Anteil reduziert sich das –, ist doch darauf ausgerichtet, dass Firmen, die in Not sind, von anderen übernommen werden können. Wer kann denn um alles in der Welt etwas dagegen haben, dass solche Regelungen gemacht werden?

Sie nutzen diesem Land doch nicht, indem Sie pauschale Erklärungen mit dem Inhalt abgeben, es sei Unsinn, solche Steuersenkungen vorzunehmen. Nein, das geht genau in die Richtung, dass man den Herausforderungen dieser Zeit und der konjunkturellen Situation gerecht werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Fritz-Wilhelm Krüger (FDP))

Genauso verhält es sich bei der Zinsschranke. Die Zinsschranke ist ein außergewöhnlicher Erfolg. Das haben wir Hessen uns zuzuschreiben. Wir waren diejenigen, die die Zinsschranke ins Gesetz hineingebracht haben. Es sollte jeder einmal darüber reden,wie viele Milliarden Euro,die bei der Unternehmensfinanzierung zulasten des deutschen Steuerzahlers gegangen sind, zwischenzeitlich nicht aus Deutschland abgeflossen sind. Die Steuerlast der Unternehmen wird nicht mehr zulasten des deutschen Fiskus durch Auslandsinvestitionen gemindert, die irgendwo getätigt wurden. Zwischenzeitlich erfolgt die Finanzierung in dem Land, in dem sich auch die Investitionen befinden. Die steuerlichen Verluste über die Zinsen werden auch dort geltend gemacht. Das ist ein riesiger Erfolg.

Nur haben wir inzwischen festgestellt, dass die Zinsschranke im mittleren Bereich zu hart greift. Das ist unter Fachleuten eine Binsenweisheit. Deswegen sollen mit der Entschärfung der Zinsschrankenregelung ungefähr 1.400 mittlere und kleine Betriebe eine gewisse Entlastung erfahren, mit der die Überlebensfähigkeit dieser Firmen in der Krise auch erhöht werden soll.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

Deswegen kann man doch nicht sagen, es sei alles Unsinn, was da gemacht werden soll. Die vorgesehene Reduzie

rung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung wird auch von den Kommunen kritisiert. Statt 65 % der gezahlten Miete der Geschäfte in den Innenstädten sollen dann noch 50 % angerechnet werden. Wer beklagt denn dauernd, dass der Einzelhandel in den Innenstädten immer weiter zurückgeht und dass sich dort nur noch die Ketten befinden? Wir müssen doch akzeptieren, dass die Margen dieser kleinen Betriebe in den Innenstädten relativ klein sind und dass natürlich in der Krise die Not jetzt besonders groß ist.

Was wäre denn das Ergebnis,wenn ein Geschäft nach dem anderen zumachen würde, weil es durch die Hinzurechnung der Miete in Höhe von 65 % nicht mehr die Margen erwirtschaften kann,die es braucht,um zu überleben? Wir müssen doch sinnvoller darauf reagieren. Wer kann denn etwas dagegen haben? Wir wollen von 65 % auf 50 % heruntergehen. Damit werden wir die Existenz vieler kleiner und mittlerer Geschäfte sichern. Es kam mir einfach einmal darauf an, das hier darzustellen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wer hat das denn alles mit Herrn Steinbrück ausgehandelt?)

Schließlich soll mit der vorgesehenen Reduzierung in den Steuerentlastungsgesetzen die Nutzung des Biodiesels und der Pflanzenkraftstoffe in den Jahren 2010 bis 2012 gestärkt werden. Außerdem soll es einen Bestandsschutz für modular aufgebaute Anlagen geben. Das betrifft also das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Vergütung für die Stromeinspeisung für die Anlagen, die vor dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommen worden sind, und damit die Rentierlichkeit werden durch die Neufassung des EEG erhöht.

Meine Damen und Herren, gehen Sie doch nicht ganz so pauschal mit der Sache um, sondern sehen Sie, was damit gemacht wird. Wenn Sie sich inhaltlich damit beschäftigen, kommen Sie relativ schnell zu dem Punkt, dass eben sinnvolle Maßnahmen gemacht werden, die wirklich Wachstumsbeschleunigung mit sich bringen. Zu einem ausdrücklichen und beachtlichen Teil der Fehler, die im Gesetzgebungsverfahren gemacht worden sind,haben wir damals vorgetragen, dass die Maßnahmen so nicht funktionieren oder besser funktionieren können. Wir sind stolz, dass diese hessischen Vorschläge in weiten Teilen in diesem Zusammenhang aufgegriffen werden. Deswegen wird die Landesregierung dem auch zustimmen, weil es eine vernünftige Ergänzung dessen ist, was wir brauchen, um Wachstum in diesem Land voranzubringen.

(Beifall bei der CDU)

Zu den kommunalen Finanzen. Natürlich ist es schwer, jetzt in der Krise mit allen Beteiligten darüber zu reden, wie die Verteilung ist.Nur,die Krise und die Tatsache,dass alle Beteiligten weniger Geld in der Tasche haben, führen nicht automatisch dazu,dass eine Diskussion über die Gerechtigkeit der Verteilung nicht mehr geführt werden kann. Deswegen muss man nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass sich in den letzten Jahren das, was die Kommunen zu Verfügung haben, im Vergleich zu dem, was das Land Hessen zur Verfügung hat, signifikant zulasten des Landes verändert hat. Deswegen will ich das in aller Kürze, weil ich das schon gemacht habe, hier vortragen.

Erstens. Der KFA ist dramatisch auf über 3,3 Milliarden c gestiegen und geht jetzt um 400 Millionen c zurück, ist aber mit 2,9 Milliarden c immer noch deutlich

über dem Niveau der letzten Jahre.Von daher ist das eine bedeutende Unterstützung der Kommunen.

Seit mehr als zehn Jahren – das ist jedenfalls die Statistik, die wir zurückverfolgt haben – haben die hessischen Kommunen dramatisch mehr Einnahmen pro Kopf der Bevölkerung als in jedem anderen Bundesland: im Jahr 2008 1.218 c. Der Schnitt der Flächenbundesländer in Deutschland liegt bei 924 c. Meine Damen und Herren, das sind gewaltige Unterschiede hinsichtlich der den Kommunen zur Verfügung stehenden Mittel. Der Steuerverteilungsanteil – deswegen auch die Diskussion – zwischen Land und Kommunen steigt permanent zugunsten der Kommunen.

(Petra Fuhrmann (SPD):Ach jo!)

Wir sind jetzt bei 49,5 % Anteil der Kommunen an den gesamten Steuern und 50,5 % beim Land.Wir überprüfen das gerade im Hinblick darauf, wie das in anderen Ländern ist.Ich sage Ihnen nur:Kein Land in Deutschland hat zugunsten der Kommunen nur annähernd eine so günstige Steuerverteilung wie Hessen.

Deswegen ist über diese Summe, die von 45 %, 45,5 % auf jetzt 49,5 % steigt, zu reden. Wenn Sie 4 Prozentpunkte nehmen, reden wir pro Prozentpunkt von 220 bis 230 Millionen c. Wenn sich der Anteil von 4 Prozentpunkte verändert hat, sehen Sie, welche Größenordnungen im Raum stehen.